Toni und Candy beziehungsweise Sandra und Anna erzählen von ihrem Job als Gesundheitsclowninnen.
Sie kamen mit roten Nasen, natürlich, mit knallbunten Blusen und Schuhen, mit hell klingenden Ukulelen, aber vor allem zogen sie ein mit viel ansteckender Fröhlichkeit: Am 28. April 2025 besuchte eine Schar von „Gesundheitsclowninnen“ das Krankenhaus St. Johann, um die zehnjährige Zusammenarbeit zu feiern. Es war der Tag der Superhelden, wie Pflegedirektor Harald Sinnhuber in seiner kurzen Ansprache festhielt. Die wahren Superhelden würden für ihn rote Nasen tragen, meinte er. Und rührte die Clowns damit (fast?) zu Tränen.
Ich treffe die beiden Spaßtreiberinnen „Toni“ und „Candy“ unter sechs Augen. Sie haben ihre roten Nasen abgenommen, „damit es nicht nur unsinnige Antworten gibt“, wie letztere meint. Sie heißt in Wirklichkeit Sandra Schildhauer, ist 38 Jahre alt und kommt aus Innsbruck. Ihre Kollegin „Toni“ wurde als Anna Rossi geboren, ist 36 Jahre alt und kommt aus Mieming. Beide muntern seit ein paar Jahren kleine und große Menschen auf – in Kliniken und Krankenhäusern, im Hospiz und in anderen Einrichtungen. Sie treiben ihren Schabernack überall dort, wo die Menschen eine Ablenkung von ihren Sorgen gut gebrauchen können, weil sie krank sind oder sich in anderen schwierigen Lebenssituationen befinden. Auch im Krankenhaus St. Johann sind sie immer wieder unterwegs.
Anna hat Pädagogik studiert und ein Schauspielstudium absolviert; die Clownerie sei für sie eine schöne Kombi aus beidem, dem Sozialen und dem Künstlerischen, meint sie. Sandra ist gelernte Goldschmiedin, hat eine Ausbildung zur psychosozialen Beraterin gemacht und habe dabei festgestellt, dass Humor für sie die Ressource ist, die am hilfreichsten ist in herausfordernden Situationen, so Sandra. Beide haben die zweijährige Ausbildung zum Rote-Nasen-Clown absolviert, die auch das Wissen über die Strukturen in Krankenanstalten, Hygieneschulung, Psychologie und mehr umfasst. Denn lustig zu sein allein reicht nicht in diesem sensiblen Kontext.
Gratwanderung
„Ich mache jetzt ein Spiel“, sagt Clownin Toni und hält dem kleinen Patienten ihre geschlossenen Fäuste entgegen. „Windtei, wandtei …!“ „Aber du musst doch zuerst etwas verstecken in deinen Händen“, weist sie ihre Kollegin Candy zurecht. „Hab ich doch, schau – ups, wo ist es denn …“ Am Krankenbett wird geblödelt und gescherzt, die Clowninnen nehmen sich gegenseitig auf die Schaufel – immer sehr zum Vergnügen der Patient:innen. „Es ist unglaublich zu sehen, wie eine Begegnung, wie unser Auftreten die Stimmung in einem Zimmer drehen kann. Wie sich Traurigkeit auflösen oder Wut in Heiterkeit umschlagen kann. Das ist es, was unsere Arbeit so besonders macht“, erklärt Sandra. Einfach sei es aber nicht, man müsse sich einschwingen auf die Stimmung im Zimmer. Man wisse ja nicht, was gerade zuvor passiert sei, ob es etwa gerade eine schwierige Diagnose gegeben habe. Es sei immer eine Gratwanderung, man müsse alles auf die Reaktion des Gegenübers abstimmen. Deshalb sei man auch ausschließlich zu zweit unterwegs. „Wir nähern uns immer behutsam und laden ein zum Mitmachen oder Mitsingen. Erst wenn wir eindeutig positive Signale empfangen, beginnen wir mit einer Interaktion mit den Patient:innen.“
Die „Personage“ grenzt ab
Nicht nur die kleinen Patient:innen freuen sich über den Besuch der Spaßvögel mit der roten Nase, auch die Erwachsenen lassen sich gerne von ihren Sorgen ablenken. Selbst auf Palliativstationen sind die Clowns im Einsatz – für Menschen, deren Leben in absehbarer Zeit zu Ende geht. Wie fühlt sich das für die Clowninnen an? Wie lustig kann man angesichts des Todes sein? „Das Personal ist sehr sensibel und weiß, wo es passt“, antwortet Anna. Außerdem trete man ja „in Personage“, also als Clown, auf und grenze sich damit ab. Es könne aber schon etwas mit einem machen, deshalb seien ein guter Austausch im Team und die Nachbesprechung wichtig.
Clownin, auch privat?
Nicht immer, gesteht Anna, lege sie ihre „Toni“ mit der Kostümierung ab. „In herausfordernden Situationen packe ich ganz oft die Clownin aus, weil das ein super Zugang ist. Als Clownin bleibt man im Scheitern, man sucht sogar das Scheitern und pflegt damit eine total schöne Fehlerkultur.“ Toni sehe das Scheitern als gute Chance und Neuanfang, davon könne Anna noch lernen, meint sie mit einem Augenzwinkern. Auch Sandra bestätigt, dass sie im Privaten einen immer besseren Zugang zu Missgeschicken und Hoppalas pflege und dabei ihre „Candy“-Seite zum Vorschein komme. Erst kürzlich sei sie mit einem Kuchen in der Hand gestolpert, jener sei auf dem Boden, in einer Wiese, gelandet. „Früher hätte ich mich geschämt und geärgert, heute erfreue ich mich an der Komik der Situation.“
Wie Seifenblasen helfen können
Menschen zum Lachen zu bringen und damit wenigstens für kurze Zeit ihre Sorgen zu vertreiben, sei der schönste Beruf der Welt, darin sind sich Anna und Sandra einig. Es gebe unzählige berührende Momente und einige ganz unvergessliche. Zu letzteren gehört die Begegnung mit einem Mädchen aus der Ukraine, das einen Bombenangriff in seiner Heimatstadt überlebt hatte und an der Klinik in Innsbruck behandelt wurde. Die Geschehnisse hatten das Mädchen schwer traumatisiert, es zeigte sich anfangs verschlossen und abweisend. Ganz vorsichtig und behutsam, erzählt Anna, versuchten sie und ihre Clown-Kollegin, einen Kontakt herzustellen und schickten dafür aus einiger Entfernung Seifenblasen in die Richtung des Kindes. Irgendwann habe es eine der Seifenblasen berührt und sei dafür von den Clowninnen gefeiert worden wie eine Heldin. Nach und nach konnte sich das Mädchen den Späßen öffnen, es lächelte zuerst ganz zaghaft und strahlte schließlich über das ganze Gesicht. „Es ist wunderbar zu erleben, was man bewirken kann. Auch für die Mutter des Mädchens waren es sehr bewegende Momente“, sagt Anna mit leiser, weicher Stimme.
Reich beschenkt
Sandra erinnert sich an eine andere Begebenheit, die ihr in Erinnerung bleibt: Auf der Kinderonkologie in Innsbruck besuchten sie und ihre Partner-Clownin ein Mädchen, das sie schon länger kannten. An jenem Tag war die Kleine in schlechter Stimmung, sie war frustriert und zornig und schlug immer wieder mit der Hand auf den Tisch. Die Clowns spiegelten ihr Verhalten, schlugen ebenfalls auf den Tisch, schimpften und spielten mit den Emotionen des Kindes, gaben ihnen Raum. „Über das Spiegeln kamen wir in die Komik und in die Fröhlichkeit, steckten das Mädchen damit an und konnten die Gefühle des Kindes in etwas Schönes und Aktives verwandeln“, erzählt Sandra. „Es war sehr schön zu sehen, wie sich das gewandelt hat. Da geht man reich beschenkt heim.“
Weil es solche Erlebnisse immer wieder gibt, werden Anna und Sandra beziehungsweise Toni und Candy noch viele Jahre lang von Zimmer zu Zimmer ziehen und ihre Späße treiben. „Bis zur Pensionierung!“, hält Sandra fest. „Und bis darüber hinaus auch noch!“, bestätigt Anna. Die beiden nicken sich kurz zu, stecken wieder ihre roten Nasen an und machen sich auf, weitere Kinderseelen zu erhellen.
Doris Martinz