Marije Moors über ihre Art, die Dinge anzugehen und ihr neues „Herzensprojekt“ – St. Johann 2030/2050.

Die werden in Tirol eh koa Ausländerin woll’n“, dachte sich Marije Moors vor 12 Jahren. Sie sollte sich irren – man wollte sie und beauftragte die quirlige geborene Holländerin damit, in St. Johann ein Ortsmarketing aufzubauen.
Die 40-Jährige verbrachte als Kind gemeinsam mit ihren Eltern viele Urlaube in Österreich, im Sommer wie im Winter. Die Flachländerin stellte sich beim Skifahren sehr geschickt an, legte in Österreich die Skilehrerprüfung ab und arbeitete nach ihrer Ausbildung in Holland (sie studierte an der Fachhochschule „International Business“ und machte an der Uni ihren Master in „International Management“) als Skilehrerin in Leogang. Nach einigen Zwischenstationen landete sie wieder in Leo­gang und blieb dort – auch der Liebe wegen. Ja, und dann stieß die Holländerin auf die Stellenausschreibung aus St. Johann.

Fast ein echtes Büro

Seit 2008 pendelt Marije nun täglich von Leogang nach St. Johann. „Es is guat, a bissl an Abstand zu haben“, sagt sie. Damals, als die Ortsmarketing-GmbH gegründet wurde und sie ihr Büro in der Gemeinde bezog, lauteten ihre ersten Aufgaben, ein Logo in Auftrag zu geben, ein Corporate Design, die Einkaufsgutscheine einzuführen und den Wochenmarkt auf den Weg zu bringen. Seitdem sind immer mehr Aufgaben dazugekommen, mittlerweile hat Marije vier MitarbeiterInnen – Dunja Ascari, Carmen Schenk, Heidi Lippert und Tassos Theodorakopoulos „Jetzt sind ma scho fast a echt’s Büro“, scherzt sie. Jeder der Mitarbeiter hat sein festgelegtes Aufgabengebiet, bei Projekten arbeiten alle zusammen.
Lag früher der Fokus auf Kaufmannschaftsaufgaben, hat sich der Aufgabenbereich seit einigen Jahren auf eine breitere Basis verschoben. Es geht nicht darum, ein Event nach dem anderen zu organisieren, sondern generell die Attraktivität des Orts als Lebensraum zu halten und heben – nach dem „Masterplan Ortskern“. Die Fragen, die das Handeln bestimmen, lauten: Wie sieht der Ort aus, wie können sich seine BewohnerInnen wohlfühlen, wie sieht es in puncto Mobilität oder beim Wohnen aus? „Aktionismus“, wie es Marije nennt, ist strategischer Planung gewichen. Und das macht es für die St. Johanner Holländerin so spannend und vielfältig.

2030/2050

Letztes Jahr startete das Orts­marketing gemeinsam mit Partnern wie Gemeinde, Bergbahn, TVB und Wirtschaft den Strategieprozess „St. Johann 2030/2050“. Die Themen, die dabei behandelt werden: Verkehr und Mobilität, Wohnen und Arbeiten, Gesundheit, Energie & Umwelt, Bildung, Wirtschaft und Tourismus. Marije weiß es zu schätzen, dass so ein zukunftsorientiertes Projekt in der Marktgemeinde lanciert wird, es ist für sie ein echtes Herzens­projekt. „I find des sehr fortschrittlich für a Gemeinde in der Größe von St. Johann. In anderen Orten werden Dinge oft erst angegangen, wenn der Hut brennt.“
Mit dem Leitfaden, der erarbeitet wird, kann die Gemeinde ihre Zukunft aktiv gestalten, „wir können agieren statt nur zu reagieren“, drückt es Marije aus. Dass der Gemeinderat für die Strategie Geld in die Hand nimmt und damit Weitblick beweist, „is wirklich a super Sache“, meint sie. Und dass sich da andere Gemeinden etwas abschauen könnten.

Offen und direkt

Schon in den vergangenen Jahren hat St. Johann bewiesen, dass man mit vorausschauender Planung viel Positives erreichen kann. Dem Ortsmarketing fallen dabei viele Aufgaben zu, Marije und ihr Team sind zum Beispiel bei der Umsetzung von Vorhaben wie etwa den neuen Begegnungszonen für die Kommunikation zuständig. „Wenn ma schon im Vorhinein offen und intensiv mit allen kommuniziert, ist die Akzeptanz viel größer“, erklärt sie. Offenheit ist nicht nur eine Strategie im Job, sondern eine Charaktereigenschaft von Marije.
Sie geht die Dinge offen und direkt an. Gerade am Anfang, als die Wahl-Leogangerin die Leute und manch verborgene Zusammenhänge in der Marktgemeinde noch nicht kannte, stieß das mitunter auf Verwunderung. Doch der Erfolg gibt ihr Recht.

Natürlich bekommt sie hin und wieder das Wort „Kaskopf“ zu hören, im Spaß, versteht sich. „Des måcht mir nix aus“, sagt sie lachend. „I bin da nit so empfindlich.“ War ihre Herkunft denn schon einmal ein Problem bei einem Vorhaben? „Na, für mi nit!“, sagt sie lachend. Für Marije ist klar, dass man beim Geschäftlichen nicht mit jedem „best friend“ sein kann und muss und dennoch respektvoll miteinander arbeiten kann.

Marije ist keine, der eine Sache schon im Vorhinein durch Befürchtungen und „Was-wäre-Wenns“ zerredet. Sie ist eine Macherin. „Manchmal wär’s vielleicht gut, wenn i zuerst mehr überlegen würd’“, … meint sie selbstkritisch, „aber i immer mit meiner großen Klappe, … wei’s ma halt a selber taugt.“ Vielleicht hätte sie dann so manches Projekt gar nie in Angriff genommen. Aber letztendlich hat sich ihr Einsatz immer bezahlt gemacht. Auch wenn das mitunter bedeutete, dass sie sich Nächte um die Ohren schlug – im Büro. Kein Problem für sie.
Vor allem dann nicht, wenn sie beobachten kann, wie ihre Arbeit fruchtet. Wenn sie beispielsweise die Leute beim Wochenmarkt beobachtet, wie sie die Bänke nützen, die aufgestellt wurden, und wie sich die Radständer füllen. Wenn sie beobachtet, dass sich die Menschen wohlfühlen in ihrer Gemeinde, dass die Belebung des Ortskerns greift.

Das Beste herausholen

Natürlich gibt es immer weitere Planungen, „fertig sind ma ja nie.“ Dabei ist es der Ortsmarketing-Chefin enorm wichtig, dass ihre Einrichtung nicht zur Verwaltungsorganisation mutiert, sondern dass Vorhaben und Veranstaltungen immer auch evaluiert, hinterfragt werden. „Wir arbeiten mit öffentlichem Geld. Es ist des Wichtigste, dass ma des immer im Kopf håt. Gemeinde und Wirtschaft vertrauen uns das Geld an, mit dem Budget müssen wir das Beste herausholen für den Ort.“

Marije war vor zwölf Jahren auf Anhieb begeistert von St. Johann, weil sie die Stimmung, die im Ort herrscht, als sehr angenehm empfand. „Es gibt hier a echte Umsetzungsmentalität und einen grundsätzlichen Willen zur Zusammenarbeit. Des is nit überall so.“ Das ist extrem wichtig für die Ortsmarketing-Leiterin, die auf die Kooperation mit Betrieben, Vereinen, Hausbesitzern und Co angewiesen ist. „Alleine geht nix.“

Als eines der schönsten Projekte bleibt ihr das 800-Jahre-Jubiläumsjahr in Erinnerung, das 2016 unter anderem mit einem mittelalterlichen Markt gefeiert wurde. „Des wår von der Stimmung her einfach genial. So viele Leute håm mitg’måcht, alle Vereine waren eingebunden, des wår richtig lustig und cool.“ Gab es auch Momente, in denen Marije am liebsten alles hinschmeißen wollte? „Na, i schmeiß so schnell nix hin.“
Deshalb bleibt sie St. Johann hoffentlich auch in den nächsten Jahren erhalten. Sie mag die Gemeinde, auch „weil der Ort klein genug is, dass ma sich kennt. Und groß genug, dass ma a kleinstädtisches Flair håt. Die Mischung aus Dorf und Kleinstadt is’s vielleicht, die’s ausmåcht.“ Auf jeden Fall ist die Marktgemeinde bodenständig. „Und des måg i“, bekräftigt die Holländerin, die inzwischen fast schon so redet wie die Einheimischen. Die in den letzten Jahren so viel Energie und Herzblut in den Ort gesteckt hat. Und die mit St. Johann noch viel vor hat …

Doris Martinz