Niklas Schumacher ist in Karenz gegangen und arbeitet nun in Teilzeit. Warum er mit einem Einhorn durch die Gegend fährt …

In der letzten Ausgabe unserer Zeitung haben wir von Jana Schumacher berichtet und davon, wie die Vollzeit-Ärztin und zweifache Mutter ihr Leben meistert. Heute stellen wir euch Niklas „Nik“ Schumacher vor, die zweite Hälfte des Teams, das beim Rollentausch sein Glück gefunden hat.
Er kommt mit dem Fahrrad zu unserem Treffpunkt, in der Mitte des Lenkers ist der Kopf eines Einhorns montiert. Fehlt nur noch der Glitzer. Wie zauberhaft! Er lächelt breit.
Bei einem Cappuccino erzählt er aus seinem Leben: Der 34-Jährige ist in der Nähe von München aufgewachsen, absolvierte eine Zimmererlehre und arbeitete auch als Zimmerer. Unsere Region kennt er vom Skifahren. Weil seine Freundin und spätere Frau Jana in Lettland Medizin studierte, zog auch er in den Norden. Nach Abschluss des Studiums, 2016, ließ sich das Paar in St. Johann nieder, wo Jana einen Job bekam. Nik arbeitete wieder als Zimmerer und im Winter als Skilehrer. 2019, nach der Geburt des ersten Kindes Jael, kehrt Jana nach dem Mutterschutz wieder in den Beruf zurück. Nik ging – entgegen aller Stereotypen – in Karenz. „Das hat mehrere Gründe gehabt, es war nicht nur wegen des Jobs“, erklärt er. Ein Vater, mit dem wenige Wochen alten Baby allein daheim – ein ungewohntes Bild. Kann ein Mann das überhaupt hinkriegen? Windelwechseln bestimmt, aber alles andere? Und wie war das mit dem Stillen? Nun, Nik war auf jeden Fall kein Neuling in Sachen Babybetreuung: „Ich habe früher oft auf die Kinder meiner älteren Schwester und auf die meines Bruders aufgepasst, ich hatte schon einige Erfahrung.“ Und auch das Stillen funktioniert: Jana pumpt Muttermilch ab, Nik gibt das Fläschchen. Und wenn einmal in der Nacht die Muttermilch aus ist, geht er eben welche holen ins Krankenhaus, wo Jana arbeitet – wir haben darüber berichtet. Nik lacht: „Ja, das haben wir bei Jael noch so gemacht, bei Juri waren wir schon entspannter und halfen uns mit Milchpulver aus.“ Er kümmert sich damals nicht nur um das Baby, er wäscht, putzt und kocht auch. „Allerdings hat Jana im Haushalt wohl mehr mitgeholfen als es berufstätige Männer normalerweise tun“, räumt Nik ein.

Nik passt nicht ins System

Als Jael ein Jahr alt ist, schreiben sie die Eltern in der Kinderkrippe des Krankenhauses ein, und Nik sucht sich einen Halbtagsjob. Er ist nicht der einzige Papa, der sein Kind zur Krippe bringt und es mittags wieder abholt. Aber er ist der einzige, der auch den ganzen Nachmittag mit ihm verbringt. „Es gab schon Väter, die meinten, dass sie mich beneiden, dass sie das eigentlich auch gerne tun würden.“ Um die Jobsuche werden sie ihn damals wohl nicht beneiden, die gestaltet sich nämlich schwierig: Als Zimmerer halbtags arbeiten? Geht nicht. Nik meldet sich deshalb beim AMS an. Doch er wird immer in Vollzeit vermittelt und kann die angebotenen Stellen natürlich nicht antreten. „Sie sind ein Mann, da bekommen Sie nur Vollzeitstellen. Da muss halt Ihre Frau weniger arbeiten!“, heißt es bei der Hotline. Mittelalter? Nein, dies trug sich im Jahr 2020 zu! „Das hat mich schon schockiert“, so Nik. Inzwischen sei es aber wohl besser, das AMS-Team vor Ort sei von Anfang an sehr hilfsbereit und kompetent gewesen.
Vor drei Jahren kommt Sohn Juri zur Welt. Beim zweiten Kind genießt die Mutter eine sechsmonatige Auszeit bei ihrer Familie, bevor wieder Nik übernimmt. Inzwischen hat sich das Paar getrennt, es teilt sich die Obsorge. Der Vater holt Tochter und Sohn mittags vom Kindergarten beziehungsweise von der Kinderkrippe ab und kümmert sich am Nachmittag um sie. Ihre Mutter holt sie am späten Nachmittag beim ihm ab, sie bleiben über Nacht bei ihr. Wenn Jana Nachtdienst hat oder auswärts Fortbildungen absolviert, bleiben die Kids bei Nik. Alles ist eingetaktet und funktioniert gut. Auf die Hilfe von Oma oder Opa oder anderer Verwandten können die Eltern nicht zurückgreifen, sie wohnen ja nicht in der Region. „Also muss es so gehen, und das tut es auch.“

Nik arbeitet aktuell in Teilzeit im Büro eines Bauträgers – quasi als Mädchen für alles. Ein Job, der klassischerweise von Frauen besetzt wird. Wenn er mit seinen Kindern unterwegs ist, wird er immer wieder gelobt, vor allem von älteren Leuten. „So ein toller Papa“, heißt es dann. „Als Frau wird man nicht gelobt, da ist es ganz selbstverständlich, dass man sich um seine Kinder kümmert“, sagt Nik nachdenklich. Er freue sich über ein Kompliment, aber es stehe natürlich auch Frauen zu. Schwierig sei es manchmal in Lokalen gewesen, an Wickeltische zu kommen – sie sind häufig nur in den Damen-WCs angebracht. „Da war ich manchmal aufgeschmissen. Ich ging dann halt auf die Damentoilette oder wickelte woanders.“

Anders als Mütter

Nik übernimmt in seiner Familie zwar die Rolle, die unsere Gesellschaft der Mutter zuordnet, als Vater füllt er sie aber ein wenig anders aus. Klassische „Müttergespräche“, meint er, würden ihn weniger interessieren. Wie lange die Kinder schlafen, wann ein Kind krabbelt, wann es den ersten Löffel Brei ist … das alles sei ihm nicht so wichtig. Er vertraut darauf, dass sich jedes Kind in seinem Tempo­ entwickelt. „Die beiden sind gut geraten soweit, ich habs nicht zu sehr vergeigt.“ Er lässt seinen Kids viel Freiraum, will sie nicht überbehüten. „Echte Gefahren schalte ich aus, aber ich lasse sie vieles machen und probieren. Wenn sie mal hinfallen, ist das halt so. Dann tröste ich sie, mache aber kein Drama draus.“ Noch immer kocht und wäscht und putzt er, daneben hat er die Kids. Alles ganz easy? Nein: „Wenn man Haufrauen und Mütter belächelt, ist das ungerecht. Es ist nicht gottgegeben, dass man das alles schafft“, meint er. Die Geburt von Kindern würde eine völlig neue Lebens­realität schaffen. Damit müsse man erst zurechtkommen. Noch einmal vor die Wahl gestellt, würde er sich aber wieder dafür entscheiden, zugunsten der Kinder beruflich zurückzutreten. Würde er das auch anderen Vätern empfehlen? „Unbedingt!“
Denn die Bindung zu den Kindern verändere sich, wenn man viel Zeit für sie habe. Man sei Anlaufstelle für Sorgen und Probleme, das eröffne neue Sichtweisen. Zudem könne man seine persönlichen Werte an seine Kinder weitergeben, das fühle sich gut an.
Beruflich will sich Nik in Zukunft verändern: Er bewirbt sich für ein berufsbegleitendes Studium für soziale Arbeit; soziale Berufe interessierten ihn schon immer.

Glitzer und Bagger

Was sind die schönsten Momente, die Nik mit Jael und Juri erlebt? Er überlegt ein Weilchen und sagt dann: „Es sind die Momente, in denen die beiden ihre Gefühle ausdrücken können. Wenn sie klar benennen können, was sie empfinden. Wenn sie mir beispielsweise sagen können, dass sie traurig sind – und warum. Das ist für mich das Schönste. Ich denke, das ist wichtig für ein gelungenes Leben.“
Nik will seine Kinder liberal und frei erziehen. Erziehungsratgeber hat er nie gelesen, er verlässt sich auf seine Intuition. Er will seine Kids nicht in Schubladen stecken und sie ohne Glaubenssätze aufwachsen lassen, die sie behindern könnten. Jael darf mit Puppen spielen, wenn sie will. Und sie darf sich für Glitzer, Bagger und Dinosaurier begeistern. Juri darf das auch alles, Geschlechterrollen spielen im Hause Schumacher keine Rolle. Deshalb darf der Papa auch mit einem Einhorn am Fahrrad-Lenker durch den Ort düsen. Demnächst vielleicht mit Glitzer? Warum nicht.
Doris Martinz