Der St. Johanner Florian Lettner erzählt von seinen Erlebnissen als „rasender Reporter“ für den Sender Pro7.

Nach Abschluss des Studiums absolvierte der St. Johanner Florian Lettner ein Volontariat als TV-Redakteur und -reporter bei Pro7. In dieser Zeit erlebte er viel Lustiges und Skurriles und berichtete in den vergangenen Ausgaben darüber. Diesmal jedoch erzählt er von einem Einsatz, bei dem ihm das Lachen verging. Er begleitet damals einen Tag und eine Nacht lang die Polizei von ­Miami – einen Bericht darüber hat sich die Redaktion bei Pro7 schon lange gewünscht. „In Amerika werden Polizistinnen und Cops von der Öffentlichkeit als Held:innen wahrgenommen, die täglich ihr Leben riskieren, um für Recht, Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Zumindest ist das in den großen Städten so“, erklärt Florian. Er soll sich deshalb an die Fersen der „Cops“ heften und über seine Erfahrungen und Eindrücke berichten. Cool, denkt sich Florian, das wird bestimmt aufregend. Das sollte es auch werden. Letztendlich aufregender, als ihm lieb war.

Es beginnt schon bei den Vorbereitungen für den Dreh, die so intensiv sind wie nie zuvor. Natürlich kann man nicht einfach mit Kamera und Mikrofon in Miami anrücken und die Uniformierten ins Bild holen. Unter vielen anderen Dingen braucht es dafür ein polizeiliches Führungszeugnis, eine Art Leumundszeugnis für alle im Team sowie eine „One-Million-Dollar-Insurance“, also eine umfassende Versicherung für den Fall, dass ein Crewmitglied verletzt oder gar erschossen wird. Florian stutzt kurz, als er die Polizze überfliegt. Bis knapp vor Reisebeginn sieht es danach aus, als könnten die notwendigen Unterlagen nicht zur Gänze bereitgestellt werden, am Vorabend kommt dann aber zum Glück doch noch das OK. Also auf nach Miami,­ Don Johnson von „Miami Vice“ wartet bestimmt schon!

Es geht zur Sache im „South District“

Ganz so ist es zwar nicht, aber die Polizeikollegen im „South District“, Miamis Stadtteil mit der höchsten Kriminalitätsrate, sind informiert und heißen das TV-Team aus Deutschland willkommen. „Die haben dort täglich mit Drogendelikten zu tun, mit Bandenkriminalität, Mord und Totschlag, da geht es wirklich ab“, weiß Florian heute. Damals aber sind er und seine beiden Kollegen (Ton und Kamera) völlig „blauäugig und naiv“ und der Meinung, sie würden halt ein wenig im Polizeiauto herumfahren, sich die Wachen ansehen, sich die Uniformen erklären lassen und solche Dinge mehr. Schon allein in die Polizeistation hineinzukommen, ist aber alles andere als einfach: Florian und seine Begleiter werden durchsucht, durchleuchtet, auf den Kopf gestellt und geschüttelt – bildlich gesprochen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm. Im Inneren des „Departments“ hängen riesige „Miami Vice“­- und andere Filmplakate an den Wänden. Das ist so, als würde bei uns auf der Polizeiinspektion Jakob Seeböck alias­ Kommissar Lukas Roither von „Soko Kitzbühel“ von der Wand lachen – und damit höchst unwahrscheinlich. „Aber dort drüben verschwimmen Fiktion und Realität, die sind ihr eigenes Fernsehklischee“, erzählt Florian. Deshalb sind er und sein Team nicht überrascht, als sich eine Tür öffnet und eine „Officerin“ in sportlich-eleganter Zivilkleidung, perfekt geschminkt und auf superhohen roten Highheels schwebend, erscheint. Sie stellt sich als Jennifer vor, ist von der Mordkommission und soll Florian ein Interview geben. Doch dafür ist in diesem Moment keine Zeit. „Los geht’s, Leute!“, ruft sie. „Wir haben Glück und einen Doppelmord auf dem Highway!“
„Und du denkst: OK, ist ja gut, dass sich was tut. Auf der anderen Seite aber auch: Was? Ein Doppelmord? Zum Glück ist das bei uns nicht der Alltag.“

Fiktion oder Realität?

Die Kommissarin rast im Einsatzwagen mit Blaulicht voraus, Florian und seine Leute dürfen im selben Tempo hinterherfahren. Kurz kommt Euphorie auf. Sie schwindet, als sie am Tatort, dem abgeriegelten, menschenleeren Highway, ankommen. Eine beklemmende Szenerie. Sie dürfen ganz nah an den Ort des Geschehens herantreten, nur die Leichname filmen, das ist ihnen verboten. Was ist passiert? Auf dem mehrspurigen Highway haben sich in den Morgenstunden verfeindete­ Bandenmitglieder gegenseitig während der Fahrt in ihren Autos erschossen. Wie nach Drehbuch. Kurz kommen bei Florian Zweifel auf, ob das auch wirklich alles real ist oder ob er mitten in eine Movie-Szene geraten ist. In diesem Moment kommt der Helikopter des FBI angeflogen; es steigen Männer in dunklen Anzügen aus, sie tragen dunkle Rayban-Brillen und undurchschaubare Gesichter. „Und du stehst da und checkst grad gar nichts mehr.“ Die Herren vom FBI tauschen kurz Informationen mit der Highheel-Trägerin aus, einer von ihnen wendet sich Florian zu und ist bereit, ein Interview zu geben. Er sagt Sätze wie: „Wenn du fürs FBI arbeitest, verabschiedest du dich in der Früh von deiner Familie und weißt nicht, ob du sie wiedersehen wirst.“ „Und als Reporter denkst du dir immer wieder: Das ist doch alles nicht echt, oder?“ Doch das ist es.
Die örtliche Presse trifft ein. Manche von den Repor­ter:innen kommen im Hubschrauber, sie sind perfekt gestylt und berichten live für die Morningshow. Sie müssen jedoch hinter der Absperrung bleiben und dürfen nicht so nahe ans Geschehen wie Florian. Manche sind darüber entsprechend ungehalten, der St. Johanner ist in Erklärungsnot.
Zu Mittag verabschieden sich Florian und sein Team von Jennifer, man verabredet sich für 17 Uhr zur Nachtschicht – 24 Stunden waren vereinbart. Die Kollegen nennen die Nachtschicht aus gutem Grund „Dirt Shift“, aber das weiß Florian zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Jennifer rät ihnen, auf keinen Fall in der Gegend Mittagessen zu gehen, sondern sich dafür lieber einen anderen, sicheren Stadtteil zu suchen. „Nach den Erlebnissen des Tages ist uns schon ein wenig mulmig geworden“, sagt Florian. Das Gefühl sollte sie nicht trügen; mehr dazu in unserer nächsten Ausgabe.

Doris Martinz