Heinrich Kürzeder über einen unvermeidlichen Zustand und ein Buch, für das er ein Kapitel beigesteuert hat.

Ich kenne Heinrich, „Heini“, seitdem ich über ihn und seine Kurse „Mountainbiken 50 plus“ geschrieben habe (Ausgabe April ’23). Über Social Media erfuhr ich vom Buch „Schöner warten“, für das er einen Beitrag liefert. Das Thema interessierte mich. Wir alle müssen dann und wann warten: auf den Bus oder Zug, auf eine Bewilligung, eine gute Idee, die große Liebe, auf bessere Zeiten. 71 Jahre wartete Prinz Charles auf die Thronfolge, vier Jahre wartet man derzeit auf einen Tisch sonntags in „The Bank Tavern“, einem kleinen Pub in Großbritannien. Ist das Warten verschwendete Zeit, oder kann man sie in irgendeiner Form für sich nützen? Armin Nagel, Comedian und Autor des Warte-Buchs, sammelt in seinem Werk auf witzige und unterhaltsame Weise Meinungen, Ideen und Vorschläge zum Umgang mit der „Frei-Zeit“, die uns oft völlig überfordert. Er kommt zu dem Schluss, dass „Warten schön sein kann und dumm rumsitzen gar nicht mal so blöd ist.“
Sieht Heini Kürzeder das auch so? „Ja, Warten ist wichtig und kann ja auch sehr erfüllend sein. Zum Beispiel dann, wenn man auf die Geburt eines Kindes wartet.“ Er selbst sei gerne früh dran und müsse deshalb immer wieder warten, zum Beispiel beim Arzt. Wann immer es möglich sei, nütze er die Zeit zum Schlafen. „Das habe ich bei der Bundeswehr gelernt, da muss man immer irgendwo warten“, erzählt er. „Ich kann zum Glück immer und in allen Lebenslagen schlafen und erhole mich auf diese Weise schnell zwischendurch.“
Das können leider nicht alle Menschen. Schon gar nicht, wenn das Warten stresst. „Man könnte die Zeit ja auch nützen, um kreativ sein oder nachzudenken“, meint Heini. „Wann denkt man denn schon mal nach? Man weiß ja schon gar nicht mehr, worüber man nachdenken soll. Es gibt viele Kleinigkeiten und auch große Sachen, die eine ausgiebige Überlegung wert sind.“ Eigentlich, so Heini, sollte man am besten eine Nachdenkliste erstellen und jene immer bei sich tragen – für den Wartefall.
Die Beschäftigung mit dem Thema hat bei ihm auf jeden Fall etwas verändert: „Ich hänge jetzt nicht mehr am Handy, wenn ich warten muss, sondern denke nach oder schlafe.“
Warten ist gut
Manchmal ist es für uns sogar gut, dass wir warten müssen, Wartezeiten sind Zeiten für Besinnung und Erkenntnis. Zum Beispiel bei Geburten: Je schneller ein Kind auf die Welt kommt, desto länger braucht die frischgebackene­ Mutter, um zu realisieren, dass es wirklich da ist. Nicht alles, was schnell geht, ist von Vorteil für uns.
Das Warten als Kunst, als unerwartetes Geschenk, das uns positiven Freiraum bietet – eine interessante Perspektive. So gesehen ist auch das Warten aufs Christkind eine echte Freude … 

Doris Martinz

 

Übung: Schöner Warten in Vollendung

(aus dem Buch „Schöner Warten“ von Armin Nagel)
„Wichtigster Vernichter freier Wartezeit ist (…) das Smartphone (…).
Jeder sich im Alltag eröffnende Zeitraum kann durch das Angebot der körpernahen Kleinelektronik mit kurzweiliger ­Beschäftigung verfüllt ­werden (…). Der Benutzer­ wird seiner raumzeitlichen­ Gegenwart entführt und gerät gleichsam außer sich. Er vermeidet das ­Risiko innerer Einkehr, ­indem er die bedrohliche­ Leere des Wartens durch den reflexhaft gewordenen­ Blick zum Taschenbildschirm im
Entstehen abwehrt.“

Willst du in Vollendung warten?
Schalte dein Handy aus und mach nichts, gar nichts.