Erinnerungen an die Bergsteigerlegende Wast Stabhuber

Der ehemalige St. Johanner Alpenvereins-Obmann Horst Eder kramt für uns in seinen Erinnerungen und blättert in seinem Tourenbuch. In den kommenden Ausgaben wird er euch, liebe Leserinnen und Leser, Geschichten erzählen, die ihm unvergessen sind. Den Anfang macht die Geschichte rund um den Stabhuber Wast.

Der Stabhuber Wast ist vielen Bergbegeisterten rund um St. Johann noch heute ein Begriff. Er hat im Alpenverein als Tourenführer, in der Hochtouristengruppe „Ostkaiser“, deren Gründungsobmann er im Jahr 1963 war, und im Bergrettungsdienst als Mann der ersten Stunde seine Spuren hinterlassen. Als Alpinist war er auf allen Kontinenten unterwegs, in Australien und Neuseeland ebenso wie im Himalaya, auf dem Mount Kenya und dem Kilimanjaro in Afrika, in den Anden in Südamerika und natürlich in den Ost- und Westalpen. Der „Koasa“ war im Sommer sein bevorzugtes „Dahoam“, die Kitzbüheler Alpen waren’s im Winter. Sein langes Leben ist also voll von Geschichten und „Geschicht’ln“, an die wir uns noch gerne erinnern.
So ein „G’schicht’l“ ist unser gemeinsames Feuerbrennen am Kalkstein alljährlich zu Silvester. Hanni und ich besuchten unseren Freund am Silvester-Nachmittag 1992 in seinem Heim in Baumoos. Wast hatte in diesem Jahr seine Frau, die Gretl, verloren, die er jahrelang liebevoll betreut hat; erstmals wäre er also zu Silvester allein gewesen. Und da kommt plötzlich der Vorschlag unsererseits: wie wär’s, wenn wir heute zum Jahreswechsel am Baumooskogel ein Feuerl abbrennen würden? Und der Wast, damals immerhin 72 Jahre alt, überlegt nicht lang und sagt prompt zu. Nun gilt es, schnell noch eine Schüssel zu organisieren, ein „Lackei“ Sprit, Wachs und ein paar „Hutten“, also die damals üblichen Zutaten für ein Bergfeuer. Es liegt nicht viel Schnee, ein „G’stapf“ gibt’s auch, als wir um 10 Uhr abends über die Samer-Widder aufsteigen.­ Um halb zwölf am Gipfel angelangt, der Talkessel von
St. Johann brodelt und die Raketen krachen, wir hören sie bis in die sonst so ruhige Bergwelt. Um Punkt Mitternacht zünden wir an und rufen mit unserem AV-Mobiltelefon einige Freunde an – ein Handy war zu dieser Zeit noch eine Rarität und die Angerufenen waren erstaunt und hoch erfreut über die Glückwünsche aus Bergeshöh’n.
Nach diesem gelungenen ersten Silvesterfeuer folgten viele schöne Jahreswechsel auf unserem geliebten Sainihanser Hausberg. Und die Gruppe wurde immer größer, unsere Freunde Kathi und Peter Wagger und Käthe und Pepi Fischer wurden zu treuen Teilnehmern, auch andere Bergfreunde waren stets willkommen. In all’ den Jahren hatten wir so ziemlich alle Witterungsverhältnisse, die es gibt: totale Schneefreiheit, Regen, kalter Wind, Schneefall, wolkenlos, Nebel, tiefe Temperaturen, Harsch und knietiefer Pulverschnee. So gab es zum Beispiel im Jahr 1999 so viel Neuschnee, dass wir das neue Jahrtausend am „Schermkogel“ begrüßen mussten, es lag zu viel Schnee für „ganz hinauf“. Wast und ich legten vormittags mit den Tourenschi eine Spur an, die uns dann in der Nacht zugute kam. Ein Jahr später war die Gruppe dann ordentlich stark, ein ganzes Dutzend, viel Jugend war dabei und es war so kalt, dass der Sekt im Rucksack einfror. Wir staunten nicht schlecht, als wir am Gipfel ein Zelt stehen sahen; Sabine und Berni Geisler haben sicher nicht gedacht, dass sie zu so später Stunde noch so zahlreichen Besuch kriegen würden. Für ein besonderes Ritual sorgte der Wast jedes Mal: In der Mulde unterhalb des Gipfels lag eine uralte riesengroße umgestürzte Fichte, und auf die hatte der Wast ein Auge. Er nahm jedes Jahr ein kleines Hackl mit, schlug vom Baum einen Ast ab, mit dem er sich dann am Gipfel sein Pfeiferl anzündete, dann wurde mit dem „Grengg’n“ noch das Feuer in der Schüssel umgerührt. Und noch etwas war alljährlich vorhanden:

Der Hobelbankinger

Hinter diesem rätselvollen Namen verbirgt sich ein Getränk und natürlich auch ein „G’schicht’l“. Und das kam so: der Wast und ich hatten am gleichen Tag, dem 5. März, Geburtstag. Dieses Datum bot sich natürlich immer für eine Geburtstags-Schitour an, so auch 1983. Von Weißleiten in Waidring auf den Schaflberg und weiter auf den Kirchberg. Als der Wast am Gipfel seinen Rucksack auspackt, gibt’s – für ihn und für uns – eine böse Überraschung: er hat seinen Tourentee zu Hause vergessen. „Auf da Hobebank steht ea“ hören wir ihn jammern, und so haben wir für den Tee Marke Wast auch gleich einen Namen, der „Hobelbankinger“ ist geboren. Es tut uns leid, weil wir um die Qualität seines Tees wissen und uns drauf gefreut hatten. Und der Hobelbankinger hat’s sogar geschafft, dass er groß ins Fernsehen kam. Also das nächste „G’schicht’l“! Im Spätherbst 2005 nahm der ORF im Kaisersaal eine Sendung auf, die dann als Frühschoppen am Stefanitag österreichweit ausgestrahlt wurde. Der Wast wurde eingeladen, dabei mitzuwirken und aus seinem Bergsteigerleben zu erzählen, was er auch mit Bravour tat. Zu den Proben begleitete ich ihn, so auch zur Generalprobe am Nachmittag. Die Moderatorin war Caroline Koller aus Salzburg, sie machte ihre Sache sehr gut und kam irgendwie auf den „Hobelbankinger“ zu reden, hatte aber nicht gerechnet, dass der Wast eine große gefüllte Thermosflasche mit seiner Spezialität dabei hatte. Natürlich musste die Caroline den Hobelbankinger kosten. „Na, hawidere!“ war ihr knapper Kommentar. Mehrere Mitwirkende wollten auch eine Kostprobe, im Nu war die Flasche leer. Und die Abendvorstellung stand noch bevor. Also nutzten der Wast und ich die Pause für einen Nachschub. Bei ihm daheim konnte ich ihm dann bei der Zubereitung auf die Finger schauen; bis dahin hatte er das Rezept ziemlich geheim gehalten. Ich prägte mir die Zutaten und die Herstellung ein und notierte sie auch gleich. Hanni und ich brauten dann des öfteren einen guten Schitourentee nach Wast’s Vorgaben zusammen, aber die Qualität vom Original haben wir nie ganz erreicht, wir kamen ihm nur nahe. (Soviel sei von den Zutaten verraten: Rum 80%, a guats Schnapsl, Honig, Zucker, Teebeutel, Wasser drauf; Dosierung nach Gutdünken).
Unser Freund Wast Stabhuber wurde 90 Jahre alt, bis zum 88. Lebensjahr war er beim Silvesterfeuer immer dabei – er und sein „Hobelbankinger“.

Horst Eder