Die Familie Rass vom Schwentlinghof in St. Johann gibt der Natur ein Stück Moor zurück.

Vor 60 Jahren war Naturschutz in unseren Breitengraden noch kein großes Thema. Was tat man mit Mooren, mit diesen feuchten, „unnützen“ Flecken? Am besten trockenlegen und aufforsten, so hatte man wenigsten das Holz als Ertrag. So geschah es auch mit dem zirka ein Hektar großen Hochmoor beim Schwentlingbauern in St. Johann. „Aber da wuchs nie ein schöner Wald. Die Fichten wuchsen schlecht bis gar nicht,“ erzählt Hans Rass. Er hat den Schwentlinghof 1994 von seinem Vater übernommen und ist die vierte Generation der Familie auf dem Hof. Das Wohnhaus ist 800 Jahre alt – ein architektonischer Schatz mit dicken Mauern, Gittern vor den ebenerdigen Fenstern und original erhaltener Lüftlmalerei, die bei der Sanierung unter dem Putz zum Vorschein kam. Vor der alten, schweren Holzhaustür ein Gatterl, wie man es von alten Fotos kennt. „Das hat man angebracht, damit die Hühner nicht ins Haus kamen, wenn die Haustür offen stand“, erklärt mir Bäuerin Anna Rass, nachdem sie mich durch die moderne Küche in das Gewächshaus geführt hat. Wir plaudern mit Blick auf die Beete, in denen bald die Tomaten und Gurken wachsen werden – und mit fantastischer Aussicht auf das Kitzbüheler Horn direkt vor uns. „Für mich ist unser Hof der schönste Platz in ganz St. Johann“, sagt Anna, sie strahlt dabei über das ganze Gesicht. Ihr Mann Hans nickt dazu.

Wichtige Kohlendioxid-Speicher

Zu diesem schönen Flecken Erde passte kein dunkler, kranker Wald auf einem Stück Land, das eigentlich ein Moor sein wollte. Aber was tun? Vor zwei Jahren rief Hans beim Land Tirol, Abteilung Umweltschutz, an und bat um Tipps. Man riet ihm, das Moor zu renaturieren und damit aus der Nutzung zu nehmen – und bot auch gleich Unterstützung an. So wurden die Fichten gefällt, man baute Sperren in die Entwässerungsgräben ein und staute das Wasser, damit sich der Wasserspiegel wieder hebt. Den Rest macht die Natur. Alles schön und gut.
Aber als Bauer hat Hans nun keinen Nutzen mehr von den fast 10.000 Quadratmetern, oder? „Das würde ich so nicht sagen“, meint Anna. „Jetzt haben wir ein schönes Moor!“ Schon, aber was tut man mit einem Moor? „Anschauen und sich an den Pflanzen und Tieren erfreuen, die den Flecken wieder erobern“, antwortet sie. Was für eine Frage! Außerdem sei ein Moor für die Gemeinschaft, für alle Leute, gut, so Anna. Damit hat sie natürlich recht: Moore speichern mehr Kohlendioxid als jedes andere Ökosystem der Welt, wir brauchen sie also dringend im Kampf gegen die Klimakrise. Sie sind zudem sehr effektive Wasserspeicher, die helfen, Überschwemmungen und Flutkatastrophen zu verhindern.

Tierwohl und Naturschutz

Hans und Anna haben der Natur das Moor zurückgegeben, und sie bewirtschaften ihre Bio-Landwirtschaft auch sonst sehr naturnah: Sie bauen Kartoffeln, Getreide und viel Gemüse für den eigenen Bedarf an. Ihre Angus­rinder leben in Mutterkuhhaltung und können das ganze Jahr über hinaus auf die Felder. Wenn ihre Zeit gekommen ist, holt sie der heimische Metzger ab, die Fleischpakete werden ab Hof verkauft. Die Hennen führen ein glückliches Dasein, bis sie aus Altersschwäche tot umfallen. Die Bauersleute sprechen von Tierwohl und Naturschutz, nicht von Gewinnmaximierung. Weil sie ja auch nicht vom Hof leben müssen.
„Aber ohne die Förderungen von Land, Bund und EU könnten wir den Hof nicht bewirtschaften“, stellt Hans klar.

Ein Schatz für Mensch und Tier

Wie wird es mit dem Schwentlinghof eines Tages weitergehen? Wird eines der Kinder übernehmen? Noch zeichne sich in dieser Hinsicht nichts ab, aber es sei ja noch Zeit. Er selbst habe sich ja auch spät dazu entschieden, Bauer zu werden, so Hans. Er und seine Frau wollen keinen Druck ausüben: Bauer oder Bäuerin müsse man gerne sein, das müsse man wirklich wollen. „Sonst wird man zum grantigen Bauern, und von denen gibt es genug“, so Hans.
Im Anschluss an unser Gespräch führen mich die beiden zum Moor, das nur wenige hundert Meter vom Hof entfernt liegt. Noch ist an jenem Tag im März nicht viel zu sehen, der Flecken erwacht erst allmählich aus dem Winterschlaf. Aber bald schon wird es hier summen und schwirren, man wird dem Quaken der Frösche lauschen können und beobachten, wie Libellen durch die Luft jagen. Und das Moor wird wieder viel Kohlendioxid speichern. Es ist ein Schatz, ein Schatz für Mensch und Tier. 

Doris Martinz

Übrigens: Auf Seite 48 erzählt Horst Eder eine Berggeschichte über den Groß­vater von Hans, Toni Rass.