Peter Wörgartner über Herausforderungen in den Corona-Wochen und die Chancen junger Leute am Arbeitsmarkt in der Region.

„Eigentlich“, sagt Peter Wörgartner, Chef des gleichnamigen metallverarbeitenden Betriebs in Oberndorf und Fieberbrunn, „eigentlich wäre alles gar nicht so schlimm gewesen, wenn man sich auf die Situation hätte vorbereiten können.“ Dass das Virus im März seinen Betrieb vollkommen überraschend „überrollte“, hätte seiner Meinung nach nicht so sein müssen. Schließlich habe man schon Monate zuvor in China beobachten können, dass dort selbst die größten Unternehmen die Arbeit niederlegten, dass es an Desinfektionsmitteln und Schutzmasken fehlte. Man hätte im Jänner und Februar Zeit genug gehabt, sich in Österreich und ganz Europa auf die Lage einzustellen. Es ist aber nicht seine Art, mit dem Geschehenen zu hadern. Es war, wie es eben war.
Peter Wörgartner und sein Team – alle durch ihren Job geschult in Präzision und Genauigkeit und an vorausschauendes Handeln gewöhnt – machten das Beste aus der Lage: Sie sammelten im Betrieb die letzten verbleibenden Schutzmasken ein, kauften beim heimischen Spirituosen-Erzeuger 30 Liter reinen Alkohol zum Desinfizieren und klapperten die Postfilialen nach den letzten verfügbaren Internetroutern ab, um den MitarbeiterInnen Homeoffice einzurichten. Letztendlich war alles zu bewerkstelligen. Dank des großen Auftragspolsters gab es genug zu tun, auch in jenen Wochen, in denen viele andere Betriebe zusperrten. Alle MitarbeiterInnen bei Wörgartner arbeiteten durch. „Wir haben uns von einer Woche zur nächsten durchgekämpft. Es war zwar alles vorbereitet, wir mussten die Kurzarbeit aber nicht in Anspruch nehmen.“ Peter Wörgartner berichtet nicht ohne Stolz. „Ich sage einmal so: Wir agierten unter schwierigeren Umständen, es gab gewisse Herausforderungen, aber alles spielte sich in einem relativ normalen Rahmen ab, es war gut zu bewältigen.“ Auch die Baustelle in Fieberbrunn – Wörgartner verdoppelt hier flächenmäßig – lief weiter. Unter Berücksichtigung der Auflagen, versteht sich.

Die Lehren aus dem Jahr 2009
„Wir sind jetzt bei einem Minus von zehn Prozent und hatten davor sehr gute Jahre“, führt er aus. Dass Corona seinem Betrieb wirtschaftlich nicht mehr zu schaffen machte, führt er auf einen besonderen Umstand zurück: „Wir haben etwas, das viele Betriebe in unserer Region nicht haben: Die Erfahrungen aus dem Jahr 2009.“ Die Wirtschaftskrise damals habe seinem Unternehmen weit mehr zugesetzt. „Die lokalen Handwerker und der Tourismus waren damals kaum betroffen, wir schon“, erinnert sich Wörgartner, „das war sehr prägend.“ Was von damals blieb, ist die Einsicht, dass es immer wieder schwierigere Phasen für ein Unternehmen gibt, dass man sie nicht immer vorhersehen kann. „Es gilt sich so aufzustellen, dass man solche Zeiten ohne Probleme finanziell durchstehen kann.“
Seit dem Jahr 2009 hat Wörgartner genau das getan und in den letzten Monaten davon profitiert.
Problematisch war die ganze Lage dennoch, denn zum wirtschaftlichen kam diesesmal ja auch der gesundheitliche Aspekt. Was passiert, wenn es einen Infektionsfall in der Firma gibt, wird dann zugesperrt, obwohl genug Arbeit da ist? Diese Frage hing wie ein Damoklesschwert über dem Firmenchef, die Unsicherheit sei sehr belastend gewesen, erinnert sich Wörgartner. In seinem Betrieb installierte er deshalb Systeme, die möglichst viel Abstand zwischen den MitarbeiterInnen schufen und führte die Maskenpflicht ein. Im Prinzip sei man mit den internen Maßnahmen den offiziellen Stellen immer ein bis zwei Wochen voraus gewesen, erzählt er.
Inzwischen hat sich Wörgartner gut auf eine mögliche neuerliche Verschärfung der Situation eingestellt. Eine Betriebsschließung steht ja nicht mehr im Raum, auch wenn es positive Fälle geben sollte. Peter Wörgartner, Chef von insgesamt zirka 110 MitarbeiterInnen in Oberndorf und Fieberbrunn, schläft mit dieser Gewissheit besser.

Es herrscht ein „G’riss“ um Lehrlinge
Als wir auf die Themen Jugend und Arbeit zu sprechen kommen, erinnert er sich an eines der ersten Dinge, die er unternahm, als der Lockdown kam: Er suchte per Inserat nach Lehrlingen. Jedes Jahr stellt Wörgartner zwei junge Leute ein, seit dreißig Jahren schon. Das klappte immer gut, nur heuer wollten sich trotz intensiver Bemühungen keine BewerberInnen finden. Doch als das Virus die Wirtschaft fast zum Erliegen brachte, kam die Chance: „Ich dachte mir, vielleicht ist jetzt die Zeit, in der andere Betriebe kalte Füße bekommen und Zusagen nicht einhalten. Wir haben sofort Inserate geschaltet und so unsere zwei Lehrlinge bekommen.“
Das heißt: Auch in der Krise hält Wörgartner an der Ausbildung junger Leute fest. „Natürlich“, unterstreicht der Firmenchef, „unsere Motivation ist es ja, den Nachwuchs an Fachkräften selber im Betrieb zu sichern. Und der Erfolg gibt uns recht: Viele unserer jetzigen Spitzenleute haben bei uns gelernt.“
Einen Mangel an Lehrplätzen im Bezirk kann Wörgartner nicht erkennen: „Gerade im Handwerk herrscht nach wie vor ein Mangel an Lehrlingen, es gibt ein regelrechtes „G’riss“ um sie. Junge Leute können unter zehn angebotenen Stellen wählen, daran hat sich nichts geändert“, so Wörgartner. Dass in den Medien dennoch die Jugendarbeitslosigkeit thematisiert wird, hängt für ihn nicht mit der wirtschaftlichen Situation zusammen. „Wer Arbeit sucht, wird sie in unserer Region auch finden“, betont er.
Am 15. Oktober veranstaltet Wörgartner auf jeden Fall wieder einen Lehrlings-Infoabend, an dem sich Interessierte über die angebotenen Lehrberufe informieren können. Intern wurde die Ausbildung inzwischen sogar noch intensiviert: Jeden Freitagvormittag findet für die „Youngsters“ ein Ausbildungsprogramm statt. Soweit also alles in bester Ordnung. Obwohl: Mit einer Tatsache hadert Wörgartner doch: „Was uns immer noch fehlt, wir predigen es schon lange, sind die Mädchen, die Mädchen in der technischen Lehre.“ Wörgartner hat mit den jungen Damen bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Die Jobs in der Metallverarbeitung sind körperlich nicht anstrengender „als die Arbeit als Friseurin“, wie Wörgartner betont. Er sieht da noch viel Potential. Das gilt für die Jugend im Allgemeinen: „Wir haben sehr viele arbeitswillige, leistungsbereite junge Leute am Start, über die Jugend darf man überhaupt nicht schimpfen“, lobt er sein Team.
Wörgartner ist übrigens nicht nur „Ausgezeichneter Tiroler Lehrbetrieb“ sondern seit 2018 auch „Staatlich ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“.

Auszeit auf der Alm
Er selbst hat inzwischen gelernt, sich Auszeiten zu nehmen. Bevor er morgens ins Büro kommt, erledigt er auf seinem Bauernhof in Oberndorf die Stallarbeit. Dass er dafür früh aus den Federn muss, nimmt er gerne in Kauf. Die Ziegen und das Grauvieh sind derzeit auf der Alm im Hörndlinger Graben zu betreuen. Die Mittwoche und meist auch die Wochenenden verbringt Wörgartner während der Almsaison generell dort. Auf 1.600 Metern Seehöhe, wo nur das Läuten der Kuhglocken und das Rauschen des Windes zu hören ist, tankt der 61-Jährige Kraft und Energie für die Arbeit im Betrieb. Dort kann er abschalten, alles ausblenden. Obwohl: Seit „Corona“ hat er auf der Alm jetzt auch Internet. „Das ist praktisch, stört manchmal aber auch“, gesteht er. Es tut dem Glück auf der Alm keinen Abbruch. „Wenn man die Schönheit und den Reichtum der Bergwelt, den man dort oben erlebt, richtig wahrnimmt, ist es wunderbar“, sagt er. Es ist eben auch alles eine Frage der Einstellung. Er kaufe sich lieber noch eine „Goas“, als einen Porsche, sagte er bei anderer Gelegenheit einmal. Eine gewisse Bodenständigkeit ist bestimmt kein Nachteil in stürmischen Zeiten … 

Doris Martinz