Andrea Schnederle-Wagner ist Künstlerin durch und durch. Ihr ganzes Leben dreht sich um das Schaffen und Kreieren.

Nichts ist furchtbarer als ein langweiliges Bild. Du kannst malen, was du willst, aber langweilig darf es nicht sein“, sagt Andrea. Sie springt von ihrem Stuhl auf und greift nach einem ungerahmten Bild auf Leinwand, das an der Wand lehnt – wartend darauf, aufgehängt zu werden, wie unzählige andere bei ihr zuhause. Es ist ein abstraktes Werk in Acryl in den Farben Blau, Schwarz, Gelb und Weiß und strahlt ungemeine Kraft und Dynamik aus. „Siehst du, was ich meine?“ Sie nimmt von einer Anrichte eine große Mappe zur Hand, die zum Bersten gefüllt ist mit Aquarellen, und zieht einzelne daraus hervor. Sie zeigen Mädchen und Frauen, Blumen, Bäume, Stilleben. Ein Überschwang an Energie und Ausdruck, mit lockerer, geübter Hand zu Papier gebracht.
Andrea wird in Linz geboren, ihre Jugend verbringt sie mit klassischem Ballett und Reiten, so erzählt sie. Sie kommt aus einer kunstaffinen Familie: Ihr Großvater ist akademischer Maler, ihr Onkel ein bekannter Kunstschaffender in der Steiermark, und auch ihr Bruder beherrscht den Umgang mit dem Zeichenstift. Bereits in Jugendjahren malt auch Andrea gerne und viel. Sie studiert in Salzburg Philosophie, Psychologie und Pädagogik. Schon am ersten Tag im Studentenheim lernt sie ihren späteren Mann Erich kennen: „Er hat sich gleich frech zu mir gesetzt und mich damit überrumpelt“, erzählt sie lächelnd. Erich belegt damals die Fächer Deutsch und Geschichte.
Andreas Familie besitzt eine Wohnung in Kitzbühel. „Der Schwarzsee war immer mein Revier.“ In diese Wohnung ziehen Andrea und Erich und bekommen ihr Wunschkind Andreas. Später bauen sie ihr eigenes Zuhause in St. Johann. Beide unterrichten, Andrea lehrt an der Tourismusschule und am Gymnasium der Marktgemeinde. Während der Rehabilitation nach einer Hüft-Operation findet sie wieder zurück zum Malen. Sie lernt vom bekannten Aquarellisten Armin Rainer und vertieft bei weiteren Künstlern ihre Kenntnisse – auch in anderen Techniken, vor allem in der abstrakten Malerei. Als spannend erlebt sie die Verbindung zwischen der Malkunst und Philosophie. „Um philosophische Verwirrungen klären zu können, ist eine Veränderung der Sichtweisen erforderlich, und genau das passiert beim Malen“, erklärt Andrea.

Wichtige Fächer

Sie findet es schade, dass mit den Jahren in manchen Schulen „ihre“ Fächer zugunsten anderer gestrichen wurden. „Psychologie ist zum Beispiel ein Transmitter-Fach, das einem in vielem anderen und im Leben zugute kommt.“ Auch Zeichnen oder Musik seien wichtige Kompetenzen, auf die man zurückgreifen könne, wenn es im Leben einmal nicht so gut laufe. „Malen und Musizieren bringt dich wieder ins Gleichgewicht!“
Später unterrichtet Andrea am Berufsförderungsinstitut (BFI) Fächer wie Rhetorik sowie Farb- und Stilberatung. Sie beschäftigte sich auch in der Malerei immer schon intensiv mit Farben und deren Wirkung auf den Menschen.
Seit seinem Bestehen ist Andrea Mitglied des St. Johanner Kunstvereins, vor kurzem wurde sie zur Obfrau bestellt. Seit seinen Anfängen ist sie auch Mitglied des Vereins „Kitzbühel Aktiv“. Sie war viele Jahre im Vorstand des Museums St. Johann und ist beim Verein Muku (Musik Kultur) in St. Johann engagiert. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern sucht sie nach wie vor die (deutschsprachigen) Filme aus, die donnerstags gezeigt werden. Nach welchen Gesichtspunkten trifft man die Auswahl? „Mir ist wichtig, dass wir Filme bringen, die Frauen ansprechen, denn Männer gehen tendenziell lieber in große Kinos mit Dolby Surround. Frauen sollen die Möglichkeit haben, sich mit Freundinnen zu treffen und gute Filme anzusehen, dabei ein Gläschen zu trinken und die Atmosphäre in der Alten Gerberei zu genießen“, so Andrea. „Aber auch unser männliches Publikum weiß die Filmauswahl zu schätzen“, fügt sie noch hinzu.

Ort der Zuflucht

In den letzten Jahren waren Andreas Bilder bei einigen Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen in der Region­ zu sehen. Sie stellte aber schon in ganz Österreich und in Galerien in Deutschland aus. Sie übt sich in allen Formaten und in allen Techniken und ist stets auf der Suche nach dem Neuen, Unentdeckten. Davon zeugen die Collagen, die sie mir zeigt: In die Werke sind Streifen aus Gewebe, Marmormehl und Sand eingearbeitet.
„Wenn du malst, bist du in einer eigenen Welt“, sagt An­drea. Wenn sie sich in ein Werk versenke, vergesse sie alles um sich herum. Das Malen biete Zuflucht, wenn der Alltag stresst oder irgendetwas nicht klappen will. „Dann ziehe ich mich zurück in meine Welt.“
Die Faszination des Malens beschreibt sie so: „Zuerst hat man eine große weiße Fläche, die nichts aussagt. Und innerhalb von ein paar Stunden oder Tagen hat man ein Werk, das oft Jahrhunderte überdauert und Menschen über Generationen berührt, wenn es gut ist. Da schafft man Bleibendes für die kurze Ewigkeit.“
Bezeichnet sich Andrea selbst als Künstlerin? „Ja, das bin ich schon von meiner ganzen Lebenseinstellung her. Ich lebe durch und für die Kunst“, sagt sie. Sie malt gerne Menschen, vor allem Frauen und Mädchen, sie liebt Blumen und Landschaften. Ästhetik und positive Inhalte sind ihr wichtig, denn „Bilder vermitteln Emotionen!“ Je nach Stimmung entstehen gegenständliche oder abstrakte Motive. Sie habe wohl tausend Aquarelle unterm Bett, verrät Andrea. Und 100 Acrylbilder – insgesamt einen Riesenfundus aus mehr als 30 Jahren des Schaffens. Hin und wieder verkauft sie eines ihrer Bilder. Abnehmer zu finden, sei aufgrund der hohen Dichte an Künstlerinnen und Künstlern aber schwierig. Man brauche viel Glück, um den Durchbruch zu schaffen. Zur rechten Zeit mit den rechten Leuten zusammenzukommen, sei am Land schwieriger als in der Großstadt – ein Grund, warum die meisten erfolgreichen Schaffenden in der Stadt wohnen. „Auf der anderen Seite gibt’s in den Städten noch mehr Künstler“, meint sie dann doch pragmatisch.

Wo Kunst beginnt

Andrea bewundert die Werke von Klimt, Schiele und anderen großen Meistern. Dennoch hat sie ihren eigenen Stil gefunden sich auszudrücken. „Kunst beginnt dort, wo die Imitation endet, sagt Oscar Wilde“, weiß die St. Johannerin. Inspiration findet sie im Austausch mit anderen Kunstschaffenden, bei Ausstellungen und kulturellen Veranstaltungen – und in der Natur.
Natürlich träume sie davon, als Malerin ganz groß herauszukommen und ihre Werke etwa in New York oder Paris auszustellen, gesteht sie. Tatsächlich sei sie bereits von Galerien in Paris und London angefragt worden. Allerdings sind die Kosten für den Transport der Bilder sowie alle anderen Aufwendungen selbst zu bezahlen. „Das zahlt sich nur aus, wenn man einige Werke verkauft, und davon kann man leider nicht unbedingt ausgehen.“
Deshalb präsentiert sie ihre Arbeiten nach wie vor in der Region. Der größte Ausstellungsraum befindet sich im Büro ihres Sohnes Andreas bei „Future Web“. Auch in den Verkaufsräumen der Bäckerei Rass, im Hutgeschäft Mariacher und in der „Feierabend Vinothek“ in St. Johann sind einige Werke zu entdecken und käuflich zu erwerben. Wenn ihr also das nächste Mal beim „Rass-Bäck’“ euer Lieblingsweckerl holt, lasst euch von den Gemälden an der Wand inspirieren. Von der Spannung, die ihnen innewohnt. Von den Farben, die euer Innerstes berühren. Von der Ausdruckskraft, die sich jenem erschließt, dessen Blick verweilt. 

Doris Martinz

Nächste Ausstellungen:
In der Pizzeria Rialto und in der Sparkasse stellen die Mitglieder des St. Johanner Kunstvereins laufend aus.
Andrea Schnederle-Wagner­ wird ihre Arbeiten heuer wahr­scheinlich im Zuge von „Lang & Klang“ präsentieren.