ewoxx sports, ein St. Johanner Unternehmen, ist fast in der ganzen Welt im Einsatz. Und kaum jemand weiß davon.

Wenn wir im Fernsehen einen Skisprung-Wettbewerb verfolgen, konzentrieren wir uns auf die mutigen Männer oder Frauen, die sich vom Schanzentisch aus waghalsig in die Tiefe stürzen. Dass es eine ausgefeilte Technik braucht, um so ein Event überhaupt durchführen zu können, ist uns in diesem Moment gar nicht bewusst. Bei Patrick Walter ist es genau umgekehrt: Bei einem Skisprung-Wettkampf konzentriert er sich auf Daten, Zahlen und Ergebnisse. Wer die Person ist, die mit ihrem Sprung die Daten liefert, wer Weitenrekorde aufstellt oder auch den Sprung „verhaut“, spielt für ihn keine Rolle – die Sportler:innen sind für ihn Nummern. Sein Business ist das Sportdatenservice von A wie Auswertung bis Z wie Zeitnehmung. Er nimmt Video-, Wind- und Geschwindigkeitsmessungen vor – bei Skisprung-Veranstaltungen in Österreich und der ganzen Welt.

Alles dreht sich um Skispringen und Computer

Angefangen hat damit sein Vater Kurt Walter, und zwar in den 80er Jahren. Kurt, ein Fieberbrunner, ist damals Skispringer, Funktionär und Trainer, letzteres unter anderem von Andi Widhölzl. Daneben ist er schon immer sehr technikaffin; er kauft sich einen Computer und schreibt Programme, mit deren Hilfe man die Ergebnisse bei kleineren Skisprung-Veranstaltungen nicht mehr händisch ausrechnen muss. Er legt damit zu Beginn der „Computer-Ära“ den Grundstein für das heutige Unternehmen ewoxx. Das Programm ist gefragt, Kurt tourt damit durch ganz Österreich. „Bei uns daheim drehte sich am Küchentisch meistens alles um Skispringen und Computer“, erinnert sich Patrick. Schon früh sitzt er selbst vor der „Kiste“ und programmiert, bald entwickelt er Papas Software weiter. Jene stellt er Vereinen zur Verfügung und verdient sich damit bereits im Alter von 12, 13 Jahren ein Taschengeld. Als Schüler der HTL, Bereich Elektronik und Nachrichtentechnik, kann er es auch später noch gut gebrauchen.
Daneben tingeln er und ein Freund von einem Skisprung-Event zum anderen und übernehmen die Auswertung – ebenfalls mit dem eigenen Programm. Sie fahren mit dem Zug, für den Führerschein ist Patrick anfangs noch zu jung. Mit 18 Jahrenhat er nicht nur den Führer- schein sondern auch den Gewerbeschein in der Tasche und ist selbständiger Unternehmer.

Der Traum platzt

Im Weltcup werden die Weiten in den 90er Jahren bereits mit Videokameras gemessen, bei allen kleineren Veranstaltungen stehen jedoch Männer und Frauen an der Seite der Schanze und geben mit Handzeichen die Weite an – ein Verfahren, das sehr anfällig für Fehler und Beeinflussung ist. Für Patricks Vater steht deshalb fest: Auch für kleinere Bewerbe muss eine Videomessung her! Sie selbst zu entwickeln, ist Patrick aber zu aufwändig, dazu hat er schlicht keine Lust.
Wie es der Zufall will, trifft er jedoch in der HTL auf einen Lehrer, der eine Firma betreibt, die sich mit berührungslosen Messsystemen zur Kennzeichenerfassung, Videoüberwachung und mehr befasst. Eine Videoweitenmessung zu entwickeln, traut er sich zu. Gemeinsam wird getüftelt und entwickelt, und es funktioniert.
Mit dem fertigen System gehen sie zur FIS, und alle sind begeistert.
Leider ruft die Euphorie auch jenes Unternehmen auf den Plan, das bislang nur den Weltcup abdeckt und kein Interesse an den unteren Serien gezeigt hat. Das ändert sich schlagartig, als die Familie Walter mit ihrem Produkt auftaucht: Die Firma entschließt sich, nun auch die FIS-Serie zu übernehmen. „Unsere ganze Arbeit war umsonst, wir sind auf den Kosten picken geblieben“, erinnert sich Patrick.

Gefragt in aller Welt

„Da das System nun aber bereits fertig und anwendbar war, haben wir halt ganz unten angefangen bei kleinen Veranstaltungen, beim Austria Cup, Alpencup und so weiter“, erzählt Patrick. Als die FIS eine zusätzliche Serie einführt, übernimmt man auch diese. Und dann gibt es plötzlich Probleme zwischen der FIS und dem anderen, großen Anbieter. Patrick und sein Vater sind an einem Tag im Oktober 2013 gerade im Auto unterwegs, als sie der Anruf eines FIS-Mitarbeiters erreicht: Sie sollen ab sofort alle Veranstaltungen inklusive Kontinentalcup und Weltcup übernehmen. „Es ist ja immer unser Traum gewesen, einmal den Kontinentalcup zu betreuen, aber so kurzfristig war das fast ein Ding der Unmöglichkeit“, so Patrick. Egal, es muss in jenen Tagen irgendwie machbar sein, und schlussendlich klappt es auch. Seitdem betreut EWOXX vom Firmensitz in St. Johann aus alle Skisprung- und Bewerbe der nordischen Kombination, ausgenommen des Weltcups, „den wollen wir nicht angehen, da müsste man ganz anders aufgestellt sein.“
Dabei kommt die komplette Technik aus „Sainihåns“: die Ampeln zur Sprungfreigabe, die Geschwindigkeitsmessung im Anlauf, die Wind- und Videoweitenmessung; ewoxx sports liefert die Eingabeterminals für die Sprungrichter sowie alle möglichen Anzeigen drinnen und draußen bis hin zur Fernsehgrafik. Zwei bis drei Tage hat die Mannschaft vor Ort für die Vorbereitungen Zeit, spätestens wenn sich TV-Teams aus aller Welt zuschalten und live senden, muss alles perfekt laufen. Die Software dafür entwickelt Patrick selbst, sie kommt in 22 Ländern der Erde zum Einsatz: zwischen Kanada und Japan, zwischen Finnland und der Türkei. Das Team, das in der Saison bis zu zwanzig Mitarbeiter beschäftigt, begleitet jährlich zirka 170 Entscheidungen. Bis zu einer Tonne wiegt das Equipment, das an der Schanze benötigt wird –­ ein Kostenfaktor, der so manchen Veranstalter stöhnen lässt. Und doch: Weder in Amerika noch in Japan ist ein anderer, gleichwertiger Anbieter aufzutreiben. „Es hängt viel Know-how dran an dem, was wir tun. Außerdem muss alles lizenziert werden, das macht es potenziellen Mitbewerbern nicht einfach“, so Patrick. Er liebt seinen Job. Dass er im dritten Schuljahr die HTL abbrach, hat sich für ihn im Nachhinein nicht als Nachteil erwiesen. „Meinem Sohn würde ich das aber nicht erlauben“, meint der 37-Jährige augenzwinkernd.

Adrenalinschub

Viele Jahre lang war Patrick an den meisten Wochenenden des Jahres unterwegs, mittlerweile erledigt sein Team die Außeneinsätze. „Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich mich auf mein Team voll und ganz verlassen kann, das sind super Burschen!“ Für ihn ist jetzt der schönste Platz daheim im Pillerseetal bei seiner Familie, bei seiner Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen Kindern. Wenn im Jänner die Vierschanzentournee im Fernsehen läuft, läuft sie ohne Patrick – er hat genug Skisprungwettkämpfe hautnah miterlebt. Im Gegensatz zu seinem Vater hat ihn die Faszination des Sports nie gepackt: „Ich bin höchstens einmal mit den Skiern unter dem Schanzentisch weggefahren, das hat mir schon gereicht.“ Was ihn jedoch immer noch begeistert, ist die Soft- und Hardwareentwicklung, die er im Büro in St. Johann betreibt. „Da ist man nie fertig, es gibt immer Verbesserungen und Luft nach oben.“ Während die Sportler:innen ihren „Thrill“ beim Springen und durch-die-Lüfte-Fliegen erleben, schießt sein Adrenalin in die Höhe, wenn der Countdown zählt: 3 – 2 – 1 –live!

Doris Martinz