Im Museum St. Johann wohnten einst „defiziente“ Priester, die Aufgaben zu erledigen hatten und sehnsüchtig zur Köchin hinüber schielten.

Ein Rundgang im Museum St. Johann erlaubt den BesucherInnen einen Blick in die Vergangenheit des Orts. Dabei ist viel geschichtlich Interessantes zu entdecken, aber auch Originelles und mitunter sogar Skurriles. In den kommenden Ausgaben der St. Johanner Zeitung wollen wir euch einige dieser historischen Besonderheiten vorstellen. Zum Schmunzeln ist zum Beispiel die Geschichte des Hauses selbst, in dem heute das Museum untergebracht ist. Es wurde im Jahr 1724 erbaut und war als „Uhrmacherhaus“ bekannt. Dekan Johann Martin Riester erwarb es für die „Riester’sche Priesterhausstiftung“, die er 1765 ins Leben rief. Schon der Vorgänger Riesters, Bartholomäus Holzhauser, stellte nach dem 30-jährigen Krieg (endete 1648) fest, dass die „Sitten vollkommen entglitten“ waren, wie man später vielleicht gesagt hätte. Auf jeden Fall herrschte ein ungebührliches, klerikales Durcheinander: Pfarrer lebten mit Frauen zusammen, es wurde gefeiert, getrunken und zu wenig gebetet. Zu den damals zahlreichen Festtagen stellte Dekan Riester fest, „dass Gott an keinen anderen Tagen im Jahr hindurch, als an diesen, mit Tanzen, Saufen, Fressen, Nundinieren, Schächern, Lügen und Betrügen beleidigt würde“. Er erwähnte allerlei „Haingarten“ der jungen Burschen, wollte die „Cramerey“ mit geweihten Gegenständen abschaffen oder zumindest einschränken und war für eine geistliche Kirchenbuße der „ledigen“ Männer, damit „mehr Schamhaftigkeit eingepflanzet wurde.“
Handlungsbedarf sah Riester aber vor allem auch bei den Geistlichen. Sie sollten sich nach Hochzeiten nach Hause begeben und eine würdige Vertretung zum Feiern ins Wirtshaus schicken – jene wird sich leicht gefunden haben. Sie sollten sich nicht in Gaststätten und Schießhütten „leerem Geblöde“, dem Spielen und Schießen hingeben, Riester empfahl den langen Kirchenrock statt allzu modischer Kleidung und getrennte Essplätze für Priester und „Dienstmenschen“.

Korrektionsanstalt für defiziente Priester

Im Priesterhaus, das zur Stiftung gehörte, lebten die Geistlichen wie in einer Genossenschaft zusammen. Das Haus wurde damit zu einer „Korrektionsanstalt für defiziente Priester“, wie es Riester nannte – man lasse sich die Bezeichnung auf der Zunge zergehen. Wie viele es tatsächlich waren, die über die Stränge schlugen, lässt sich heute nicht mehr sagen. Fest steht, dass sie von ihrem Dekan täglich quasi eine „Hausaufgabe“ aufgebrummt bekamen und jene bei ihm abzuliefern hatten – etwa die Interpretation einer Bibelstelle oder die Auslegung des Evangeliums.
Im Waschhaus nebenan war die Köchin untergebracht, sie war Regentin über den Haushalt und verwaltete damit auch den im Keller gelagerten Wein. Man mag sich vorstellen, mit welcher Sehnsucht so mancher Geistlicher damals wohl zu ihr hinüberblickte. Museumsdirektor Peter Fischer kann es sich bei Führungen deshalb nicht verkneifen, darauf hinzuweisen. Mit der unterirdischen Verbindung vom Haupt- zum Nebenhaus habe man 2004 das geschaffen, was sich die Priester wohl immer gewünscht haben, sagt er dann: einen direkten Zugang zum Weinkeller.
Später wurde die Ausbildungsstätte in St. Johann mit jener von Maria Kirchenthal zusammengelegt und in die Abgeschiedenheit St. Ulrichs im Pillerseetal verlegt. Man sagt, es sei nicht mehr tragbar gewesen, dass die Priester mit ihren roten Nasen aus den Fenstern des Priesterhauses auf die viel befahrene Straße blickten. Schließlich reiste damals „die halbe Welt“ auf dieser Straße durch St. Johann.

Wechselhafter Weg bis zum Museum

Nachdem die Priester ausgezogen waren, erlebte das Haus eine wechselhafte Geschichte: Es beherbergte die Mädchenschule der barmherzigen Schwestern, die erste Volksschule von St. Johann, das Gemeindeamt, es gab der Parteizentrale der NSDAP ein Dach über dem Kopf und später der Entnazifizierungsstelle, es siedelte sich ein Orthopäde an, das Rote Kreuz, andere Stellen, dann wurden wieder Schulräume untergebracht, bevor man in den 60er Jahren anfing, einzelne Räume als Museum zu nutzen. In den 90er-Jahren schließlich wurde es zum Museum ausgebaut, dessen Besuch wir euch nur wärmstens empfehlen können. Doris Martinz