Christiane Grander, Obfrau des Reitvereins Kummerstein, erzählt vom ersten Georgiritt in St. Johann seit langer Zeit.
„Wow, so viele Zuschauer, seht ihr das?“, rief Christiane ihren Vereinskolleginnen heuer schier fassungslos zu, als sie beim Georgiritt Ende April auf den Kirchplatz zu ritten. Hunderte waren gekommen, um das Spektakel, den Einzug der 48 prächtig herausgeputzten Pferde, zu verfolgen. Auch einige Kutschen rollten ins Ortszentrum, festlich geschmückt; Ösen und Schnallen glänzten im Sonnenlicht. Hufe klapperten, Rösser schnaubten, und alle „Rossnarrischen“ strahlten.
Es war nach Jahrzehnten wieder die erste Pferde-Wallfahrt zu Ehren des Heiligen Georg, die in „Sainihåns“ stattfand. Organisiert wurde sie vom Reitverein Kummerstein in St.Johann, federführend war Obfrau Christiane Grander.
Selbst ein Pferdefan, treffe ich mich mit ihr nicht im Ort, sondern natürlich auf dem Kummersteinhof, Namensgeber des Vereins und Zuhause einer Herde kleiner und großer Pferde. Interessante Farbe für ein Pony, denke ich mir, als ich mich dem Hof mit dem Auto nähere. Sekunden später stelle ich fest, dass es sich bei dem „Pony“ um eine zweifarbige Ziege handelt, wohl um eine Walliser Schwarzhalsziege, deren vordere Körperhälfte schwarz und die hintere weiß behaart ist. Die großen Hörner sind, von Nahem betrachtet, auch nicht zu übersehen. Ups.
Aber immerhin: Christiane erkenne ich sofort, ich hab mir zuvor ein Foto von ihr angesehen. Sie stellt mir Maria, ihre Schwiegermutter vor, und wir setzen uns zum Plaudern auf das Bankerl vor dem Bauernhof. Die Pferdeboxen sind leer, die Türen stehen weit offen, die Tiere sind in Gruppen draußen auf der Weide. Auf dem Bankerl sitzen und „ratschen“, Maria bringt ein Gläschen „Hugo“, und dazu der Blick auf die Pferde: Ich habe an jenem Tag im Mai den schönsten Job der Welt.
Pferdeliebe
Peter hat den Hof vor zwölf Jahren gepachtet. Einst hielt man auf dem Kummersteinhof Kühe, Peter übernahm ihn aber schon mit Rössern.Seine Mutter Maria hilft ihm mit den Tieren. Sie gehören der Familie, und auch ein paar Einsteller-Pferde sind dabei. Maria reitet selbst nicht, aber sie liebt den Umgang mit den Rössern, auch die Stallarbeit. „Wenn in der Früh noch alles ruhig ist, wenn man nur ab und zu das Schnauben eines Tieres hört oder nach dem Füttern das Mahlen der Zähne, das ist unbeschreiblich beruhigend“, schwärmt sie. Aber auch in Bewegung, draußen, gibt es immer wieder unvergesslich schöne Momente. Beispielsweise dann, wenn die Pferde die Nacht oben auf der „Etz“ verbringen und in der Früh auf Marias Rufen aus dem Nebel heraus mit so viel Kraft und Energie auf sie zu galoppieren, dass die Erde unter ihren Hufen bebt. Christiane bekommt bei Marias Schilderung einen ganz verträumten Blick. Ich wohl ebenso, aber das könnte am „Hugo“ liegen.
Seelenpferd
Christiane ist leidenschaftliche Reiterin, das Hobby nimmt viel Zeit in Anspruch. Sie ist in Teilzeit in einem Büro in Oberndorf beschäftigt. Und Mutter ist sie auch noch: Der fünfjährige Georg saust während unseres Gesprächs um uns herum und verfolgt gebannt, wie sich der abgerupfte Stiel eines Löwenzahns im Brunnenwasser kringelt. Natürlich reitet er schon. Außerdem habe er ein feines Gespür für die Tiere, sagt Maria.
Sein Vater Peter, Christianes Mann und Marias Sohn, hat dafür mit Pferden kaum etwas am Hut, er arbeitet bei der Bergbahn in St. Ulrich. Dass seine Frau Reiterin ist, ist glücklicher Zufall. Wobei alles auch anders hätte kommen können: Christiane erzählt von einem schweren Reitunfall, bei dem sie einen angebrochenen Lendenwirbel davongetragen hat. Jahrelang war sie nicht mehr in den Sattel gestiegen und hatte schon überlegt, sämtliches Reitzeug wegzugeben. Aber dann lernte sie Peter kennen, kam auf den Hof und spürte sofort die Verbindung zu „Sandy“, einer älteren, sanften Tinkerdame*. „Die Sandy ist ein echtes Seelenpferd“, sagt Christiane. Sie habe zu dieser Stute Vertrauen fassen und die Reiterei wieder aufnehmen können. „Für mich bedeutete das die Bewältigung eines Traumas, das war ein großer Schritt.“ Er kann nur mit einem ganz besonderen Pferd gelingen … Sandy war beim Georgiritt im April mit dabei.
Große Pläne
Wie kam man im Reitverein überhaupt auf die Idee, den Georgiritt in St. Johann, ein großes Pferdefest, wieder aufleben zu lassen? „Wir haben den Verein erst letztes Jahr gegründet, haben 30 Mitglieder und wollten uns den Leuten in irgendeiner Weise vorstellen, etwas anreißen“, berichtet Christiane. Außerdem heißt Christianes Sohn Georg. Der Weg zur Idee des Georgiritts war damit ein kurzer. Schon vor einem Jahr fingen die Mitglieder rund um den Vorstand mit den Vorbereitungen an. Vor allem hieß es Klinkenputzen bei möglichen Sponsoren. „Dankenswerter Weise haben sich einige bereiterklärt, unser Vorhaben zu unterstützen, und auch vom TVB ist Hilfe gekommen“, so Christiane. Viele Reitvereine kündigten ihre Teilnahme an, sodass man bei der Veranstaltung schließlich auf insgesamt 48 Pferde kam. „Damit sind wir fürs erste Mal super zufrieden!“
Christiane erzählt, ihr Sohn habe ihr versprochen, nächstes Jahr die musikalische Umrahmung der Veranstaltung zu übernehmen – gemeinsam mit dem Papa. Dass weder er selbst noch sein Vater ein Instrument spielen, scheint für den jungen Mann kein Problem zu sein. In einem Jahr kann ja auch noch viel passieren. Pläne und Selbstvertrauen sind jedenfalls groß.
Ob mit oder ohne Musik aus den Reihen der Familie Grander: Der Georgiritt soll in St.Johann wieder Tradition werden, mit viel Publikum, prächtig herausgeputzten Rössern und strahlenden Gesichtern überall.
Doris Martinz
*Tinker sind eine irische Pferdrasse