Matthäus Beihammer ist Obmann des St. Johanner Vereins „Gesundheit und Frieden“. Über ein einschneidendes Erlebnis, seine Arbeit als Geistheiler und vom Propheten im eigenen Lande.

 

Zirka 140 Vereine gibt es in St. Johann. Die großen wie den Alpenverein, den Fußballclub oder die Traditionsschützen kennt jede(r). Daneben existieren jedoch viele kleinere Vereinigungen in mitunter sehr speziellen Bereichen. Der Verein „Gesundheit und Frieden“ ist ein solcher, hier geht es um Humanenergetik, um Geistheilung und andere spirituelle und energetische Methoden zur Behandlung physischer und psychischer Probleme. Mit 80 Mitgliedern, die aus ganz Tirol und darüber hinaus kommen, gehört der Verein allerdings nicht zu den kleinsten in der Marktgemeinde.
Gegründet hat ihn vor zehn Jahren der aktuelle Obmann Matthäus Beihammer – gemeinsam mit Gisla Kriesche, einer Schamanenkollegin. So mancher kennt Matthäus wahrscheinlich noch als Versicherungskaufmann, seit 2015 beschäftigt er sich ausschließlich mit der Humanenergetik und lebt davon. Ich treffe ihn in seiner kleinen Praxis in der Bahnhofstraße schräg gegenüber des Krankenhauses.
Die Absicht hinter der Vereinsgründung, so erklärt Matthäus, sei die interdisziplinäre Zusammenarbeit alternativer Heilmethoden. Sich selbst bezeichnet er als Geistheiler. Was ist das überhaupt, Geistheilung? „Geistheilung bedeutet die Heilung mithilfe von Geist und Seele“, erklärt Matthäus geduldig. „Der Mensch ist ein Seelenwesen. Die Ursachen für viele Krankheiten liegen im Seelischen und können über diesen Zugang geheilt werden.“ Das sei aber nur ein Aspekt der Geistheilung. Der zweite: „Man arbeitet mit geistigen Wesen, man bekommt Unterstützung aus der geistigen Welt, sogenannten geistigen Führern.“ Bei Matthäus sind das gleich fünf an der Zahl: Sete Saia, Irmao Cicero, Thomas, Uriel und Bezerra de Menezes.

Ein Tag, der vieles erändert

Klar, für viele von euch, liebe LeserInnen, klingt das schräg. Hätte Matthäus diese Zeilen vor gut 20 Jahren gelesen, hätte er wahrscheinlich auch den Kopf geschüttelt. Aber 2001 passierte etwas, das sein ganzes Menschenbild, sein Bild vom Leben und vom Tod, komplett auf den Kopf stellte: Er chauffierte damals eine Freundin mit dem Auto zu einem „Jenseitskontaktmedium“ – ein Freundschaftsdienst, „mich selber interessierte das nicht, ich wollte eigentlich nur vor dem Haus im Auto warten.“ Aber dann klopfte die Freundin, die selber eineinhalb Stunden beim Jenseitskontaktmedium verbracht hatte, plötzlich ans Autofenster und bat ihn, ins Haus zu kommen – eine interessante Mitteilung warte auf ihn. Matthäus sträubte sich zuerst, ließ sich dann aber überreden und ging hinein. „Die Mitteilung kam über das Medium von meinem Cousin Martin, der fünf Monate zuvor im Alter von 32 Jahren an Krebs verstorben war. Er stellte sich bei mir vor und bedankte sich für etwas sehr Persönliches; für etwas, das nur wir beide wissen konnten.“ Matthäus reibt sich mit der Hand den Unterarm. „Wenn ich an diese Momente denke, stellen sich mir heute noch die Haare auf!“
An jenem Tag, so der heute 59-Jährige, sei in ihm ein neues Bewusstsein entstanden. „Mir wurde klar: Wenn ein Mensch stirbt, leben Teile wie das Bewusstsein und die Emotionen weiter.“

Jahre der Ausbildung

Matthäus begann, sich intensiver mit der Thematik zu befassen, er las Bücher und besuchte einschlägige Seminare. Sechs Jahre lang absolvierte er eine Ausbildung beim englischen Medium Paul Meek und schärfte seine Übersinne, das Hellhören und Hellsehen. Der Engländer war es auch, der eines Tages sagte: „Matthäus, du hast heilerische Fähigkeiten, mache etwas daraus!“ Matthäus absolvierte daraufhin die Heilerausbildung in der Schule der Geistheilung. 2013 gründete er die „Trinitaet“-Akademie und bildet seitdem selber Menschen aus, die im Bereich des geistigen Heilens und der Human­energetik aktiv sein wollen. Von Dienstag bis Donnerstag nimmt er Behandlungen in seiner Praxis vor, am Freitag und Samstag gibt er auf Seminaren sein Wissen weiter.

Was bedeutet der Ausdruck „Trinitaet“? „Er steht für die Dreieinheit von Körper, Geist und Seele“, erklärt ­Matthäus. Als Geistheiler sehe er den Menschen als diese Dreieinheit, es mache für ihn keinen Unterschied, wo die Ursachen der Beschwerden liegen. „Körper, Geist und Seele sind untrennbar miteinander verbunden. Ob Bandscheibenprobleme, Hautausschlag oder Depression: Der erste Schritt zu helfen liegt darin, die Ursachen für die Krankheit zu finden und aufzulösen.“ Bei seinen PatientInnen genießt Matthäus dafür hohes Ansehen, von vielen anderen wird er als „Spinner“ abgestempelt. Wie lebt es sich, wenn man von einem großen Teil der Gesellschaft so abwertend gesehen und bezeichnet wird? „Ich frage dann schon oft zurück, was der- oder diejenige von Geistheilung weiß. Beurteilen sollte man nur, was man kennt. Und das ist oft nicht der Fall.“
Er habe, erzählt Matthäus, aufgrund seiner persönlichen Veränderung manche Freunde verloren. Aber dafür auch viele neue gewonnen. Solche, die sein Lebensbild teilen.

Andere Länder, andere Sitten

In England genießen GeistheilerInnen und HumanenergetikerInnen übrigens weitaus mehr Anerkennung. Laut Paul Meek gebe es dort in jedem Krankenhaus einen Geistheiler oder eine Geistheilerin und die PatientInnen haben die Wahl, jene(n) zu konsultieren oder auch nur auf die Schulmedizin zu vertrauen. An der Charité in Berlin gebe es immerhin fünf Reiki-Meister, die die Arbeit der Schulmediziner unterstützen, weiß Matthäus. Geistiges Heilen ist in Deutschland ein eingetragenes Berufsbild – in Österreich nicht.
Dabei suchen immer mehr Menschen Zuflucht bei Heilern wie Matthäus – meist dann, wenn die Schulmedizin an ihre Grenzen stößt. Sie können oft helfen. Ganz konkret verbessert Matthäus den gesundheitlichen Zustand bei 76 Prozent der PatientInnen, die sich an ihn wenden – er führt eine genaue Statistik. Die Hilfesuchenden kommen oft von weit her, bis vor Corona waren es ca. 400 jährlich, nur acht Prozent davon stammen aus St. Johann. Der Prophet im eigenen Lande …
Das Problem der Schulmedizin sieht Matthäus vor allem in der Tatsache, dass Ärzte heute keine Zeit mehr für ihre PatientInnen haben. „Der Mensch, der Beschwerden hat, braucht aber jemanden, der zuhört und Tipps gibt. Oft ist die Änderung des Lebensstils notwendig, und nicht nur das Schlucken von Tabletten über einen gewissen Zeitraum.“
Der größte Geistheiler und Matthäus allergrößtes Vorbild, wie er sagt, ist Jesus Christus. „Er hat geistig geheilt, durch Handauflegen.“
Alle Vereinsmitglieder sind aktiv in der Heilungsarbeit tätig. Einmal im Jahr trifft man sich zur Hauptversammlung, zwischendurch in kleineren Gruppen. Man behandelt sich auch gegenseitig, wenn Bedarf besteht. Neben der Gesundheit ist auch der Friede zentrales Thema im Verein. Ge­naugenommen die Erhaltung des sozialen Friedens, für den man immer wieder gemeinsam meditiert. Am wichtigsten sei es aber, so Matthäus, den inneren Frieden in sich selbst zu leben. Nur so könne man nach außen hin wirken.
Man kann zum Thema Geistheilung stehen, wie man will: Wenn alle Therapien der Schulmedizin nicht greifen, sind alternative Methoden oft der einzige Hoffnungsschimmer. Wie gut, dass unsere Region so vielfältig ist und Menschen hervorbringt, von deren Fähigkeiten wir manchmal gar keine Ahnung haben.

Doris Martinz