Manuela Granig über ihre Erfahrungen bei „Zeitpolster“.

Man kennt ja das Klischee von Männern in der Lebensmitte, wenn sie die „Midlife-Crisis“ packt: Sie färben sich die Haare, kaufen sich ein schnittiges Auto oder gehen fremd. Natürlich ist das in Wirklichkeit alles gar nicht wahr. Aber wie sieht es bei den Frauen aus? Auch die weibliche Hälfte der Menschheit muss schließlich mit dem Älterwerden zurecht kommen. Die St. Johannerin Manuela Granig beschreibt, wie sie das erlebt hat: „Ich bin verheiratet, wir haben zwei tolle Kinder. Sie sind jetzt 22 und 20 Jahre alt und brauchen mich nicht mehr so oft. Ich gehe auf die 50 zu, im Job passt alles – und doch hatte ich letztes Jahr das Gefühl, dass ich nochmal etwas Neues probieren sollte – am besten im sozialen Bereich. Ich wollte mit dem Mehr an Zeit, das mir nun zur Verfügung stand, einfach etwas Sinnvolles anfangen.“ Sie kaufte sich kein PS-starkes Auto, erzählt auch nichts von einer aufregenden Affäre. Nein, sie schloss sich dem Team bei „Zeitpolster“ an.
Für Manuela war es die richtige Entscheidung: Sie kann mit Menschen arbeiten, auf freiwilliger Basis, und ohne Druck. Am Donnerstagnachmittag, ihrem freien Nachmittag, besucht sie jetzt immer eine 90-jährige Dame, die kaum Angehörige in der Nähe hat. Man plaudert und scherzt, Manuela hilft vielleicht einmal dabei, das Bett frisch zu überziehen, oder es gibt in der Wohnung etwas umzuräumen. Regelmäßiges Putzen gehört nicht zu ihren Aufgaben, das übernimmt das Haushalts-Team des Sozialsprengels. Bevor die donnerstäglichen Besuche fixiert wurden, haben sich Manuela und die alte Dame natürlich kennengelernt, um zu sehen, ob die „Chemie stimmt“. „Man bekommt nicht einfach jemanden zugeteilt, das muss schon passen“, erklärt Manuela.­ Wenn sie hinkomme, freue sich die Dame immer sehr und sage ihr das auch, erzählt sie. „Sie lässt es mich spüren, und das fühlt sich sehr gut an. Man spürt, dass man gebraucht wird. Nicht als Arbeitskraft, sondern als Mensch.“

Neue Anfragen sind willkommen

Derzeit widmet Manuela der alten Dame jeden Donnerstag zwei Stunden. „Das ist für mich überschaubar und keine Belastung. Was würde ich sonst schon tun? Daheim putzen? So ist die Zeit besser genutzt.“ Im Sommer, wenn die Urlaubszeit kommt, wird die Betreuung auch hin und wieder ausfallen, das ist kein Problem und mit der Dame bereits abgesprochen.
Für jede Stunde, die Manuela der Dame widmet, bekommt sie selbst eine Stunde auf ihr Zeitpolster-Konto angerechnet – das ist das Prinzip von Zeitpolster. Wenn sie später einmal selbst Betreuung brauchen sollte, kann sie darauf zurückgreifen. Dieser Aspekt hat für sie derzeit aber noch kaum Bedeutung, sie sieht ihn als „netten Nebeneffekt“. „Das ist noch so weit weg!“ Man könne die geleisteten Stunden in Gutscheine umwandeln und verschenken, erklärt Manuela. Vielleicht könne ihre Mutter sie eines Tages gebrauchen oder auch die Dame, die sie betreut. Jene müsse nämlich neun Euro pro Stunde bezahlen.

Derzeit passe Zeitpolster super in ihr Leben, so die St. Johannerin. Sie unterstützt das fünfköpfige Organisationsteam in St. Johann mittlerweile auch in Sachen Presse­betreuung.

Die Helfenden, es sind ihrer inzwischen 26, haben seit der Gründung Ende 2020 mehr als 4.500 wertvolle Stunden geleistet. Unterstützung ist immer gefragt, derzeit können aber auch wieder neue Anfragen angenommen werden. Wenn ihr also selbst Hilfe brauchen könnt oder jemanden wisst, der sich über Gesellschaft und Unterstützung freuen würde: einfach bei Zeitpolster melden!

Kontakt:
Zeitpolster St. Johann,
Teamleitung:
Maria Achorner,
Tel. 0664 88720764

Doris Martinz