Das EKIZ in St. Johann bietet Weiterbildung und Hilfestellung bei allen Themen rund um das Thema Familie.

Mit der Geburt eines Kindes ändert sich viel im Leben der Eltern: Aus der Paarbeziehung wird eine Familie, oft steht eine Veränderung der Wohnsituation an, das Berufliche muss neu geregelt werden. Es ist eine Lebensphase, die viele unvergesslich schöne Momente mit sich bringt, mitunter aber auch offene Fragen und Unsicherheiten. Jene beginnen oft schon mit dem positiven Schwangerschaftstest. Was ist jetzt gut für die Mutter, was für das sich entwickelnde kleine Lebewesen? Soll man ihm wirklich schon Musik vorspielen, oder ist das Humbug? Antworten auf diese und unzählige weitere Fragen finden Interessierte im neuen Eltern-Kind-Zentrum (EKiZ) in St. Johann. Hier treffen sich Menschen in ähnlichen Lebensphasen, man trifft sich, tauscht sich aus und hilft sich gegenseitig. Der Verein erfüllt einen wichtigen Bildungsauftrag und bietet Wissensvermittlung wie zum Beispiel Schwangerschaftskurse, Stillberatung und weitere Kurse, die die Entwicklung von Kindern in allen Phasen begleiten und den Eltern Beratung und Orientierung anbieten. „Vor allem geht es darum, die Bindung zwischen Eltern und Kind zu stärken, denn wenn die Bindung gut ist, geht vieles von selbst“, weiß Tanja Lemann. Die 54-Jährige gründete den Verein EKiZ gemeinsam mit Miriam Steiger.

Der Faktor Mensch

Tanja Lemann stammt aus Schliersee (Bayern) und zog gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Thomas vor drei Jahren nach St. Johann. Sie studierte Wirtschaftsingenieurwesen und arbeitete im Projektmanagement. „Auch in diesem Bereich ist der Mensch ein wichtiger Faktor, allerdings einer, der meist vernachlässigt wird“, erzählt Tanja von ihren Erfahrungen. Sie entschied sich deshalb, eine Coachingausbildung zu absolvieren, in deren Zuge sie sich auch intensiv mit sich selbst auseinandersetzen musste. „Das war eine sehr wertvolle Zeit für mich.“ Seit drei Jahren geben Tanja und Thomas ein Magazin mit dem Titel „LEBENS.WERTE“ heraus, das sich auch mit dem Thema Gemeinschaft auseinandersetzt. „Noch bevor Menschen Kinder in die Welt setzen, sollten sie sich darüber im Klaren sein, welche Werte sie ihnen mitgeben wollen. Wir wollen mit unserem Magazin mündige Bürger mehr in die Selbstverantwortung bringen.“

Ein Volltreffer

Miriam Steiger fiel eines Tages das Magazin in die Hände, es gefiel ihr auf Anhieb. Sie hat „einige Schleifen im Leben gemacht“, wie sie selbst sagt. Die 38-Jährige wuchs in Hochfilzen auf und lebte ein paar Jahre in St. Johann, bevor sie sich in der Innsbrucker Gegend niederließ und dort eine Familie gründete. Ihr Sohn ist jetzt vier Jahre alt, Miriam kam zurück in die Marktgemeinde. Auch sie kommt ursprünglich aus dem Baugewerbe, sie absolvierte die HTL Tiefbau und war in diesem Bereich sogar in der Gemeinde St. Johann beschäftigt. Solange, bis sie merkte, dass sie eigentlich noch viel lieber mit Menschen arbeiten würde und die Ausbildung zur Ergotherapeutin machte. Sie ist inzwischen bei den „Heilpädagogischen Familien“ angestellt, einer In­stitution, die sich der mobilen (Früh-)Förderung von Kindern und Jugendlichen im familiären Umfeld widmet. Als sie heimzog, suchte sie Angebote für sich und ihren Sohn und wurde nicht fündig. Diese Tatsache und ihre Erfahrungen im Job führten ihr vor Augen, dass in „Sainihåns“ ein Eltern-Kind-Zentrum fehlt. Anfangs des Jahres hatte sie bereits einmal ein Eltern-Kind-Treffen im JUZ (Jugendzentrum) arrangiert und dabei festgestellt, dass der Bedarf „riesig“ war. Sie wandte sich an Tanja, die Herausgeberin von „LEBENS.WERTE“, die – zumindest nach den Inhalten des Printwerks zu urteilen – dieselben Werte und Ziele wie sie selbst zu verfolgen schien. Die beiden Frauen trafen sich, tauschen sich aus und … „Volltreffer“, sagt Miriam lachend, „anders kann man es gar nicht nennen. Wir haben uns sofort verstanden und gemerkt, dass wir gemeinsam etwas Wichtiges schaffen können.“

Gibt es zu viel Liebe?

Mit 18. September nimmt das neue EKiZ seine Arbeit auf. In den nächsten Monaten werden die verschiedensten Themen in den Fokus rücken, zum Beispiel auch ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) bei Kindern. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich gerade Mütter mit schwierigen Kindern oft sehr einsam fühlen“, so Miriam. In Kursen sollen Eltern beispielsweise erfahren, dass sie die Konzentrationsfähigkeit ihres Kindes fördern, indem sie es beim Spielen nicht unterbrechen, sondern ihm Zeit geben, einen Gegenstand ausführlich zu betrachten und inspizieren. „Mit Prävention kann man oft sehr viel erreichen“, weiß sie. Ganz allgemein sollen Kurse unter anderem auch dazu beitragen, Geschwindigkeit bei der Kindererziehung herauszunehmen, erklärt Tanja. „Babys und Kinder entwickeln sich in ihrem ganz eigenen Tempo, da braucht es in vielen Fällen mehr Gelassenheit.“
Auch Partnerschaft wird ein Thema sein. „Welche Ängste hat beispielsweise der Mann, wenn in der Beziehung jemand dazukommt? Die Zeit ist reif, sich solchen Fragen zu widmen“, ist sich Tanja sicher. Längst habe ein Paradigmenwechsel stattgefunden, sagt sie.
Die Großväter hätten früher keinen Kinderwagen geschoben, jetzt laufen die Väter mit der Babytrage herum. „Großartig!“ Auf der anderen Seite würden sich jedoch auch noch alte Denkmuster halten. „Da heißt es zum Beispiel, dass man Babys nicht mit zu viel Liebe und Zuneigung verwöhnen soll“, sagt Tanja kopfschüttelnd. „Reine Liebe ist die Basis von gesundem Wachstum, davon kann man nicht genug geben! Wichtig ist nur zur wissen, wie man das am besten macht!“ Das Ausbildungsprogramm soll die Intuition von Müttern und Vätern stärken; sie sollen ihren Kindern starke Wurzeln und eines Tages Flügel geben können.

Für glückliche Arbeitnehmer:innen von morgen

„Es gibt so viele Dinge, die man versteht und richtig machen kann, wenn sie einmal jemand erklärt. Darum geht es uns, um Wissensvermittlung, damit Kinder gut gedeihen können und Familien entspannt und glücklich sein können“, so Miriam.
Das sei auch für Unter­nehmer­:innen von Interesse, so Tanja. Wenn es in den Familien gut funktioniere, wenn Mütter und Väter entspannt seien, wirke sich das am Arbeitsplatz positiv aus. Außerdem werden ausgeglichene, glückliche Kinder eines Tages zu motivierten Arbeitnehmer:innen …
Das Team des EKiZ wendet sich deshalb auch an die Unternehmer:innen mit der Bitte um finanzielle Hilfe. „Noch ist die Finanzierung schwierig, weil wir unterm Jahr gegründet haben und die zugesagten Förderungen noch nicht fließen“, so Tanja. Die Gemeinde St. Johann unterstütze den Verein jedoch. Man suche auch die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen im Ort. Ziel sei es, sich gut zu vernetzen und gesund zu wachsen. So, wie es die Kinder tun in glücklichen Familien …

Doris Martinz

Infos und Kursprogramm auf www.ekiz-st-johann.tirol
Am 29.9. ist das EKiZ-Team mit einem Stand beim ­Wo­chen­markt vertreten.