Früher, erinnert sich Kundenbetreuer Reinhard Jöchl, sei es am Weltspartag vor allem darum gegangen, das Kleingeld – also die vielen Münzen, die im Umlauf waren – einzusammeln, damit man es zurück in den Kreislauf bringen konnte und nicht so viel neues Münzgeld geprägt werden musste. Um die Menschen dazu zu bewegen, ihre Groschen im ganzen Haus zusammenzutragen, Hosensäcke und Sparbüchsen zu leeren, wurde es Usus, an die fleißigen Sparer kleine Geschenke zu verteilen.
Heute, in Zeiten der Digitalisierung, in der immer mehr Bankgeschäfte online oder an den Automaten in den Zweigstellen erledigt werden, suchen die regionalen Banken am Weltspartag vor allem den Kontakt zu ihren Kundinnen und Kunden. Es ist jener Tag im Jahr, an dem sich die Teams in den Banken bei ihren KundInnen für ihre Treue bedanken. Der Tag, an dem sie persönlich so viele von ihnen treffen, wie sonst in vielen Wochen oder gar Monaten nicht. Bei Reinhard Jöchl, seit 36 Jahren Kundenbetreuer bei der Sparkasse in St. Johann, werden dabei Erinnerungen an früher wach: an dichtes Gedränge an den Schaltern und blaue Nebelschwaden vom Zigarettenrauch. „Privatsphäre, Datenschutz oder Rauchverbot waren damals noch kein Thema“, lacht er. „Aber wir freuen uns heute genauso über jede und jeden, der kommt“, sagt er, und Andreas Pretterhofer nickt bestätigend. „Jene Banken, die noch Wert darauf legen, vor Ort für ihre Kundschaft da zu sein, zelebrieren den Weltspartag, und zwar mit Freude!“ Er selbst arbeitete für einige Zeit in einem anderen Bankinstitut, in welchem dem Weltspartag keine Bedeutung mehr beigemessen wird. „Es wird einem erst bewusst, was einem abgeht, wenn man es nicht mehr hat.“
Deshalb freuen sich Pretterhofer und Jöchl auch heuer auf Freitag, den 30. Oktober – Weltspartag. Selbst, wenn er 2020 Corona bedingt anders als gewohnt ausfallen wird: ohne Bewirtung und Rahmenprogramm, damit die Abstandsregeln eingehalten werden können. Aber die Geschenke für kleine und größere Kinder, die gibt es natürlich auch heuer über die Sparwochen – 19.–30.10. – verteilt.

Nach dem Weltspartag anlehnungsbedürftig
Für die MitarbeiterInnen der Bank ist der Weltspartag DER Tag im Jahr – ein Riesenstress, „aber im positiven Sinn“, wie Pretterhofer versichert. Bei hunderten zu erwartenden KundInnen, die am „Tag X“ und in den Tagen davor in die Bank kommen, muss alles funktionieren, muss alles perfekt laufen. Dass die Summen am Abend nach Kassaschluss passen, ist heute dank modernster Technik selbstverständlich. Früher war das nicht so, erzählt Jöchl: „Überall auf den Tischen und Kästen sind 10er-Stapel der verschiedenen Münzen gestanden. Sie mussten nicht nur gezählt, sondern auch in Papier gerollt werden.“ Jöchl macht mit einer Handbewegung vor, wie das gemacht wurde. „Das kann heute niemand mehr“, sagt Pretterhofer schmunzelnd. Der 40-Jährige selbst ist zwar auch schon seit zwei Jahrzehnten im Bankeinsatz, doch Rollen musste er keine mehr Drehen.
Früher war vieles anders. Nach dem Stress am Weltspartag trafen sich die Bankangestellten im ganzen Ort zum gemeinsamen Entspannen bei einem Gläschen oder mehr. Das konnte durchaus auch länger, bis in die frühen Morgenstunden des 1. Novembers, also Allerheiligen, dauern. Mehr noch als heute war damals natürlich auch die Tradition des „Grabstehens“ verankert. „Die Bankangestellten waren da gleich zu erkennen“, erinnert sich Pretterhofer lachend, und Jöchl ergänzt: „Das waren die, die sich am Grabstein anlehnen mussten.“
Heute läuft alles gemäßigter ab, „die Menschen sind generell viel vernünftiger geworden“, sagt Jöchl.

Einblicke ins Geldleben
Für die beiden Sparkasse-Mitarbeiter ist es wichtig, dass am Weltspartag/Weltsparwoche möglichst viele junge Menschen in die Bank kommen. Selbst Vater von drei Kindern, weiß Pretterhofer, dass der Nachwuchs eine Ahnung davon haben sollte, was mit dem Geld passiert, das gespart wird, und dass die Jugend nicht nur wissen sollte, das Geld aus dem Automaten kommt, sondern auch, wie und warum es hineinkommt. „Das Geldleben ist ja kein unwesentlicher Bestandteil des täglichen Lebens, deshalb sollten Kinder einen Bezug bekommen,“ sagt auch Jöchl.
Alle Sparkasse-MitarbeiterInnen wünschen sich, dass rund um den Weltspartag möglichst viele ihrer KundInnen kommen. Es gibt sogar so etwas wie eine „Challenge“ unter den Filialen, also einen Wettbewerb. Da will jeder der Beste sein, die meisten BesucherInnen haben.
Es ist schon so: Der Weltspartag ist der „Tag des Jahres“, wie Pretterhofer sagt. Auch wenn Jöchl lachend einschränkt: „Außer dem Hochzeitstag natürlich!“

Scherz unter KollegInnen
Letztes Jahr wurden in der Sparkasse Bankfiliale St. Johann über 500 Artikel, also Geschenke, ausgegeben. Ein tolles Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Attraktiv sind für die Kunden aber nicht nur Spielzeug, Gadgets und Co, sondern auch die 3,00 % Zinsen auf die ersten 500 Euro, die Kinder sparen und 1,75 % Zinsen auf bis zu 2000 Euro für Jugendliche. Am Weltspartag werden viele „Sparefroh“-Konten/Bücher eröffnet. Dafür braucht es die Daten des Kindes und der Eltern, Passnummern, Unterschriften und so weiter. Das Prozedere ist also etwas umfangreicher. Vor zwei Jahren wurde am Weltspartag deshalb Jöchls Büro als Sparefroh-Zentrale umfunktioniert – inklusive Jöchl selbst als Kundenbetreuer. Die Nachfrage war enorm, was ja durchaus erfreulich war. Mit dem Andrang stieg allerdings bei Jöchl auch der Stresspegel, wie seine KollegInnen unschwer durch die Glaswände des Büros an seiner Gesichtsfarbe erkennen konnten. Es brachte sie auf eine geniale Idee, auf die nur „wohlmeinende“ KollegInnen kommen können: Sie ließen (gefälschte) Unterlagen drucken, die für das folgende Jahr nicht nur drei, sondern gleich sechs Prozent Zinsen in Aussicht stellten und legten sie Jöchl vor. „Was ich gesagt habe, kann ich hier nicht wiederholen“, meint Jöchl lachend, aber es habe ihn „fast der Schlag getroffen“. Pretterhofer, der die Anekdote erzählt, ist immer noch amüsiert. Spaß muss sein, auch in einer Bank!
Und auch, wenn sich die Zeiten geändert haben und so mancher Brauch verschwindet: Der Weltspartag bleibt, soviel ist sicher. Im Corona-Jahr 2020 wird er zwar mit Einschränkungen gefeiert, aber die Tradition lebt. Die „Banker“ Andreas Pretterhofer und Reinhard Jöchl freuen sich auf jeden Fall schon auf den „Tag des Jahres“.

Doris Martinz

Bitte nicht alle zugleich
Sowohl die heimischen Raiffeisenbanken also auch die Sparkasse bieten heuer aufgrund der Corona-Maßnahmen einen erweiterten zeitlichen Rahmen an – aus dem Weltspartag werden zwei Sparwochen (19. bis 30. Oktober). Obwohl beide Bankinstitute das Programm heuer aufgrund Covid-19 sehr einschränken, gibt es für die Kinder – wie gewohnt – Geschenke. Nach Möglichkeit kommt man mit den Kids schon unter der Woche vorbei, um einen großen Ansturm am Freitag, dem letzten Tag, zu vermeiden.