Nadja Fercher und Gertraud Kriesche über die geglückte Wiederbelebung des Faschings in St. Johann.

Bummvoll. Diese Bezeichnung trifft es ganz gut. Bummvoll ist der Hauptplatz in St. Johann am Nachmittag des Faschingsdienstags, wenn die Faschings­gaudi losgeht und sich klein und groß trifft, um ein paar Stunden lang alles andere zu vergessen und sich dem närrischen Treiben hinzugeben. Überall rote Pappnasen, knallige Perücken, bunte Girlanden oder wenigstens aufgemalte Herzchen auf den Wangen. Kleine Prinzessinnen, Giraffen und „Spider-Men“, die am Fuße der Bühne zum Beat der Musik hüpfen und springen; eine lange Schlange buntgekleideter Leute, die sich als Polonaise durch das Getümmel windet; eine Gruppe von „Barbapapas“, die sich beim Anblick des grazilen Männerballetts auf der Bühne vor Lachen die dicken, runden Bäuche halten;
„Uns geht das Herz auf, wenn wir sehen, dass sich die Leute gut amüsieren, das ist das Schönste für uns“, so Nadja­ Fercher, ihre Augen leuchten. Sie wurde im November letzten Jahres zur Obfrau des Veranstalters der Faschingsgaudi, des St. Johanner Faschingsvereins, gewählt oder, besser gesagt, zur „Faschingsprinzessin“. Am 11.11., also pünktlich zum Faschingsbeginn, hält der Verein jährlich seine Jahreshauptversammlung ab. Um 11:11 Uhr beginnt die Sitzung, ab 12:12 Uhr wird der Fasching offi­ziell eingeläutet und gefeiert. „Aber g’scheit!“

Der Fasching war tot, jetzt lebt er wieder

Gegründet wurde der Verein vor zwölf Jahren – „weil uns die ausgelassene Faschingsstimmung von früher fehlte“, erklärt Nadja. In den 80er und noch in den 90er Jahren ging es in St. Johann im Fasching „rund“: Überall herrschte Partystimmung, und es gab einen Umzug, an dem sich auch die Schulen beteiligten. „Der ganze Ort war im Ausnahmezustand.“ Mit den Jahren wurde es danach immer ruhiger. „Bis der Fasching ganz tot war“, so Nadja. „Das Treiben hat früher vom unsinnigen Donnerstag bis Faschingsdienstag mein Leben bestimmt, bei uns im Geschäft waren alle verkleidet. Irgendwann war ich die einzige. Und dann war ich eines Faschingsdienstags um sieben Uhr abends daheim und habe gebügelt. Und dachte mir: Das kann es doch nicht sein!“, erzählt Gertraud, kurz Gertie genannt. „Darüber jammern, dass sich nichts tut im Ort, kann jeder. Wir haben beschlossen, dass wir etwas dagegen unternehmen“, so Nadja. Sie, Gertie und ein paar Leute mehr gründeten den Verein. Die beiden Veranstaltungen, die das Team ins Leben rief, sind das Faschingseinläuten im November und die Faschingsgaudi am Faschingsdienstag. Die erste Gaudi ging 2012 über die Bühne, jede einzelne stand unter einem besonderen Motto. Heuer lautet es „We are family.“ Wer will, greift das Motto auf; alle anderen kommen so, wie sie wollen. „Hauptsache, verkleidet“, sagt Nadja.­ „Aber ohne geht auch, alle sind willkommen“, ergänzt Gertraud. Die beiden lieben es, sich zu verkleiden und verwandeln und in andere Rollen zu schlüpfen. Nicht nur im Fasching. „Wenn ich irgendwo zu einer Mottoparty eingeladen bin, ist das für mich ein Highlight“, gesteht Nadja.
Gertie nickt. „Mir geht es auch so. Das mag man, oder man mag es nicht.“ Die beiden haben sich zum Ziel gesetzt, dass am Faschingsdienstag­
90 % der Leute verkleidet kommen. „Ganz weit entfernt­ davon sind wir nicht“, meint Gertie. „Super wäre es, wenn sich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Geschäften verkleiden würden. Dann wäre es fast wie früher.“ Im Prinzip ist die Faschingsgaudi als Veranstaltung für Kinder gedacht – mit Malwettbewerb, Maskenprämierung und mehr. Längst haben aber auch die Erwachsenen das Event „gekapert“ und feiern bis zum Schluss. Um 19 Uhr wird „der Stecker gezogen“, dann ist „Schluss mit lustig“. „Wir haben schon überlegt zu verlängern, aber es ist nun einmal Winter, es ist kalt, und irgendwann ist es dann auch genug“, so Nadja.­ Für die Vereinsmitglieder heißt es dann ja auch noch abbauen und aufräumen. Dabei lässt dann auch die Anspannung nach. Beim Aufbauen ist Nadja­ nämlich „auf 180“, wie sie es nennt, „da muss alles passen, da bin ich eine Perfektionistin. Schließlich geht es auch um viel Geld.“ Das trübe den Spaß aber nicht, sagt sie.
Was war bisher ihr liebstes Kostüm? Sie denkt kurz nach und sagt dann: „Brutal gerne war ich Avatar, original geschminkt und angezogen. Da haben mich viele gar nicht erkannt.“ Für Nadja sind das die besten Verkleidungen: Jene, in denen sie unerkannt bleibt. Dafür schwitzt sie schon einmal stundenlang stumm unter einer Plastikmaske. Gertie erinnert sich lachend an ihre Auftritte als „Cindy aus Marzahn“, „Wildecker Herzbub“ oder Marylin Monroe. Beide verfügen über einen Riesenfundus an Faschingskostümen und -accessoires. Nadja sagt, sie habe gar einen „ganzen Zoo“ im Keller.

Überall und nirgends

Ein Highlight bei der Faschingsgaudi ist das schon legendäre Männerballett. Zuerst wagten sich nur drei Herren auf die Bühne, um formvollendet und grazil wie eine Primaballerina die einstudierte Choreografie zum Besten zu geben. Mittlerweile sind es ihrer sieben. „Wir bekommen sogar weiterhin Anfragen, inzwischen müssen die Männer beim Casting vortanzen“, sagt Nadja scherzhaft und lacht herzlich. Während Gertie beim Ausschank in der Markthütte des Vereins mithilft, ist Nadja „überall und nirgends“, sie führt die Polonäse an und heizt die Stimmung auf.
Vom unsinnigen Donnerstag bis Aschermittwoch ist sie „out of order“, wie sie selbst sagt. Faschingszeit ist für sie Urlaubszeit, in diesen Tagen muss man im Gemeindeamt auf sie verzichten. Ihr Arbeitgeber sowie der TVB würden die Faschingsgaudi in großartiger Weise unterstützen, erzählt sie, das wisse man sehr zu schätzen. Auch dass es ohne die Sponsoren und die Wirte im Ort nicht ginge, ist allen bewusst – auch ihnen gilt ein großes Dankeschön. Ganz besonders freuen sich die Vereinsmitglieder aber, dass so viele St. Johannerinnen und St. Johanner sich die Zeit nehmen, gemeinsam mit ihnen zu feiern. Auch Gertie plant sich den Dienstag frei. Und den Mittwoch auch – „man lernt dazu!“
Immer wieder kommen Anfragen, der Verein möge doch auch am unsinnigen Donnerstag oder am Samstag eine Veranstaltung in St. Johann auf die Beine stellen. Doch da winken Nadja und Gertie ab. „Das ist mit unserem kleinen Team einfach nicht zu schaffen“, so Nadja. In Kirchdorf gebe es außerdem am Samstag eine tolle Faschingsparty. „Wir sind eine Region. Also macht es doch Sinn, wenn wir nach Kirchdorf zur Party fahren, und die Kirchdorfer kommen am Dienstag zu uns!“, ist sie der Meinung.
Sie träumt davon, einmal nach Köln zu fahren und den Karneval mitzuerleben. Der Hochruf „Alaaf“ schallt dort laut durch die Straßen und Gassen. Da sie und das gesamte Vereinsteam am Faschingsdienstag aber ihre eigene Veranstaltung über die Bühne bringen­ muss, wird es so
bald wohl nichts mit dem Aus­­flug nach Köln. Macht nichts. „Giggerigi, giggerigo,­ die Sainihånser Fa­schings­låppen san då!“ ist doch der viel schönere ­Faschingsruf …

Doris Martinz

Der St. Johanner Faschingsverein zählt derzeit 85 Mitglieder, Interessierte sind herzlich willkommen. Man ist froh um jede Hand, die hilft und dankbar für neue Ideen.

Können wir das schaffen?
Ja, wir schaffen das!
Aufruf an alle Mitarbeite­­r­:innen in den Geschäften: Bitte verkleidet euch am Faschingsdienstag und helft mit, St. Johann wieder zu einer „Hochburg“ des Unsinns zu machen. Der Tag wird so viel lustiger, versprochen!

Programm Faschingsgaudi:

  • Durch das Bühnenprogramm begleiten Nadja, Stoffi & DJ Alex
  • 14 Uhr: Begrüßung durch Hubert Almberger (Vizebürgermeister) & Faschingsprinzessin Nadja
  • 14:15 Uhr: Abtanzen mit Birgit von der Ballettschule
  • 14:45 Uhr: Yappy schwingt das Tanzbein mit den Kindern!
  • 15 Uhr: Polonaise mit der Faschingsprinzessin und Kinder-Maskenprämierung
  • 16 Uhr: Auftritt des legendären Faschingsballetts
  • 17:30 Uhr: Erwachsenen-Maskenprämierung
  • Zwischen den Programmpunkten und im Anschluss sorgen Stoffi
    und DJ Alex (bekannt von ORF Tirol Musiktruch’n) mit Partyhits
    für Faschingsstimmung pur
  • 19 Uhr: Ausklingen und Start der Afterparty in Rogi’s Bar