Völlig neue Wege geht man in St. Johann bei der Schaffung von günstigem Wohnraum. Mäzene gesucht!

Die Situation ist hinlänglich bekannt: Junge Leute haben in der Region kaum eine Chance auf günstiges Wohnen. Allein geht sowieso nichts: Es braucht schon zwei gute Verdiener, wenn die eigenen vier Wände einigermaßen großzügig angelegt sein sollen. Den Bau eines Eigenheims zu finanzieren, liegt mittlerweile für viele Einheimische außer Reichweite.
Was kann man dagegen tun,
wie kann man gegen­steuern?­ Die Politik hat offen­sicht­lich­ keine Ideen. Auch Politi­ker:innen können die Grundstückspreise und die Gesetze des freien Marktes nicht verändern.
Doch nicht nur die Jungen kämpfen mit Wohnungsnot, auch die Senior:innen trifft es. Denn unsere Gesellschaft veraltet. Keine Gemeinde wird in zwanzig, dreißig Jahren in der Lage sein, für alle alten Menschen ein Zimmer im Pflegeheim zur Verfügung zu stellen. Es fehlt an Unterbringungsmöglichkeiten und Betreuungspersonal.
Wir haben auf der einen Seite also junge Leute, die sich keine Wohnung leisten können und auf der anderen ältere Mitbürger:innen, die vielfach zwar ein Haus oder eine Wohnung haben, aber nicht mehr alleine darin wohnen können.
Genau hier setzt die Initiative „Wohn Dahoam“ an, gestartet vom „geistigen Vater“ Gunnar Fussenegger aus St. Ulrich, ­St.Johanns Vize-Bürgermeister Peter Wallner und dem juristischen Berater Marcel Freytag.

Schritt gegen die Vereinsamung

Für Gunnar Fussenegger kam der endgültige Impuls, etwas zu unternehmen, nach dem Gespräch mit einer Bekannten: Sie ist 90 Jahre alt, recht fit und wohnt allein in einem Haus. Ihr Mann ist vor vielen Jahren verstorben, die Kinder sind längst ausgezogen und wohnen in anderen Bundesländern. Sie fühlt sich oft einsam. Die Wohnung im Obergeschoß hat sie früher vermietet, doch nun sieht sie sich nicht mehr in der Lage, Mietverhandlungen zu führen,­ Verträge aufsetzen zu lassen und alles Notwendige zu erledigen. Weiters plagen sie Fragen wie: Was, wenn die Mieter ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, wenn sie wilde Partys feiern oder die Wohnung nicht ordentlich Instand halten? Lieber verzichtet die betagte Dame auf die Einnahmen. Und darauf, dass mit Mietern wieder Leben ins Haus kommt.
„Ich habe viele Gespräche mit anderen Betagten geführt, die Probleme waren oft dieselben“, berichtet Gunnar Fussenegger. Auf einer Veranstaltung traf er Peter Wallner, man kam ins Gespräch und beschloss, sich zusammenzutun und gemeinsam nach neuen, innovativen Lösungen für den Wohnbedarf von Jungen und Alten zu suchen. Die Überlegungen gipfelten in der Gründung einer Stiftung und einer GmbH – und in konkreten Maßnahmen.

So kann die Stiftung günstigen Wohnraum schaffen:

1) Housing und unterstütztes Housing:
„Beim sogenannten Housing geht es vor allem darum, bestehenden Wohnraum zu nützen“, erklärt Peter Wallner. „So können die vielen Leerstände in unserer Region abgebaut werden.“
Unterstütztes Housing bedeutet, dass junge Leute günstig eine Wohnung bei älteren Menschen mieten und im Gegenzug Betreuungsaufgaben erledigen. „Betagte können länger daheim wohnen und den Alltag bewältigen, wenn jemand Kleinigkeiten für sie übernimmt, zum Beispiel einkaufen geht, den Rasen mäht und ihnen unter die Arme greift, wenn es notwendig ist“, erklärt Peter Wallner. „So entsteht eine Win-Win-Situation“, ergänzt Gunnar Fussenegger. „Die Jungen können günstig wohnen, und die Alten haben Hilfe direkt im Haus.“ Die Stiftung bzw. die GmbH übernimmt in diesem Fall die Abwicklung des Mietvertrags, begleitet Mieter und Vermieter beratend und klärt mit ihnen die vielen Fragen, die aufkommen können. Festgelegt wird zum Beispiel auch, was passiert, wenn die vermietende Person verstirbt; etwaige Erben werden von Anfang mit einbezogen, zudem gibt es eine Probezeit.
Völlig neu ist die Möglichkeit, das Wohnen mit einer Ausbildung im Pflegebereich zu verbinden. Die Betreuung der Person im Haus wird als Praktikum angerechnet. „Gerade alleinerziehenden Müttern bieten sich damit viele Chancen“, weiß Gunnar Fussenegger.

2) Betreutes Wohnen:
Die Vorgehensweise: Die Stiftung kauft Objekte an, in denen mindestens vier zusammenhängende Wohneinheiten untergebracht werden können, und stellt sie Menschen bis Pflegestufe 4 zur Verfügung. Damit werden Pflegeeinrichtungen entlastet und die Menschen können länger selbstbestimmt leben.

3) Werkgemeinschaften:
Die Stiftung kauft bestehende Objekte an oder errichtet selbst Mehrparteienhäuser mit mindestens sechs Wohneinheiten. Der jeweilige Nutzer/die Nutzerin kauft sich mit einem Sockelbetrag, beispielsweise in der Höhe von €30.000,–, in die Werkgemeinschaft ein. Er oder sie kann durch Eigenleistung bei den Bauarbeiten die Nutzungsgebühren erheblich reduzieren. Individuelle Wünsche werden nach Machbarkeit umgesetzt, die Wohnung wird nach Abschluss der Bauarbeiten bezugsfertig übergeben. Das Objekt bleibt im Besitz der Stiftung, Nutzer:innen haben jedoch die Sicherheit, dass sie „von der Wiege bis zur Bahre“ kostengünstig wohnen können, ohne sich über Jahrzehnte zu verschulden. Auch Vererben ist möglich. Werkgemeinschaften gibt es bereits in Wien und in Vorarlberg, in Gunnar Fusseneggers Heimat.

Bei allen diesen neuen Formen der Schaffung von leistbarem Wohnraum spielt die gemeinnützige Stiftung eine Schlüsselrolle: Sie kauft Objekte und Grundstücke, nimmt sie also vom Markt und wirkt damit der Spekulation und dem Preistreiben entgegen. „Wir wollen, dass man endlich wegkommt von Renditen und Gewinnmaximierung am Wohnungsmarkt, denn Wohnen ist ein Menschenrecht“, sagt Peter Wallner mit Nachdruck. Sein Engagement für das Projekt ist ehrenamtlich und vollkommen unparteiisch, es hängt nicht mit seiner Tätigkeit als Vize-Bürgermeister zusammen.
Damit die Stiftung, die zurzeit noch in Gründung ist, ihre Arbeit aufnehmen kann, braucht sie Kapital – sie braucht große Geldgeber. „Wir suchen Mäzene“, formuliert es Gunnar Fussenegger. Man sucht also Leute aus der Gesellschaft, denen es wichtig ist, einen Beitrag dafür zu leisten, dass das Wohnen wieder leistbar wird. Menschen, die viel Geld haben und bereit sind, die Initiative zu unterstützen. Menschen, die ein Haus oder Grundstück besitzen und es gegen einen fairen Preis der Stiftung überlassen. Wir suchen Leute mit einer sozialen Ader, denen es nicht um Geldvermehrung geht. „Die gibt es bei uns“, meint Gunnar Fussenegger überzeugt. Gelingt es, das notwendige Startkapital aufzubringen, werde sich die Stiftung in der Folge selbst tragen. „Mit unseren Ideen ist nichts zu verdienen, es wird niemand reich. Aber es gibt viele Gewinner“, so Peter Wallner.
Im Juni dieses Jahres, wird man zu einer Informationsveranstaltung einladen. Denn es muss bald etwas geschehen. Nicht morgen, sondern noch heute. Das ist wohl nicht nur den Initiatoren klar.

Doris Martinz

Kontakt:
Peter Wallner
Tel. 0650 9023399
Mail: p.wallner@tsn.at