Aloisia und Helene über ihre große Leidenschaft, über Krisen und glückliche Stunden beim Tanzen.

Es ist so schön, dass wir uns über das Tanzen kennengelernt haben“, sagt Helene Rieser bei unserem Gespräch im Café Rainer mit strahlendem Gesicht, den Blick auf Aloisia Horngacher gerichtet. Jene nickt und lächelt. Beide Frauen haben schwierige Phasen in ihrem Leben hinter sich; das Tanzen half, sie zu überwinden. Das gemeinsame Hobby hat ihr Leben zum Positiven verändert – auch deshalb, weil es sie zu Freundinnen machte.
Letztes Jahr feierte die Gruppe „Tanzen ab der Lebensmitte“ (früher Seniorentanz) in St. Johann, die über den Sozial­sprengel organisiert ist, ihr 20-jähriges Jubiläum. Von Anfang an war und ist Aloisia, 75, die Tanzleiterin. Sie ist zudem Volkstanzleiterin und staatlich geprüfte Gesundheitsgymnastik-Trainerin. Die Aktivitäten halten sie fit: „Beweglichkeit ist wichtig, wenn man älter wird. Auch Koordination und Balance braucht es für den Alltag, das wird alles beim Tanzen ab der Lebensmitte gefördert“, erklärt sie. Die Schrittfolgen und Bewegungsabläufe beim Tanzen seien auch gut fürs Gehirn, für Konzentration und Gedächtnis, weiß sie. Jeder könne mitmachen, egal, ob jung oder junggeblieben. „Eine 92-Jährige bei uns im Tanztreff hat sich zum Geburtstag die „Rock’n’ Roll Lady“ gewünscht, und das ist kein einfaches Musikstück“, so Aloisia.
Auch Helene war von Anfang an dabei. „Es sind wunderschöne Stunden, die wir alle miteinander beim Tanzen verbringen. Ich möchte die Zeit nicht missen, die ich bisher der Gruppe gewidmet habe.“ Helenes Tanz-Repertoire ist inzwischen ziemlich groß: Wenn man über längere Zeit mitmache, eigne man sich gewisse Schrittfolgen an und könne darauf aufbauen, wenn wieder neue dazukommen. Eine Prüfung oder Bewertung gibt es nicht, der Spaß steht im Vordergrund. Dass vor allem Frauen und wenige Männer den Tanztreff besuchen, ist kein Problem: Frauen tanzen auch untereinander, und außerdem, so Helene, gebe es nicht nur Paartänze, sondern auch Kreis-, Line-, Kontra oder Square-Tänze und auch Tänze im Sitzen. Letztere fördern die Konzentration und die Koordination. Die Gruppe besteht aus 20 bis 25 Mitgliedern, die jüngste Teilnehmerin ist zirka 50 Jahre alt.

Tanzen als Therapie

Das Tanzen begleitete Helene und Aloisia durch die Höhen und Tiefen ihres Lebens. „Die Treffen haben mir immer gutgetan“, so Aloisia. Als Tanzleiterin müsse sie während der Einheit ganz im Hier und Jetzt sein, das sei eine Ablenkung zu den Sorgen des Alltags. Von jenen hatte sie genug; besonders in der Zeit, als sie sich von ihrem Mann trennte und von ihrem damaligen Zuhause, einem Bauernhof in Söll, in die Wohnung einer Freundin in Kitzbühel zog. Ihr ganzes Leben stand damals Kopf. Das Tanzen gab ihr Halt und erschloss ihr einen neuen Freundeskreis. „Das hätte ich nie aufgegeben“, sagt Aloisia mit Nachdruck.
Über 1.000 Tänze beherrscht sie inzwischen. Für neue Mitglieder in der Gruppe sucht sie leichtere zum Eingewöhnen aus; sie selbst tanzt am liebsten Kontra- oder Squaretänze, wie zum Beispiel den Texas-Stern. Und Helene, was tanzt sie am liebsten? Sie überlegt kurz und meint dann: „Tänze wie den Radetzky-Marsch!“
Helene, 77, stammt ursprünglich aus Karlstein an der Thaya und kam vor 60 Jahren der Liebe wegen nach St. Johann. In jungen Jahren schloss sie sich der Trachtengruppe Hauser an. Später, als die Kinder kamen, war das Tanzen kein Thema mehr, doch nach der Trennung von ihrem Mann fand sie über eine Bekannte zur Gruppe „Tanzen ab der Lebensmitte“ und damit neue Impulse und Lebensfreude. „Zu meinen besten Zeiten, als ich 60 war, ging ich in verschiedenen Gruppen fünf Mal in der Woche zum Tanzen“, erzählt sie. Die Tatsache, dass sie vor Jahren eine Hüftoperation bestens überstand, führt sie auf die viele Bewegung zurück. „Ich war ja trainiert!“ Ein Leben ohne das Tanzen könne auch sie sich nicht vorstellen, so Helene. „Es wäre leer, weil sonst unternehme ich ja nicht viel. Aber fürs Tanzen musst du dich herrichten, du kommst mit Leuten zusammen, hast fixe Termine. Für das soziale Leben ist das unverzichtbar. Und da gehören natürlich auch die schönen jährlichen Tanzreisen dazu.“

Da wird man wieder jung

Unverzichtbar ist das Tanzen auch für Aloisia, obwohl sie vor zwölf Jahren im Kitzbüheler Mathäus ihre große Liebe gefunden hat. Aus ihrer ersten Ehe stammen vier Kinder, neun Enkel und drei Urenkel, langweilig wird ihr also nie. Trotzdem wird sie tanzen, „bis es nicht mehr geht“. Ihr Vorbild ist ihre Mutter, die bis zum 90. Lebensjahr in der Gruppe das Tanzbein schwang. Sie will auch noch möglichst lange Tanzleiterin bleiben.
Im Zuge der Ausbildung hat sie gelernt, mit Menschen und auch mit etwaigen Unstimmigkeiten in der Gruppe umzugehen. Das Psychologische ist wichtig: „Im Tanztreff sollen sich die Leute entspannen, Spaß haben und vielleicht auch einmal ihre Sorgen vergessen. Wenn es jemandem einmal nicht so gut geht, nimmt man natürlich Rücksicht.“ Oft hilft allein schon die Musik: „Alte Schlager oder Tanzmusik wecken bei vielen schöne Erinnerungen, da wird man wieder jung, zumindest innerlich.“
Es geht oft sehr lustig zu: „Lachen ist mindestens genauso wichtig wie Tanzen!“
Wer nun Lust bekommen hat, sich zur Musik zu bewegen und gesellige Stunden zu verbringen, der kann sich jederzeit der Gruppe „Tanzen ab der Lebensmitte“ anschließen. 

Doris Martinz

Tanzen ab der Lebensmitte:

Mittwoch 16 – 17.30 Uhr
in der Volksschule
(kleiner Turnsaal) St. Johann
Donnerstag 14.30 – 16 Uhr
im großen Saal des Seniorenheims in Oberndorf