Ursula Beltermann ist die erste Obfrau der Musikkapelle St. Johann. Warum sie sich nicht in einen Musikanten verlieben wollte und mehr …
Dreimal lehnte sie ab. Vor eineinhalb Jahren kam dann endlich ein Ja von ihr: Ursula willigte ein, Obfrau der „Musig“, der Musikkapelle St.Johann, zu werden. Der Verein bekam damit die erste „Chefin“ in seiner Geschichte. Generell sind Obfrauen bei Musikkapellen dünn gesät. „Weil das Amt einiges an Erfahrung voraussetzt und Frauen nach der Familiengründung oft nicht mehr in den Verein zurückkommen“, weiß Ursula. Kinder, Haushalt, Beruf und dann auch noch der Verein – für viele ist das nicht zu stemmen. Sie selbst schaffe es nur, weil Franz, ihr Mann, ihr immer den Rücken freigehalten habe und die drei gemeinsamen Söhne nun aus dem Gröbsten heraus seien, erzählt die 51-Jährige Kirchdorferin.
Wie kommt es denn überhaupt, dass die „Kischdorferin“ Mitglied der Musikkapelle St. Johann ist? „Die Kirchdorfer haben damals noch keine Mädchen aufgenommen“, erzählt Ursula schmunzelnd. Damals, das war Ende der 80er Jahre, da war so etwas noch ein Thema. Ursula hatte als Instrument die Querflöte gewählt – unterstützt vom Vater, der als Kind selber nie die Möglichkeit bekommen hatte, ein Instrument zu erlernen.
15 Jahre alt war Ursula, als sie ihren Platz im Register einnahm. Zwei Mädels waren sie zuerst, allein unter all den Buben und Männern. „Aber es ist uns immer gut gegangen, die haben sich gut um uns gekümmert.“ Weitere Mädchen kamen nach und nach dazu. Gerade vor Kurzem habe sie sich mit Kolleginnen an diese Zeit erinnert und daran, wie lustig und nett sie es hatten, erzählt sie. Die jungen Mädchen lernten – wie auch ihre männlichen Kollegen – sich einzufügen in die Gemeinschaft und ihre vielen Vorzüge zu schätzen.
75 Termine im Jahr
Ihren Mann Franz lernte Ursula auf einem Fest kennen und lieben. Zum Glück ist und war er kein Musikant, „weil ich habe mir vorgenommen, mich nicht in einen Musikanten zu verlieben. Wer soll da auf die Kinder aufpassen?“, so Ursula. Franz war und ist Mitglied und Kassier der Oppacher Schützenkompanie in Jochberg, das passt: Sein Verein rückt weit weniger oft aus als die Musig, aber gleichzeitig versteht er, was es heißt, bei einem Verein zu sein und dort auch Verantwortung zu übernehmen. Er schaute in den letzten beiden Jahrzehnten auf die Kinder, wenn Ursula unterwegs war. Das war recht oft der Fall: Zirka 75 Einsätze bei Proben, Konzerten und Ausrückungen stehen jährlich auf dem Programm, und da ist die ehrenamtliche Tätigkeit im Vorstand noch nicht mitgerechnet. Ursula fehlte bei Einsätzen nur selten. „Das muss ein Partner erst mitmachen“, ist sie sich bewusst. Sie ist ihrem Franz dafür heute noch dankbar. Ohne ihn wäre sie heuer nicht schon das 36. Jahr Mitglied der Musig. Viele Jahre war sie für die Medienarbeit zuständig.
Nach wie vor schätzt Ursula die Gemeinschaft mit all den anderen mehr als 60 Musikantinnen und Musikanten aller Altersklassen unter Kapellmeister Reinhold Wieser, und natürlich die Musik selbst. „Das Miteinander und die Musik, das gehört beides zusammen. Wenn du bei einem Konzert auf der Bühne sitzt und merkst, wie begeistert die Leute sind, dann macht das schon was mit einem“, beschreibt sie das Glücksgefühl, das sie auch nach so vielen Jahren beim Musizieren immer noch verspürt.
Dennoch: Familie, Haushalt, ein 30-Stunden-Job im Reisebüro, die Musig und die Tätigkeit als Obfrau des Vereins: „Das ist oft ganz schön viel.“ Sie müsse sich manchmal bewusst machen, erklärt Ursula, dass sie als Obfrau eine ehrenamtliche Tätigkeit ausführe. „Nicht alles kann perfekt sein, man kann nicht die Welt retten.“
Außerdem unterstütze sie der Vorstand. Ihm gehören auch junge Leute an, die sich über das Musikalische hinaus im Verein engagieren. Ursula sieht sich als ihre Mentorin und Förderin.
Jugendarbeit im Fokus
Obfrau zu sein, habe natürlich aber auch Vorteile, räumt Ursula ein – man habe mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Ein Thema, das sie in den nächsten Jahren vorantreiben will, ist die Jugendarbeit. „Bei fast 10.000 Einwohner:innen und einer großen Musikschule müssten wir einfach noch mehr junge Leute für ein Blasinstrument und für die Musikkapelle begeistern. Das ist aber natürlich ein Prozess, der seine Zeit braucht.“
Als Obfrau müsse sie ein Gespür für die Stimmung im Verein haben und hinhören, wenn etwas nicht passt. Die vielen Hobbys und Möglichkeiten, die man heute habe, würden sich in der Probenanwesenheit niederschlagen. „Bei der Musig lernst du, dass Verlässlichkeit wichtig ist, dass es auf dich ankommt.“
Das gilt für alle Auftritte, vor allem für die großen und außergewöhnlichen, wie sie die Musig während ihrer Chinareise 2019 absolvierte. Oder beim Tongemälde „Escapes“ im Salzburger Dom. Oder auch bei der „Feuerwerksmusik“ am Hauptplatz in St. Johann. „Das waren viele einzigartige Erlebnisse für uns alle. Du bist Teil von etwas Großem, Bleibendem, das vergisst du nie.“
Die Musikkapelle ist – wie andere Traditionsvereine – ein wichtiger Kulturträger in „Sainihåns“, bei vielen Anlässen im Jahr, vor allem den kirchlichen, ist sie unverzichtbar.
Die Musikantinnen und Musikanten haben viele Fans unter den Einheimischen, sie erfahren viel Wertschätzung. Auch das ist etwas, was Ursula motiviert, weiterhin alles zu geben für „ihren“ Verein. Denn für sie war immer klar: „A bissl Musig geht nit – entweder gånz oder går nit.“
Doris Martinz