Hebamme Valentina Krug erzählt vom Wunder der Geburt und Herausforderungen, denen sich Mütter stellen müssen.
Seit es den Menschen gibt, also seit Millionen von Jahren, gebären Frauen Kinder. Eine Geburt ist damit die natürlichste Sache der Welt. Und doch ist es eines der elementarsten Ereignisse im Leben einer Frau. Nicht der Schmerz ist es, der es so unvergleichlich macht, sondern die Erfahrung, dass man als Mensch und Frau an seine Grenzen gehen kann – und darüber hinaus. Frauen in diesen Ausnahmestunden zu begleiten, ist Valentinas Aufgabe. Sie ist selbst Mutter von fünfjährigen Zwillingstöchtern und eines bald dreijährigen Sohnes. Sie weiß um die Vor- und Nachteile der verschiedenen Geburtsorte und -arten, und dass es kein richtig und falsch gibt. Sondern dass nur das zählt, was für die Gebärende im Augenblick wichtig ist. Was für sie selbst in beruflicher Hinsicht richtig war und ist, kristallisierte sich erst nach und nach heraus:
Ein Jahr lang jobbte die heute 34-Jährige nach abgelegter Matura in einem Country Club in Florida, bevor sie das Studium der Translation aufnahm – und wieder abbrach. Auch die Physiotherapie war nicht das Richtige. Beim Praktikum im Krankenhaus lief ihr jedoch eine Hebamme über den Weg. Jene riet ihr zu einem Schnupperpraktikum in Innsbruck; Valentina fing schnell Feuer und entschied sich für das Studium, das sie in Graz absolvierte. Was ist es, das sie so fasziniert am Beruf der Hebamme? „So eine Geburt ist ein Wahnsinnsakt. Der Geburtsvorgang und das, was Frauen da leisten, ist so toll! Nie sind Frauen stärker als bei einer Geburt, das hat mich sofort begeistert“, beschreibt sie ihre Motivation.
Sehr gefragt
Nach dem Studium arbeitete Valentina in einem Krankenhaus in Deutschland, in dem man Frauen eine selbstbestimmte, möglichst natürliche Geburt ermöglicht. Danach wechselte sie in das Geburtshaus in Innsbruck. Sie begleitete Frauen vor, während und nach der Geburt, lernte das ganze Spektrum kennen. Und dann kamen ihre eigenen Kinder. Angst vor der Geburt habe sie selbst nie gehabt, meint Valentina. Obwohl sie viel gesehen und erlebt habe, natürlich auch schwierigere Situationen. „Ich würde noch zehn Kinder kriegen, wenn es nur um die Geburt ginge“, lacht sie.
Heute kümmert sie sich als selbständige Hebamme immer um zwei bis sieben werdende Mütter – so viel, wie es die eigene Familiensituation erlaubt. Ihr Mann, er ist im öffentlichen Dienst beschäftigt, hat sein Arbeitspensum ebenfalls reduziert, die Eltern teilen sich die Obsorge der Kinder. Auch, damit Valentina in ihrem Beruf bleiben kann. Das ist nicht nur für die Krugs wichtig, denn es gibt derzeit nur drei selbständige Hebammen mit Kassenvertrag im Bezirk. Dabei hat jede Mutter Anspruch auf eine kostenlose Wochenbettbetreuung durch eine Kassenhebamme wie Valentina. Sie ist deshalb immer schnell ausgebucht.
Selbstbestimmtheit zählt
Auch wenn eine Geburt die natürlichste Sache der Welt sein mag: So manche Frau, bestätigt Valentina, hat in der heutigen, schnelllebigen Zeit das Vertrauen in den eigenen Körper verloren. Die Kaiserschnittrate liegt aktuell bei zirka 30 Prozent. „Ich beurteile das nicht“, sagt Valentina. Es sei völlig in Ordnung, wenn eine Frau mittels Kaiserschnitt entbunden werden wolle. Selbstbestimmtheit sei wichtig. Es gebe immer Gründe, die zu diesem Wunsch führen. „Aber der Kaiserschnitt ist ein schwerwiegenderer Eingriff in den Körper als die natürliche Geburt, das sollte man wissen.“ Sie selbst würde sich immer für die vaginale Geburt entscheiden, sofern es die Umstände zulassen. Und für eine Hausgeburt. Zurzeit begleitet Valentina keine Hausgeburten, mit drei kleinen Kindern kann sie keine Rufbereitschaft anbieten. „Aber ich bin ein Fan von außerklinischen Geburten, meinen Sohn habe ich daheim bekommen.“
Ganzheitlich betreut
Egal, ob Hausgeburt oder Geburt im Krankenhaus, ob vaginal oder per Kaiserschnitt: „Die Lebensrealitäten sind in jeder Familie anders, jede Frau hat andere Bedürfnisse. „Deshalb ist die individuelle Betreuung unumgänglich“, erklärt Valentina. Auch der Geburtsvorbereitung komme große Bedeutung zu, wie auch dem Austausch unter Schwangeren. „Frauen informieren sich heute umfassend vor ihrer ersten Geburt – über verschiedenste Kanäle wie Internet, TV oder Bücher. Gespräche mit Menschen, die in derselben Situation sind, sind umso wichtiger.“
Viele wunderschöne und erhebende Momente hat Valentina schon erlebt. „Wenn man dabei sein darf, wenn ein kleiner Mensch seinen ersten Atemzug tut, ist das immer und immer wieder etwas Besonderes.“ Natürlich bringt ihr Beruf aber auch Herausforderungen mit sich. Unbefriedigend, so sagt sie, sei es auch für sie, wenn es mit dem Stillen nicht klappen will. Was sie persönlich herausfordere, sei die Psyche der Frau: „Einzuschätzen, wie es einer Frau wirklich geht, ist nicht immer einfach. Wochenbettdepressionen sind weiter verbreitet, als man gemeinhin annimmt. Sie zu erkennen, kann schwierig sein.“ Valentina bereitet werdende Mütter auf die psychische Belastung vor und darauf, dass Depressionen kommen könnten. Sie sind nichts, wofür sich eine Mutter schämen müsste. Und es gibt Hilfe, zum Beispiel auch durch die Initiative „Gesund ins Leben“ (www.gesundinsleben.at)
„Wenn ich selbst nicht so viel Hilfe durch meine Familie gehabt hätte, wäre ich vielleicht auch in eine Depression gerutscht“, gesteht Valentina. Plötzlich Mutter zu sein, daheim zu arbeiten, und nicht mehr am Arbeitsplatz, habe sie zugleich überfordert und unterfordert. „Von einem Tag auf den anderen Haushalt und Kind zu managen, kann einem zusetzen. Zugleich kann man sich kopfmäßig unterfordert fühlen, mir ging es so.“ Das Wort „mutterseelenallein“ komme nicht von irgendwoher. „Man sitzt mit dem Baby daheim, während die anderen ihr Leben weiterleben, das kann frustrierend sein. Auch wenn man sein Baby natürlich sehr liebt und man für das Kleine da sein will.“
Sobald es die Familiensituation zulässt, will Valentina wieder im Krankenhaus arbeiten und Geburten begleiten. Im Kreissaal spielen sich die wahren Wunder ab: „Es ist ein Privileg, wenn man dabei sein darf, wie eine Frau an ihre Grenzen stößt, das Kind gebiert und so stolz ist auf das, was sie geleistet hat. Wenn eine Frau gestärkt aus einer Geburt hervorgeht: Das macht auch mich stolz und glücklich.“
Doris Martinz