Leni Müllauer ging heuer nach 50 (!) Jahren bei Auto Sparer in Pension. Was sie alles erlebt, was sich in fünf Jahrzehnten alles geändert hat …

 

OK. Man spricht oder schreibt von zwanzig Jahren Treue zu einer Firma, von dreißig, selten einmal vierzig Jahren. Aber fünfzig?? Die St. Johannerin lacht. Das habe sich halt so ergeben, meint sie. Eigentlich wäre sie ja schon mit 60 Jahren in Pension gegangen, im Jahr 2011.

Aber dann fiel eine Kollegin aus, sie sprang ein. Die andere ging auf Urlaub, Bereit übernahm. So ging es die letzten Jahre, immer wieder poppte in einem der inzwischen vier Autohäuser, die Sparer betreibt, Bedarf auf. Letztes Jahr dann, im Dezember 2019, sollte das endgültige Aus kommen, entschied Leni. Schließlich war sie mittlerweile schon 68 Jahre alt, mehr als reif für die Rente, wie sie sich manchenorts anhören musste. Aber dann war es wieder so: Eine Kollegin wollte unbedingt eine viermonatige Reise antreten. Und Leni half aus. Ein allerletztes Mal. Wenn die Kollegin Ende April 2020 zurückkommt, ist endgültig Schluss, sagte sie. So war es auch. Doch bevor die Kollegin heim kam, kam Corona. So gab es kein sanftes Hineingleiten in die Pension wie es geplant gewesen war, sondern Arbeit von früh bis spät mit der Abwicklung der Kurzarbeit, die auch Auto Sparer in den Wochen des Lockdowns in Anspruch nehmen musste.
Die erste Zeit daheim, nach dem endgültigen Abschied aus dem Berufsleben Ende April, musste sich Leni deshalb erst einmal erholen. Sie will jetzt einfach nur in den Tag hinein leben, genießt es, nichts tun zu müssen.

In Personalunion für alles zuständig
Eigentlich wollte Leni in ihrer Jugend studieren, doch das war damals nicht möglich. Also erlernte sie den Beruf der Bürokauffrau und kam 1970 über ihre Freundin Maria zur Firma Sparer. Maria wollte für einige Zeit nach England gehen. Ihr Vater, Alois Sparer, Gründer der Firma Sparer, sagte: „Des is in Ordnung, wenn du uns jemanden bringst, der dei’ Arbeit måcht“, Maria brachte Leni, arbeitete sie ein und sagte dann: „Jetzt kust ois und kånnst bleiben bis zu deiner Pensionierung.“ Die jungen Frauen lachten damals über diese Aussage, doch sie sollte sich bewahrheiten.
Alois Sparer, Vater der heutigen Seniorchefs und Gründer der Firma Sparer, starb 1970, kurz bevor Leni in den Betrieb kam. Seine beiden Söhne Herbert und Alois, die Leni natürlich auch gut kannte, und die nur wenige Jahre älter als sie waren, übernahmen.
Gemeinsam bauten sie die Firma zu dem auf, was sie heute ist: ein florierendes Unternehmen mit vier Standorten in St. Johann, Kufstein und Saalfelden und mit zirka 60 MitarbeiterInnen. Die Stammmarke Opel wurde erweitert um Suzuki, Hyundai und Jeep.
In den ersten Jahren und Jahrzehnten war Leni „in Personalunion“ für alles zuständig: Sie erledigte Buchhaltung und Lohnverrechnung, holte Autos in Innsbruck ab, war Tankwart in der hauseigenen Tankstelle, half im Lager aus, machte alles – außer Autos reparieren.

Verhinderte LKW-Fahrerin
Als Leni und ihr Mann Franz 1977 ihren Sohn Thomas bekamen, ging sie für ein Jahr in Karenz und arbeitete anschließend einige Jahre halbtags. Aufgrund einer Erkrankung musste Franz seinen Beruf als Dachspengler aufgeben, er ging in Frühpen­sion und übernahm den Haushalt. Er hielt damit Leni den Rücken frei, die sich ganz auf ihren Job konzentrieren konnte.“ Des wår schon notwendig, sonst hätte ich das, wås i alles g’måcht håb, nit tun können“, sagt sie rückblickend.
Als das Unternehmen wuchs, konzentrierte sich Leni auf die Bereiche Buchhaltung und Lohnverrechnung. Und es kam die EDV dazu, Leni entwickelte die speziell auf das Autohaus maßgeschneiderten Programme von Stunde Null an mit. Keiner in der Firma kannte sich deshalb mit der EDV und auch in vielen anderen Bereichen so gut aus wie Leni, und deshalb war ihr Know-How auch so lange unverzichtbar.
Selbst interessiert sich Leni übrigens nicht sonderlich für Autos: „Des is für mi a Gegenstånd, der mi von A nach B bringt.“ Aber wenn es ein Auto sein muss, dann ein schnelles, verrät sie. „I måg gern PS und große Wagen.“ Die hat sie sich aber nie geleistet, gibt sie zu. Obwohl sie gerne hoch sitzt und sich sogar vorstellen könnte, „dass i Lastwagenfahrerin hätte werden können“, sie lacht. Leni ist der Marke Opel stets treu geblieben, etwas anderes kam für sie nie in Frage.

Vieles hat sich verändert
Der Autohandel hat sich in den letzten Jahrzehnten komplett verändert. Früher sei der Händler, erinnert sich Leni, vom Konzern umworben worden, leben und leben lassen war die Devise. Heute sind die Margen sehr gering, die Auflagen seitens der Konzerne hoch. Früher hatten die KundInnen eine enge Bindung an „ihr“ Autohaus, heute kaufen sie den Wagen dort, wo er am billigsten ist, auch im Internet. In früheren Jahrzehnten reparierte man, heute tauscht man Komponenten aus.
Die gesamte Arbeitswelt ist extrem schnell geworden. Leni hat noch Briefe geschrieben, verschickt, bekommen, beantwortet, wieder geschickt. Das nahm einfach eine gewisse Zeit in Anspruch. Heute muss jede E-Mail sofort beantwortet werden. „Des baut schon Druck auf“, sagt sie.
Die Arbeitswelt sei für alle schwieriger geworden, sagt sie. „Wenn früher jemand viel g’årbeitet håt, håt er guat verdient und sich ’wås aufbauen können. So einfach is des heit’ nimmer.“
Den Generationenwechsel im Hause Sparer nahm Leni gelassen hin – sie kennt den „Nachwuchs“, Alois und Herbert junior, ja schon von Kindesbeinen an. „Dass mit neuen Chefs a neue Ideen kommen, wår mir klår, des wår koa Problem.“ An ihrem Job liebte sie immer am meisten, dass er so vielseitig war, und das gute, wertschätzende Miteinander. „So viele Leit’ san gekommen und vor mir wieder g’ången, aus den verschiedensten Gründen, åber i håb mi mit fåst allen guat verstånden, wir håm a sehr gutes Betriebsklima.“ „Haben“ sagt sie, nicht „hatten“. In Kopf und Herz ist Leni noch immer Teil des Teams …

Besondere Momente
Jetzt genießt es Leni, nichts tun zu müssen, keine Pläne zu machen, in den Tag hinein zu leben. Sie und Franz radeln und wandern gerne gemeinsam, auf Reisen begleitet sie ihr Mann aber meistens nicht. Leni wollte immer die Wüste erleben und reiste dafür schon zweimal in den Iran, nach Marokko und Usbekistan. „Die Kargheit, die Stille dort, des is schon sehr faszinierend“, erzählt sie. Mit „Art Textil“, einem Verein für künstlerisches und handwerkliches Gestalten, reiste sie viele Male nach Frankreich. Wunderbare Touren waren das im Kreise interessanter Frauen. Auch das Lesen gehört zu ihren Leidenschaften. Was für Bücher sie denn bevorzuge, möchte ich wissen. „Auf jeden Fåll koane Liebesgeschichten“, sagt sie prompt. Geschichtliches und Biografien, das seien ihre Themen. Sie, die seit Jahren nicht mehr fernsieht, „weil i då immer einschlåf’“, macht auch gerne kunstvolle Handarbeiten wie Sticken oder Patchwork. Als Mitglied des Kirchenchors fehlen ihr die Proben derzeit, und auch die Kinobesuche und Konzerte, die sie für gewöhnlich in Salzburg besucht. Aber all das kommt ja wieder.

Leni hat in ihrem Leben schon sehr viel Schönes erlebt. Besondere Momente waren jene, in denen sie ihre Schwiegereltern und auch ihre eigene Mutter nach einem erfüllten Leben daheim auf dem Sterbebett bis zum letzten Atemzug begleitete. „Des is wertvoll für die, die gehen, aber a für einen selbst“, sagt sie nachdenklich. Es sei für den Umgang mit der eigenen Endlichkeit wichtig.

Sie wünsche sich für die kommenden Jahre Gesundheit für sich und ihre Lieben, sagt sie. Dass ihr Sohn Thomas, der mit seinem Elektro-Unternehmen sowie als Berg- und Canyoningführer selbständig ist, immer gut nach Hause kommt, dass ihr Enkelkind Julia ein erfülltes Leben hat und dass es auch Franz gut geht. 50-jähriges Jubiläum feierte sie heuer nicht nur bei Sparer, sondern auch mit ihrem Mann: Sie sind ebenso lange verheiratet und haben für die nächsten Jahre einige gemeinsame Pläne … Wir wünschen alles Gute und noch viel Gesundheit!
Doris Martinz