Such- und Lawinenhunde haben bei der Bergrettung alle Pfoten voll zu tun

Der Abend ist bereits angebrochen und um das Firmengebäude Project Pali ist alles still und ruhig. Der St. Johanner Richard ist neben seinem Beruf als Geschäftsführer leidenschaftlicher Bergretter und Koordinator der Spezialeinheit Lawinenhundestaffel Tirol im Bezirk Kitzbühel. Seine fleißige Suchhündin Lilly kündigt meine Ankunft mit kräftigem Bellen an, das sofort verklingt und in freudiges Schwanzwedeln übergeht, als Richi und seine Frau Tanja mir die Tür öffnen.

Vom Welpen zum Suchhund

Richard ist schon seit jeher bei der Bergrettung aktiv. 2010 absolvierte er mit seiner Aus­t­ralien Shepard Hündin Hazel das erste Mal die intensive Ausbildungsreihe, die für die Hundestaffel erforderlich ist. „Das Training startet für den Junghund praktisch von Anfang an,” erklärt er mir. Gehorsam ist das A und O und wird schon mit den Welpen spielerisch trainiert. Ab dem ersten Hundelebensjahr geht es dann langsam los mit dem sogenannten A-Kurs: Dazu kommen Hunde aus ganz Tirol zusammen, um das Aufspüren und Ausgraben von Personen im Lawinenfeld zu üben. Eine Person muss „gerettet” werden, dann hat die junge Fellnase die Prüfung geschafft. Kniffliger wird es bei der nächsten Stufe im darauffolgenden Jahr, beim B-Kurs. „Der Hund muss sich selbstständig vom Hundeführer lösen und in einem großen Lawinenfeld nach verschütteten Personen suchen. Sobald sie jemanden aufspüren, fangen sie an zu buddeln,” so Richard. Für diese Übungen werden im Vorfeld kleine Schneehöhlen ausgehoben, in denen sich Figuranten, (Personen, die Verunglückte nachstellen), befinden. Um die B-Prüfung zu bestehen und anschließend als Einsatzhund zu gelten, muss der Vierbeiner zwei Personen finden. „Anschließend wird ein weiteres Jahr trainiert und das Gelernte gefestigt – in der Regel schafft man dann die C-Prüfung im Vergleich zu A und B locker,” so Pali aus Erfahrung.
Ebenfalls auf dem Lernplan stehen: Hubschrauber fliegen und Skidofahren. „Das geht schon in der Prägephase los – mit dem Welpen schauen wir uns an, wie ein Hubschrauber landet und abhebt – bis sie sich daran gewöhnen. Zum Schluss kann man klar sagen – es taugt ihnen!“ Richi ist sich sogar sicher – wenn sich die Fellnase aussuchen könnte, welches Transportmittel es nehmen möchte – die Entscheidung würde auf den Hubschrauber fallen!
Im Sommer findet das grüne Pendant zum Winter statt: hierbei müssen die Retter auf vier Pfoten Figuranten im Wald finden und „verbellen”. „Bei einem Einsatz in der Nacht sehen wir die Hunde im Dunkeln nicht – würden sie nicht bellen, würden wir sie nicht finden,” klärt Richi auf. Ähnlich wie bei der Ausbildung zum Lawinensuchhund gibt es auch hier einen Teil A, B und C.
Haben Richi und Tanja eine Lieblingserinnerung an die Ausbildungszeit? „Beim Welpen-Kurs fiel Lilly mit ihrer tiefen Bellstimme auf – während aller anderen jungen Hunde mit hohen Stimmchen bellten, trat Lilly auf wie ein Bär,“ so die beiden lachend.

Schlaue Spürnasen

Die Hunde können bei einem Einsatz klar zwischen bei der Suche involvierten Personen und Verletzten unterscheiden. Es gibt sogar einen eigenen Kursteil, bei dem die Hunde lernen, tödlich verunglückte Menschen aufzuspüren. Egal wie lange der Einsatz dauert oder was für Bedingungen herrschen – der Vierbeiner sieht im Ganzen ein Spiel, das mit einem richtig tollen Leckerli endet. „Sobald mein Pager losgeht, wissen sie ganz genau, dass es wieder ernst wird – und weichen mir nicht mehr von der Seite.”
Ob nun „Aussie“, Labrador, Mali oder Mischling – aus Erfahrung ist nicht die Rasse entscheidend, ob ein Hund das Zeug zum Suchhund hat oder nicht. „Vom Vorteil ist es natürlich schon, wenn der Jagdinstinkt wenig ausgeprägt ist – bei einem Einsatz soll er sich schließlich nicht von Rehen etc. ablenken lassen, sondern sich auf die Suche konzentrieren,“ weiß Richard. Natürlich hat jede Rasse seine Besonderheiten – so wie Labradorhündin Lilly. „Sie ist sehr gelehrig und hat eine extreme Ausdauer – wie ein Panzer kämpft sie sich durch Wald und Schnee,“ erzählen Richi und Tanja. Besonders im Sommer komme es immer wieder zu Einsätzen, wo Mensch und Hund bei hohen Temperaturen über etlichen Stunden, teilweise sogar über Tage, nach Vermissten suchen würden. Um diesen Anforderungen gewachsen zu sein, sind die Hunde von klein auf im Gelände unterwegs und können auch steile, felsendurchsetzte Gebiete, wo Menschen schon Steig­eisen brauchen, gut bewältigen.

Doc oder Dog?

Im Winter steht für Richard im Fall eines Lawinenunglücks alles bereit, um sofort zum Einsatz eilen zu können. Sobald die Leitstelle ihn alarmiert, greift das Pick-Up-System – und es vergehen maximal fünf Minuten, bis der Hubschrauber auf dem Feld vor dem Firmengelände Project Pali landet, um ihn zu holen und zur Unfallstelle zu fliegen. „Alles, was ich für einen Einsatz brauche, ist in meinem Auto jeden Tag griffbereit, denn bei einem Lawinenunglück zählt jede Minute“ erklärt Richard. In brenzligen Zeiten, wo die Lawinenwarnstufe besonders hoch ist, teilt er sich seine Arbeit so ein, dass er wegkann, sollte etwas passieren. Als Hundeführer ist Richi mit seinen Hunden der Erste an einer Unfallstelle. Aus Spaß wird manchmal unter den Kollegen diskutiert, wer zuerst auf einer Lawine sein soll – der Hund oder der Arzt?
Ein besonderes Erlebnis hatte Richard 2018 mit Hazel, als eine Lawine in der Guten Wand in der Loferer Steinwand einen jungen bayerischen Mann erfasste. „Es ging alles extrem schnell. Kaum waren wir bei der Unglücksstelle, fing Hazel an zu suchen und fing wenige Meter neben den Leuten, die schon am Graben waren, an zu Buddeln.“ Der Verunglückte konnte lebend geborgen werden und für diese außergewöhnliche Leistung wurde Richard und Hazel mit der Lebensretter-Medaille und dem österreichischen Sicherheitspreis 2019 ausgezeichnet.
Richard ist Tanja unendlich dankbar, dass sie ihn bei seiner Leidenschaft so tatkräftig unterstützt – sonst wäre all dies nicht möglich. Die Hunde sind für die Palis eine Bereicherung und vollwertige Familienmitglieder. Umso mehr schmerzt es, wenn es an der Zeit ist, Abschied zu nehmen. „Unsere Hazel ist im Dezember 2023 mit 14,5 Jahren von uns gegangen. Sie hat viel geleistet und Freude bereitet,“ erzählt Tanja.
Als wir zum Ende unseres Gespräches kommen, scheint ­Lilly bereits selig zu schlafen. Was für faszinierende Wesen, diese Hunde, und wie schön, dass es sie gibt!

Viktoria Defrancq-Klabischnig

PS: Wer den ehrenamtlichen Bergrettern auf vier Pfoten finanzierte Gutis überreichen möchte, kann dies gerne über folgende Bankverbindung tun:

Lawinenhundestaffel Bergrettung Tirol – Bezirk Kitzbühel
Vereinskonto österr. Bergrettung AT93 3626 3000 0516 6400