Thomas Ziepl betreibt in St. Johann ein Geschäft mit Marokkanischer Handwerksware. Warum Afrika seine zweite Heimat ist …

Bei Thomas Ziepl im Geschäft vorbeizuschauen, ist wie ein Kurztrip nach Marokko. Da hängen orientalische Hängelampen vom Plafond, Kerzen verströmen einen fremden, anziehenden Duft nach Mandarin und Amber, antike Wasserkrüge sind auf Original-Tuareg-Matten platziert und wetteifern mit hochwertiger, moderner Keramik um die Gunst der Kundschaft. Hier hat sich Thomas sein Reich geschaffen, ein Pendant zur Welt im Norden Afrikas, in der sich der 35-jährige Oberndorfer immer wieder aufhält. Der Weg dahin verlief allerdings in vielen Windungen:
Thomas versuchte sein Glück in der Gastronomie, in der Modebranche und auch im sozialen Bereich. Gerade letzteren empfand er als sehr bereichernd und sinnstiftend. Die Arbeit mit Menschen, die Unterstützung im Alltag brauchen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, die an psychischen und physischen Krankheiten leiden, zeigte ihm auf, wie wertvoll das Leben ist, wie schnell es enden kann und wie wichtig es ist, das zu tun, wovon man träumt.

Faszination Wüste

Schon immer ist Thomas viel gereist. Mit 19 Jahren hatte er seine Koffer gepackt und ein halbes Jahr in Namibia verbracht – als Volontär auf einer Farm mit 10.000 Rindern. Er verliebte sich sofort in die endlosen Weiten des Landes, in die herzlichen Menschen mit ihrem ansteckenden Lachen und die Einfachheit ihrer Kultur. „Es gibt für mich keinen anderen Kontinent, auf dem die Menschen so arm an Bildung, an finanzieller und humanitärer Hilfe sind und gleichzeitig so herzlich und mit so wenig zufrieden“, sagt Thomas. Er lernte Afrika voller Farben, Gerüche und Rhythmen kennen. Besondere Faszination übte die Wüste auf ihn aus. Gemeinsam mit einem Freund reiste er einmal von Mauretanien nach Marokko, mitten durch die Wüste, mitten durch das Nirgendwo, vorbei an komplett unberührten Orten. Die Hitze dort nahm er gerne in Kauf, um die Stille zu erleben. „Diese absolute Stille herrscht nur in der Wüste. Da gibt’s nichts, mit dem du dich beschäftigen müsstest, weil da nichts ist.“ Die Ruhe, Weite und Leere übertragen sich auf Thomas. „Das ist für mich der Platz, wo man am kreativsten ist.“ Auch die Schönheit der Dünen hat es ihm angetan – und die Ebene, der offene Blick zum Horizont, hin bis zu dem Punkt, an dem der Himmel mit der Erde verschmilzt. „Da wird in mir alles frei und weit.“
Damit war es vorbei, als Thomas heim kam und im Supermarkt einkaufte. Es war ein regelrechter Kulturschock: Bei jedem Stück piepst an der Kassa laut der Scanner, die Ware wird schnell, schnell, weitergeschoben, hinter Thomas warten schon ungeduldig die nächsten Kunden, schnell alles in den Einkaufswagen … Der Kontrast erschütterte ihn. „Da wird einem klar, mit welchem Druck wir leben. Dass trotz Fortschritt das Leben nicht einfacher und ruhiger wird, sondern immer noch schneller. Damit bin ich lange nicht mehr klargekommen.“

Konsequenz, die beeindruckt

Der Kontinent ließ Thomas nicht mehr los. Nach seinen Erfahrungen im Sozialdienst wusste er, dass sein berufliches Glück mit der afrikanischen Kultur zu tun haben musste. Er begann parallel zu seiner Arbeit, das Geschäft aufzubauen. Alles, was er dafür suchte, fand er in Marrakesch.
„Marrakesch ist absolut am Puls der Zeit, da kann für mich keine Stadt der Welt mithalten“, schwärmt er. Die Stadt sei nicht zu groß und überschaubar und überrasche BesucherInnen mit den verrücktesten Restaurants, Modeboutiquen, Showrooms, mit atemberaubenden Hotels und einer magisch schönen Altstadt. Die Marokkaner hat er als offen und sehr hilfsbereit kennengelernt. „Nicht alle jungen Leute haben Zugang zu höherer Bildung, machen auf ihren alten Mac-Books aber die tollsten Dinge“, erzählt Thomas. Er ist von der Kreativität der Leute begeistert, ihrer Lebensfreude. Mit der Religion im Land hat er kein Problem, sie schränke die Menschen nicht ein. Viele junge Frauen tragen freiwillig ein Kopftuch, „für mich ist das nichts Negatives. Auch Männer tragen lange Kleidung und bedecken ihre Haut, zum Beispiel mit der „Djellaba“, ein typisch marokkanisches Kleidungsstück mit großer Kapuze.“
Jede Religion habe irgendwo ihre Berechtigung, meint Thomas, und erst wenn man mehr darüber wisse, könne man sich ein Urteil bilden. Es gehe ja nicht nur um den Glauben den Menschen, sondern um ihre Kultur. „Menschen kämpfen seit so langer Zeit um ihre Rechte. Es sollte einfach kein Thema mehr sein, welcher Religion oder Kultur man angehört. Wir sollten offen sein für das, was für uns neu und fremd ist, und mit einem offenen Herzen durch die Welt gehen.“

Ein anderes Leben, aber kein schlechteres

Mehrere Wochen im Jahr verbringt Thomas in Marrakesch, um dort für sein Geschäft einzukaufen. Das ist immer anstrengend, denn er sucht jedes Stück selber aus, und die Marokkaner sind – so nett und gastfreundlich sie sind –
in geschäftlichen Belangen „extrem langsam und nicht immer zuverlässig“. Es könnte schon passieren, dass ein Geschäftspartner vier Stunden zu spät zum Termin erscheine – wenn er überhaupt kommt. „Es macht trotzdem viel Spaß!“, sagt er lachend. In Marrakesch verständigt sich der Oberndorfer auf Englisch, nicht wenige Marokkaner würden sogar Deutsch sprechen.
Natürlich träumen manche davon, in Europa zu leben, um sich „alles leisten zu können“. Thomas erklärt ihnen dann, dass der Wohlstand auf viel Arbeit beruht. Dass auch dem Durchschnittsbürger nach Abzug aller Steuern und Aufwendungen am Ende des Monats nicht viel Geld übrig bleibt. „Die Marokkaner verdienen weniger, aber sie arbeiten auch nicht unter demselben Druck, sind nicht so eingetaktet wie wir. Sie führen unterm Strich sicher kein schlechteres Leben. Es ist anders, sie sind nicht so abhängig von materiellen Gütern wie wir.“ Das ist etwas, was Thomas beeindruckt, was er ein stückweit auch für sich übernehmen will. „Ich kaufe Mode jetzt zum Beispiel anders ein als früher, schaue mehr auf Nachhaltigkeit, natürliche Stoffe, hohe Qualität. Ich möchte einfach nicht Teil einer Wegwerfgesellschaft sein.“
Diese Philosophie spiegelt sich auch in Thomas’ Geschäft: Hier finden sich nur ausgewählte Einrichtungsstücke und Deko-Artikel, die mit Liebe und Know-How gefertigt wurden; außergewöhnliche Handwerkskunst im Bereich Interieur und Mode, die Thomas selbst in Marrakesch bei den Meistern ihres Fachs für seine KundInnen gefunden hat. Schaut einfach mal vorbei!

www.tzsole.com

Doris Martinz