Der St. Johanner Florian Lettner erzählt von seinen Erlebnissen als „rasender Reporter“ für den Sender Pro7.

Nach Abschluss des Studiums absolvierte der St. Johanner Florian Lettner ein Volontariat als TV-Redakteur und -reporter bei Pro7. In dieser Zeit erlebte er viel, darunter auch Aufregendes und Skurriles. Als er die Redaktion 2016 verließ, tat er das mit einem „Wums“, wie er bei unserem Gespräch lachend erzählt. Mit diesem „Wums“, mit dieser „Knaller-Story“, verhielt es sich so:

Florian ist gerade mit Freunden in Barcelona unterwegs, als ihn eine ehemalige Kollegin anruft. Die beiden haben sich beim ZDF kennengelernt, gut verstanden und vereinbart, dass sie an den anderen denken würden, wenn sich einmal etwas Interessantes auftun sollte. Die Kollegin meint, sie habe nun tatsächlich einen Job für Florian. Es gehe um eine Gelegenheit, auf die man bei Pro7 seit vielen Jahren vergeblich warte – ein absoluter „Kracher“, bei dem ein „VIP“ involviert ist. Genaueres kann sie am Telefon nicht verraten. Florian müsse für den Job allerdings zwei Tage später mit seinem Kameramann in London sein, sagt sie. „Das klang natürlich sehr, sehr spannend. Aber wie sollte das gehen? Zum einen war ich gerade in Barcelona, zum anderen war ich sicher, dass ich in der Redaktion keine Freigabe für die Reisekosten bekommen würde. Ich konnte ja nicht einmal sagen, wofür ich das Geld brauche“, erzählt Florian. Er versucht es damals dennoch: Er fliegt sofort nach Hause und es gelingt ihm tatsächlich, die „Chefin vom Dienst“ davon zu überzeugen, das Reisebudget für ihn, den Kamera- und den Tonmann „lockerzumachen“. Die Tatsache, dass er wenige Monate zuvor aus dem Nichts heraus Paris Hilton in Zürich für ein Interview gewinnen konnte (wir berichteten in unserer Oktober-Ausgabe), half enorm.
Im Hotel in London angekommen, trifft Florian seine ehemalige Kollegin. Sie eröffnet ihm, dass der Schauspieler Charlie Sheen am Abend desselben Tages eintreffen wird und Florian mit ihm ein langes, weltexklusives Interview führen kann. Sie hat den Europa-Trip des Stars mitorganisiert und bietet das Interview Florian an, weil Sheen zum Sender Pro7 passt – und weil Florian so nett ist. „Dazu muss ich erwähnen, dass ich einmal bei ihr daheim in Bayern zum Grillen eingeladen war. Sie liebt Würstel, und weil sie die St. Johanner noch nicht kannte, brachte ich ihr welche mit – sie war begeistert!“, so Florian mit breitem Lächeln. Die Würstel müssen auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. In London kann er sein Glück kaum fassen.

Man wartet …

Charlie Sheen kommt in jenen Tagen im Zuge eines Werbedeals nach London. Bei einer Produktpräsentation, es geht um Kondome, spricht er offen über seine Aids-Erkrankung und meint, dass er sich nicht angesteckt hätte, wenn er sich entsprechend geschützt hätte. Florian und sein Team sind bei der Veranstaltung unter den Gästen und freuen sich auf das Interview am nächsten Tag, das für 11 Uhr angesetzt ist. Sheen verschwindet kurz nach seinem Auftritt mit einem blonden „It-Girl“.
Am nächsten Vormittag sind Florian und seine Leute pünktlich vor Ort im Hotel, doch der Star lässt auf sich warten. Um 12 Uhr meldet sich sein Manager und meint „Charlie had a hard night“. Er verspricht, dass er um 14 Uhr bereit sein wird. „Um 14 Uhr sollten wir aber schon beim Flughafen sein für unseren Rückflug. Also haben wir den Flug verschoben.“ Es dauert weitere Stunden, Florian will schon alles hinschmeißen, als Charlie Sheen um 16 Uhr endlich auftaucht. Er kommt zur Tür herein – klein, schmächtig, zittrig – und entschuldigt seine Verspätung damit, dass er keine gute Nacht gehabt habe. Offensichtlich war viel Alkohol im Spiel gewesen. Der Star zeigt sich nun jedoch entgegenkommend und begrüßt auch den Kameramann und den Tonmann – gegen jedes Klischee – mit Handschlag. Noch bevor das Interview beginnt, hält ihm sein Manager das Handy hin und sagt: „Schau mal, das Girl, mit dem du verschwunden bist, hat am Vormittag schon der ,Sun‘ ein Interview gegeben mit dem Titel ,Meine Nacht mit Charlie Sheen‘. Sheen zuckt resignierend mit den Schultern. „Da haben wir gemerkt, dass der große Star eigentlich ein armer Kerl ist, verbrannt durch das Geschäft und körperlich wie geistig kaputt. Dabei war er unfassbar nett zu uns“, erinnert sich Florian.

Die Sache mit dem Rauchen

Im Zuge des Gesprächs fragt Sheen Florian, ob er rauche. Was soll Florian tun? Er hat nur einmal in seinem bisherigen Leben geraucht, im Gymnasium, und nur einen Zug.
Aber soll er das dem Superstar sagen, der ihn auf eine Zigarette einlädt? Wo er ohnehin so brav und wie der Traum jeder Schwiegermutter aussieht? Nein, natürlich nicht. Deshalb antwortet Florian: „Of course“, natürlich raucht er. Die beiden treten auf den Balkon hinaus, Sheen hält Florian die Packung hin. Dem St. Johanner wird übel, als er daran denkt, was in der Zigarette womöglich alles drin ist. Aber er greift dennoch zu, zündet sie an und nimmt einen tiefen Zug. Oder, besser gesagt: Er versucht, einen tiefen Zug zu nehmen, verschluckt sich aber und bekommt einen fürchterlichen Hustenanfall. Charlie Sheen zieht die Augenbrauen hoch und meint: „Wie oft hast du denn geraucht?“ Da rückt Florian mit der Wahrheit heraus und sagt, dass er halt aus den „Tyrolean Mountains“ komme, aus einem kleinen Ort, an dem die Welt noch in Ordnung sei. Und dass er aus Höflichkeit nicht habe absagen wollen. Sheen blickt Florian ins Gesicht, klopft ihm auf die Schultern und meint: „I like you.“
Zurück im Hotelzimmer, führt Florian ein sehr langes, ausführliches und persönliches Interview, für das sich Charlie Sheen alle Zeit der Welt nimmt – obwohl sein Manager ihm immer wieder deutet, endlich Schluss zu machen. Der Schauspieler gesteht im Laufe des Gesprächs, dass er viele Fehler gemacht habe, dass er vieles bereue. Das Interview ist damals bei Pro7 der absolute Hit und immer noch online.
Florians Kollegin, die das Interview eingefädelt hatte, blieb in der Sache nicht unbelohnt: Bei der nächsten Gelegenheit beglückte sie Florian mit einem ganzen Kofferraum voll St. Johanner Würstel. Und wenn Florian heute gefragt wird, ob er raucht, sagt er: „Ja, das hat mir Charlie Sheen beigebracht.“

Doris Martinz