Colleen Lenhard fand in der Marktgemeinde ihr Glück und verrät ein gut gehütetes Geheimnis – oder zumindest ein Stück davon.

Colleen Lenhard – wer ist das denn? Das frage ich mich, als in unserer Redaktion eine E-Mail mit Veranstaltungsterminen der Homebase eintrifft. Der Name der Absenderin sagt mir nichts, wo ich doch (fast) das gesamte Team kenne. Colleen klingt aber spannend, finde ich, deshalb bitte ich sie zum Interview. Schon, als ich mich mit ihr telefonisch verabrede, steht für mich fest: Die ist nett, das wird interessant. Ich bin nicht überrascht, als sie ein paar Tage später vor mir steht: Eher klein und zart gebaut, lange, rote Haare unter der schwarzen Schildkappe, schwarzes T-Shirt mit Totenkopf, die Arme mit Tattoos überzogen, dazu strahlend blaue Augen und ein entwaffnendes Lächeln – ein rockiger Paradiesvogel, der in St. Johann gelandet ist. Wie kam’s?
Colleen erzählt, dass sie in Mainz geboren wurde und als junge Frau nach Berlin zog, um sich dort zuerst zur Kauffrau für audiovisuelle Medien ausbilden zu lassen um anschließend einen der begehrten Studienplätze an der Filmuniversität Babelsberg zu ergattern. Bis Ende 2022 produziert sie als „Junior-Producerin“* Werbefilme für so große Unternehmen wie Volkswagen und die Telekom. Sie lernt viel in dieser Zeit, und doch zieht es sie in den Süden, in die Berge. Denn sie hat im Urlaub ihre Liebe zum Wandern entdeckt: „Ich wollte dann nicht mehr auf Ferien und freie Tage warten, um rausgehen zu können in die Natur.“ Sie bewirbt sich bei einer Filmproduktionsfirma in München und wird sofort eingestellt. Einzige Bedingung: Sie muss die meiste Zeit in Tirol wohnen, weil dort gedreht wird. Um welche Serie es sich handelt? Um keine geringere als um den „Bergdoktor“. Nun möchte man meinen, dass Colleen mit ihrem Rocker-Outfit und die heile Welt des „Bergdoktors“ zwei Universen sind, die nicht zu vereinbaren sind. Aber so ist es nicht, im Gegenteil: „Ich habe vorher zwar nie eine Folge gesehen, aber ich kannte das Format natürlich und wusste um seine Popularität. Für mich war es eine Riesenchance, bei so einer erfolgreichen Produktion mitzuarbeiten“, sagt sie mit einem Leuchten in den Augen. Inzwischen habe sie viele Folgen nachgeschaut, erzählt sie, sie habe sich auf Stand gebracht.

Liebe auf den ersten Blick

Seit 2023 ist Colleen Teil des „Bergdoktor“-Teams, vor ein paar Wochen ist sie von der Junior Producerin zur Producerin aufgestiegen – ein toller Karriereschritt. Ihre Wohnung in München hat sie bald aufgegeben, inzwischen ist sie in St. Johann gemeldet. „Ich bin offiziell eingewandert, habe einen Hauptwohnsitz und versteuere alles hier“, betont sie – wohl im Wissen um die Brisanz des Themas.
Sie hat nicht nur eine Wohnung in der Marktgemeinde gefunden, sondern inzwischen auch viele Freunde – und ihre große Liebe Fabian.­ Kennengelernt haben sich die beiden bei einem Homebase-Vereinstreffen, „es war Liebe auf den ersten Blick!“ Colleen engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich, wo immer sie auch gerade lebt. „Weil man von den Menschen, denen man hilft, viel zurückbekommt. Es ist einfach ein schönes Gefühl, wenn man helfen kann.“ Als sie in die Region kam, nahm sie gleich Kontakt mit dem Freiwilligenzentrum auf, wo man sie an die Homebase verwies. „Besser hätte es nicht kommen können!“

Die beste Entscheidung

Natürlich will die Wahl-St. Johannerin bleiben. Bei Fabian, bei den Bergen und auch bei ihrem Job. „Hierherzukommen, war die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt die 33-Jährige begeistert. In der Homebase ist sie Teil des neu gewählten Vorstands, hilft bei der Medienarbeit und ist seit einiger Zeit auch für das Thema Kunst und Kultur zuständig: Lokale Künstlerinnen und Künstler sollen in der Homebase die Möglichkeit finden, ihre Werke zu präsentieren. Mit Colleen ist dafür die richtige Person gefunden, sie selbst ist ja ein Kunstwerk mit den vielen Tattoos. Was hat es damit auf sich? Sie habe immer schon tätowiert sein wollen, gesteht Colleen. Mit dem ersten selbst verdienten Geld sei es losgegangen. Der Körperschmuck und die Musik – am liebsten hört sie „Hardcore“ und „Punk“, also richtig schnelle und harte Musik – gehören für sie zusammen. Anfangs sei beides eine Art Rebellion gewesen, heute findet sie es einfach nur schön, dass sich verschiedenste Tattoo-Künstler:innen mit ihren Werken auf ihrem Körper verewigen. „Die Motive müssen auch gar nicht immer eine Bedeutung haben“, findet sie.

Der Kulturschock blieb aus

Die Übersiedlung von der Großstadt Berlin in das „Dorf“ St. Johann habe nicht den erwarteten Kulturschock mit sich gebracht, erzählt sie. Dabei war sie von Freunden davor gewarnt worden und mit ihrem beruflichen Schritt auch auf viel Unverständnis gestoßen. „Viele meinten, ich passe hier nicht hin, und dass auch der Bergdoktor nichts für mich ist.“ Und nun passt sie doch hin: zum Bergdoktor und in die Marktgemeinde. „Als ich hergekommen bin, habe ich nicht eine einzige blöde Erfahrung gemacht und mich auf Anhieb in Land und Leute verliebt“, gesteht sie. Nun ja, wie man in den Wald hineinruft, heißt es …
Mit ihrer Vorliebe für „Punk“-Musik ist sie bei uns jedenfalls nicht allein. Man finde hier ein weit größeres und breiteres Kulturprogramm, als man annehmen könne, so Colleen. Vor allem die Alte Gerberei habe sie mit ihrer Vielfalt überrascht. „Da sind so viele Leute, die wie ich sind. Das ist wahnsinnig schön und es tut mir leid, dass das von den Großstädtern einfach so abgetan wird.“

Lebensqualität

Das Schönste für sie seien aber die Natur und die Ruhe in der Region. „Nach einem stressigen Arbeitstag geht man einfach raus, man geht noch klettern oder radeln und muss dafür nicht zuerst stundenlang mit dem Auto fahren. Das ist Lebensqualität.“ Ihre Ziele fürs weitere Leben haben auch mit dem Bergsport zu tun: „Ich will beim Klettern noch besser werden und irgendwann auch mal einen Viertausender schaffen.“ Außerdem gebe es noch Potential beim Skifahren, gesteht sie. „Das mit 32 zu lernen ist echt nicht leicht. Aber ich will auch Skitouren gehen können, und deshalb bleibe ich dran.“ Beruflich will sie sich beim Bergdoktor weiterentwickeln, abgesehen davon kann sie sich vorstellen, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Das eine sollte das andere nicht ausschließen. Colleen träumt auch von einer Reise nach Japan. Gerne würde sie dieses Land gemeinsam mit Fabian entdecken. Auf der Hochzeitsreise vielleicht? „Vielleicht“, sagt sie lachend.
Wenn ich schon einmal die Producerin des „Bergdoktors“ vor mir habe, muss ich sie natürlich fragen: Wie geht es in der Serie weiter? „Es wird zum Staffelende eine wirklich große Überraschung geben“, verrät sie. Mehr aber auch nicht, natürlich. Die Fans dürfen gespannt sein …
Doris Martinz

* Was machen Filmproduzent:innen / Producer:innen genau?
Produzent:innen sind in allen Phasen verantwortlich für den technischen und den wirtschaftlichen Erfolg: Von der Stoff- und Drehbuchentwicklung über die Projektentwicklung, die Filmkalkulation und Filmfinanzierung, die Produktion bis hin zur Postproduktion und Fertigstellung der Nullkopie bzw. des Sendebandes. (Wikipedia)