Der VST Kitzbühel erfüllte Giacomos größten Wunsch: Er schenkte ihm einen Partnerhund. „Pauli“ zog nun ein.
Wenn Pauli in seinem jugendlichen Ungestüm die kleine gelbe Plastikente mit den Zähnen packt, sie mit einem Ruck hoch in die Luft wirbelt und sie so das fliegen lehrt, vergisst Giacomo alles andere. Er vergisst den Rollstuhl, die Schienen an seinen Beinen, das enge Korsett, das seinen Brustkorb einschnürt, und schüttelt sich vor lachen. Mit strahlenden Augen erzählt er während meines Besuchs bei ihm zu Hause in Kirchdorf davon und von anderen Begebenheiten mit dem Vierbeiner, die sein Herz vor Freude zum Hüpfen bringen. In den wenigen Wochen, seitdem er in das Reihenhaus der Familie Canella in Kirchdorf eingezogen ist, ist der ausgebildete Partnerhund Giacomos bester Freund geworden. Er bringt den 12-Jährigen zum Lachen, er hilft ihm durch den Alltag, er kuschelt und tröstet. So, wie es beste Freunde für einander eben tun.
Es begann, als Giacomo den Kindergarten besuchte: Er stolperte immer öfter, es zeigten sich erste Geh- und Gleichgewichtsstörungen.
Nach unzähligen Untersuchungen dann Anfang 2019 der Gentest an der Universitätsklinik in Innsbruck. „Nach exakt zwei Monaten und zehn Tagen bekamen wir die Diagnose“, erzählt Alberto Canella, Giacomos Vater. Er erinnert sich ganz konkret an die Zeitspanne, denn jeder Tag des Wartens bedeutete quälende Ungewissheit. Die Diagnose zog ihm und seiner Frau Sigrid, Giacomos Mutter, für Momente den Boden unter den Füßen weg – sie lautet „Friedreich-Ataxie“, eine seltene, erbliche bedingte Erkrankung des zentralen Nervensystems, die fortschreitende Koordinationsstörungen und andere neurologische Symptome mit sich bringt. Nur eine Handvoll Kinder in Österreich leidet unter der Erkrankung, in den letzten Monaten beschleunigte sich der Verlauf bei Giacomo – er ist jetzt auf den Rollstuhl angewiesen. Dennoch besucht er die Mittelschule und schloss das Schuljahr heuer mit der Unterstützung durch seine persönlichen Assistentin erfolgreich ab. „In Deutsch tut sich Giacomo nicht ganz leicht, aber sonst ist er ein guter Schüler, er ist absolut ein Vifzack“, freut sich seine Mama.
Das schönste Weihnachtsgeschenk
Schon lange ist es für Giacomo schwierig bis unmöglich, mit den Freunden und Kollegen in der Schule mitzuhalten. Deshalb wünschte er sich seit Jahren einen Partnerhund, einen besten Freund auf vier Pfoten. Doch wie sollte die Familie die hohen Kosten von 25.000,– Euro für das Tier stemmen?
Es schien aussichtslos. Da erfuhr Alberto über Thomas Neuner, jener ist seit Jahren mit seiner Firma Sponsor vom VST Kitzbühel, und wandte sich hilfesuchend an den Verein. Die Entscheidung fiel schnell: Am Heiligen Abend 2023 überbrachte Thomas Spindler Giacomo die frohe Nachricht, dass der Verein den Partnerhund finanzieren würde. „Das war das schönste Weihnachtsgeschenk, das es gibt“, so drückt es Giacomo aus und strahlt dazu von einem Ohr zum anderen. Doch er hatte sich zu gedulden, der Hund musste erst noch bei Partnerhunde Österreich in Salzburg ausgebildet werden. Und als auch Giacomo und seine Familie die notwendigen Schulungen im Umgang mit dem Tier absolviert hatten, konnte Pauli im Juli dieses Jahres Teil der Familie werden.
Pauli ist ein „Labret“, eine Mischung aus Labrador und Barbet, und 16 Monate alt. Er hat lange Beine, einen gedrungen-sportlichen Körper sowie schwarze Locken, und
sein treuherziger Blick bringt Eisberge zum Schmelzen. Pauli hebt für Giacomo Dinge vom Boden auf, öffnet Türen, schaltet das Licht ein und aus und vieles mehr. Das Wichtigste aber: Er ist Giacomo ein treuer Freund an guten und weniger guten Tagen und bringt viel Fröhlichkeit ins Haus. Alle lieben Pauli, auch Giacomos älterer Bruder Angelo hat ihn schon fest ins Herz geschlossen. Nur Katzendame Camilla hat Vorbehalte, sie war schließlich schon vor ihm da und weiß augenscheinlich nicht so recht, wie sie den neugierigen, übermütigen Kerl einschätzen soll. Manchmal kommt die Liebe etwas später …
Beispiellose Aktion
Als Thomas Spindler vom VST letztes Jahr die Familie Canella besuchte, beobachtete er Mama Sigrid dabei, wie sie ihren Sohn auf ihrem Rücken die Treppen hinauf in den ersten Stock trug, um ihn ins Bad und ins Kinderzimmer zu bringen. Das war auf Dauer untragbar und gefährlich, soviel war Thomas sofort klar. Seine Vereinskollegen teilten diese Meinung, und man beschloss, der Familie auch in dieser Hinsicht zu helfen. Es folgte eine beispiellose Aktion: Innerhalb weniger Wochen baute man heuer im Frühjahr unter der Leitung von Architekt Clemens Pletzer (ebenfalls ein VST-Mitglied) den Wohnbereich komplett um, verwandelte das Wohnzimmer in Giacomos Kinderzimmer, baute beim Eingangsbereich an und richtete im Erdgeschoß ein geräumiges, barrierefreies Bad ein, in dem sich Giacomo im Rollstuhl frei bewegen kann. „Giacomo hat sich wahnsinnig gefreut und ist unglaublich stolz auf seine neuen Räume“, schildert Mama Sigrid die Emotionen ihres Sohnes. Vor allem erleichtert der Umbau nun Giacomos Pflege und Betreuung.
Möglich wurde das Projekt dank der großzügigen Unterstützung der Partnerfirmen des VST aus dem Baubereich, die ihre Leistungen kostengünstig zur Verfügung stellten.
Für Papa Alberto ist das, was der VST ermöglicht hat, fast unglaublich: „Nie im Leben hätten wir daran gedacht, dass es Menschen gibt, die uns einfach so, ohne dass man sich kennt, auf diese großartige Weise helfen. Für uns ist das wie ein Wunder.“ Er sucht nach den richtigen Worten. „Toll ist zu wenig gesagt. Es ist einfach grandios.“
Dankbar ist er auch für die Unterstützung, die von den diversen Serviceclubs und anderen Stellen kommt: „Niemand kann uns unser Schicksal abnehmen. Aber die Hilfe zeigt uns, dass wir nicht alleine sind, sondern dass es Menschen gibt, die Anteil nehmen. Das tut gut.“
Wie ein Löwe
Alberto Canella hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Erkrankung seines Sohnes auseinandergesetzt, sich viel Fachwissen angeeignet und den Kontakt zu einer ebenfalls betroffenen jungen Frau in seiner ursprünglichen Heimat Italien hergestellt. Jene hat das Studium der Bio-Molekularen Medizin absolviert und unternimmt nun intensive Forschungen auf dem Gebiet der Friedreich-Ataxie – um sich selbst und anderen Erkrankten zu helfen. Alberto kämpft in der Klinik in Innsbruck, im Gespräch mit Ärzten und bei Verhandlungen mit der Krankenkasse wie ein Löwe für seinen Sohn. Während ihr Mann sich auf das Medizinische konzentriert, kümmert sich Sigrid hingebungsvoll um Giacomo – die Elternteile ergänzen sich.
Die Canellas stehen auch mit den Eltern anderer betroffener Kinder in Austausch. Bei einem Bub in Linz wurde kürzlich ein neues Medikament eingesetzt – es wirkt. „Wir haben bisher wie in einem dunklen Tunnel gelebt. Jetzt schimmert an seinem Ende ein Licht“, beschreibt Alberto seine Gefühle. „Niemand darf aufgeben“, sagt er mit Nachdruck. Das hat er nicht getan, nie. Auch früher nicht, in der Zeit, als er selbst als Waisenkind in einem Heim aufwuchs. Er hat massive Probleme mit dem Rücken, sein Rückgrat wurde zum Teil versteift. Er darf nicht schwer heben, seinen Sohn nicht tragen. Dank des Umbaus im Haus fühlt er sich nun sicherer. Auch Sigrid sagt: „Wir müssen stark bleiben für Giacomo.“
Bei anderen Krankheitsbildern gelang es mittlerweile, mit einer Genkorrektur eine völlige Heilung zu erzielen. Diese Therapie kostet aktuell fast zwei Millionen Euro und wurde bei der Friedreich-Ataxie noch nie angewandt. Dennoch hoffen Alberto und Sigrid, dass Heilung für ihren Sohn eines Tages möglich sein wird. Es wäre ein weiteres Wunder.
Giacomo liebt es, mit einer Art E-Roller, der den Rolli zieht, um den Häuserblock zu düsen. Dass das Gerät nur geliehen ist, spielt keine Rolle, es verleiht ihm das wunderbare Gefühl von Freiheit. Mama Sigrid oder sein Bruder Angelo müssen ganz schön sprinten, um das Tempo halten zu können. Pauli saust und tollt nebenher und bringt alle zum Lachen. Und in der Nacht, wenn alles schläft, springt er zu Giacomo ins Bett und schmiegt sich ganz dich an ihn. Dafür braucht es keine Befehle oder Aufforderungen. Das Tier spürt, dass es gebraucht wird, dass seine Liebe und Treue die kleine Seele trösten. Mehr als es ein Roller oder alles andere vermögen.
Doris Martinz
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