Von der Automarke Borgward, ihren größten Fans und schönen Erinnerungen

Ende Juni dieses Jahres wird St. Johann eine Premiere erleben: Der Borgward Club Austria hält sein internationales Jahrestreffen zum ersten Mal in der Marktgemeinde ab. Wenn euch, liebe Leserinnen und Leser, der Name Borgward vielleicht nichts sagt und ihr euch denkt, das klingt irgendwie nach „Hogwarts“, nach Harry Potters Zauberschule, dann liegt ihr damit nicht völlig falsch: Denn auch die Borgwards haben ihre Magie. Und sie kommen aus alten Zeiten, zumindest aus vergangenen Jahrzehnten: Borgward ist eine deutsche Automarke, sie stammt ursprünglich aus Bremen. 1961 ging der Hersteller in Konkurs, danach wurden in Europa keine Autos dieser Marke mehr produziert – deshalb sind sie vielen unbekannt. Dabei waren die Automobile in den Spielfilmen der 50er-Jahre, in denen Stars wie Peter Alexander oder Heinz Erhardt glänzten, prominent vertreten.
Die Ikone der Marke Borgward: die „Isabella“, ein Traum aus Lack und Chrom. Aber wie kommen die schöne Isabella und ihre Kollegen nach St. Johann in Tirol?
Über die Sainihånser Brüder Rudi und Heribert Kisch, beide leidenschaftliche Borgward-Fans.
Ihr Vater betrieb in der Nähe von Melk, ihrer ursprünglichen Heimat, eine Borgward-Servicestelle; sie wuchsen mit der Marke auf und standen jubelnd am Streckenrand, wenn der Papa mit seiner Isabella an Bergrennen teilnahm. Rudi war 15 und Heribert 12 Jahre alt, als die Familie aus wirtschaftlichen Gründen nach Tirol übersiedelte – hier gab es für den Vater besser bezahlte Jobs. Er werkte schließlich als Mechaniker-Meister bei Opel Sparer. Auch Rudi, heute 77 Jahre alt, erlernte den Beruf des Mechanikers. Er arbeitete als Autoverkäufer, verließ später die Branche, machte sich mit einer Reinigungsfirma selbständig und verkaufte diese, als er in Pension ging. Sein Bruder Heribert, heute 74 Jahre alt, wurde Kellner, arbeitete dann aber als Autoverkäufer bei Opel Sparer.
Bei den Kischs drehte sich also immer alles schon um Autos. Und um die Borgwards. Warum, was ist so spannend an diesen Fahrzeugen? Alte Autos gibt es schließlich viele …
„Der Borgward war das erste Auto mit selbsttragender Karosserie, sonst hatten alle einen Rahmen“, erklärt Rudi Kisch. „Das hat uns fasziniert!“ Später übernahm übrigens niemand geringerer als der Autohersteller BMW diese Bauweise. „Deshalb ist BMW ja auch die Abkürzung für ,Borgward Macht Weiter’, erklärt Rudi augenzwinkernd.
Borgward stellte Autos der gehobenen Mittelklasse her. Die Modelle Isabella, Arabella, Lloyd, Goliath, Hansa und das Coupé entsprachen damals in etwa Modellen wie dem Opel Kapitän oder Opel Rekord.

Zickige Schönheit

Vor sechs Jahren erfüllten sich Rudi und sein Bruder Heribert einen Traum: Sie erstanden eine Isabella. Ihre „Maße“: Baujahr 1959, 75 PS, 1.500 Kubikzentimeter, vier Zylinder, Viergang. Sie hatten die rote Schönheit im Internet gesehen, sich sofort verliebt und aus Polen kommen lassen. Inzwischen wurde viel geschraubt und gelötet an dem guten Stück. „Es gibt immer etwas zu basteln. Einmal werden die Bremsen gemacht, ein anderes Mal wird beim Tacho die Uhr analog von sechs auf zwölf Volt ausgetauscht, dann wieder sind die Bremsleitungen dran und vieles mehr“, zählt Rudi auf. Die Ersatzteile sind über das Internet zu bekommen.
Aber: „Schrauben“ ist eine Sache, fahren eine andere. Und das ist mit der Isabella gar nicht so einfach: Man kann sich nicht einfach hinters Steuer klemmen und aufs Gas drücken. Nein, Isabella will mit Gefühl behandelt werden. Die Handschaltung befindet sich hinterm Lenkrad, beim ersten Gang muss man einen Zwischengang einlegen. „Das muss man können. Wenn man einfach macht und tut, geht sie kaputt“, erklärt Rudi. Aber wenn man sie gefühlvoll schaltet, läuft sie „wie ein Glöckchen“, wie er es ausdrückt. Meistens zumindest. Ziemlich blöd lief es allerdings an jenem Tag, als die Benzinfüllstandsanzeige verrückt spielte und ausgerechnet im Tunnel in Zell am See der Sprit ausging. Rudi und Heribert mussten Isabella bis zur nächsten Nische schieben, der Tunnel wurde gesperrt, Polizei, Blaulicht, großes Aufgebot, viel Publikum, alles ziemlich peinlich. Ist man in einer solchen Situation nicht sauer auf die „Dame“ auf vier Rädern, auch wenn sie noch so schön ist? „Nein“, sagt Rudi und schaut mich verwundert an. „Sie kann doch nichts dafür, wenn ein Teil kaputt ist.“
Ein anderes Mal habe Isabella bei der Heimfahrt aus Italien auf der Autobahn „grausige“ Geräusche gemacht, erzählt Rudi – die Tachowelle war defekt. Zum Glück ließ sich der Oldie noch von der Überholspur auf den Pannenstreifen lenken, wo Rudi den Schaden sofort behob. Nach wenigen Minuten konnte man die Fahrt fortsetzen.
Wenn man mit Isabella unterwegs ist, muss man wohl jederzeit mit allem rechnen? Die Gute zeigt sich also doch öfter einmal recht „zickig“? „So ist es, aber wir können fast alles selbst reparieren“, relativiert Rudi. Und räumt ein: „Man muss sie lieben – und Idealist sein.“

Unterwegs mit einem Exoten

Die kalte Jahreszeit verbringt Isabella im Winterschlaf in der Garage, aber im Sommer bekommt sie ein Kennzeichen, und die Brüder Kisch nehmen an Ausfahrten und Rallyes im gesamten deutschsprachigen Raum teil. Als Co-Piloten mit dabei sind immer wieder auch der Musiker Paco Alonso und Ballonfahrer Walter Seibl, beides Freunde der Familie.
„Den Walter brauchen wir zum Schieben, er kennt das Zurückholen ja vom Ballooning“, scherzt Rudi.
Die Ausfahrten mit Isabella sind für die Brüder wie eine Zeitreise. Sie sind ihr liebstes Hobby, das Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend mit vielen unvergesslichen Begebenheiten weckt. Wenn Rudi und Heribert mit ihrer Schönheit unterwegs sind, sind die Leute begeistert von dem liebevoll gepflegten Oldie.
Die Menschen winken, andere Autofahrer hupen und geben ihnen Vorrang, überall großes „Oh“ und „Ah“. Und Rätselraten. „Kaum jemand kennt die Marke Borgward, wir fahren einen Exoten. Das Aufsehen, das wir damit erregen, ist der halbe Spaß“, gesteht Rudi schmunzelnd. Zirka 3.000 Borgwards gibt es weltweit noch. Für eine Isabella sind zirka 45.000,- Euro zu berappen, für ein Coupé an die 75.000,- Euro. Es wurden aber auch schon 100.000,- bzw. 160.000,- Euro bezahlt. „So ein Coupé wäre schon noch schön“, sinniert Rudi. „Es heißt also sparen!“

Mit Isabella zur Firmung

Die schönste Ausfahrt mit einer Isabella war für Rudi die Fahrt im Auto seines Vaters zum Stephansdom in Wien. Die ganze Familie war dabei, denn Rudi wurde an jenem Tag im Stephansdom gefirmt. Alle waren festlich angezogen, Rudi trug seinen neuen Anzug, das Chrom von Isabella blitzte im Sonnenlicht. „Das war richtig schön damals“, schwelgt Rudi in Erinnerungen. Übrigens gibt es in der Familie Kisch eine weitere Isabella, nämlich Heriberts Tochter. Er wollte seine zweite Tochter Arabella nennen, also ebenfalls nach einem Borgward-Modell, doch da legte seine Frau ein Veto ein.
Irgendwie verständlich.
Seit Jahren bemühten sich Rudi und Heribert darum, das Treffen des Borgward-Clubs Austria in St. Johann veranstalten zu können, heuer klappt es endlich.
Vom 28. bis 30. Juni 2024 werden zirka 70 Schönheiten aus ganz Europa bei den Ausfahrten zu bewundern sein. Heribert und Rudi Kisch freuen sich sehr auf die Tage. Isabella bestimmt auch.

Doris Martinz