Der kleine Suzuki Jimny erobert alle Herzen und entpuppt sich als lukrative Wertanlage.

Stellt euch vor, ihr fährt mit eurem neuen Bentley, einem wunderschönen „Luxusgeschöpf“, das über alle nur denkbaren Systeme und hunderte von Pferdestärken verfügt, zur Tankstelle – und niemand beachtet euch. Warum? Weil an der nächsten Säule ein Suzuki Jimny gerade Kraft für das nächste Abenteuer tankt. Alle stehen sie um den kleinen Geländewagen mit den ausgeprägten Ecken und Kanten herum: der Besitzer, seine Ehefrau, der Typ von der Kassa, drei weitere Tankstellenkunden (ein frustrierter Dacia- und zwei sichtlich angetane Kia-Fahrer), und jetzt fährt sogar noch die Polizei vor, um zu sehen, was los ist. Ein Einzelschicksal? Nein. Denn der Suzuki Jimny hat das „gewisse Etwas“, von dem andere nur träumen können.

Den Nerv der Zeit getroffen

Gebaut wurde der Suzuki Jimny zum ersten Mal im Jahr 1970 – als erstes Allrad-Massenfahrzeug im japanischen Kleinstwagensegment. 2018 kam die vierte Generation heraus – ganz im Stil der zweiten Generation, die 1981 auf den Markt gekommen war. Sie traf einen Nerv – auch bei Herbert Sparer von Auto Sparer in St. Johann, seit Jahrzehnten Suzuki-Händler: „Das Retrodesign, das Echte, Unverfälschte dieses Autos hat uns alle gleich begeistert.“ Noch bevor der erste der kernigen Offroader angeliefert wurde, kamen die Anfragen herein. Was folgte, war ein Run auf den kleinen Spezialisten, der bis dahin vor allem bei Jägern und Förstern hoch im Kurs gestanden hatte. Nun riss sich die sportliche Jugend um den Wagen, um den „coolen Freizeitbegleiter“.
Auch Besitzer:innen von HighEnd Sportwagen und Edelmarken-Fahrer:innen kamen vorbei, um einen Jimny zu ergattern.
Und die Jäger:innen und Almbesitzer:-innen, die schon immer Jimny fuhren, natürlich auch. Was löste diesen Hype aus?
Eigentlich sei der Jimny ja ein sehr einfaches Auto mit Leiterrahmen, rechteckiger Optik, sehr robust, aufs Wesentliche reduziert – ein Mittel zum Zweck, so Herbert Sparer. Und genau darin liege nun wohl sein Reiz: „Du setzt dich rein, du fühlst die Straße, du fährst und bekommst jede Mulde, jeden Stein mit. Der Jimny ist robust und „grebbisch“, und genau das ist die Gaudi.“

Es geht um den Spaß

Im Anschluss an unser Gespräch darf ich selbst eine kleine Runde mit einem Jimny drehen – es fühlt sich unmittelbar und authentisch an, das Lenken artet schon fast in Arbeit aus, und zum Schalten sind andere Autos feiner. Aber darum geht es nicht. Sondern um das „Feeling“, das ein wenig an Gokart-Fahren erinnert und Erinnerungen an „die gute alte Zeit“ weckt. Der Jimny mag ein wenig altmodisch sein (pardon, man nennt das heute „retro“), aber er ist robust und unkompliziert, er passt in jede Parklücke – und macht einfach Spaß. Mit dem Jimny wird das Autofahren wieder zum Erlebnis.
Herbert erinnert sich an einen Kunden, der zu ihm ins Autohaus kam, um sich einen komfortablen Kombi für seine Wander- und Kletterausflüge zuzulegen. Vorgabe: Die Rückbank sollte man umlegen können, damit man eine Matratze hineinlegen kann – eine unkomplizierte Übernachtungsmöglichkeit. Er ging – höchst glücklich – mit dem Kaufvertrag für einen Jimny nach Hause. Fazit für Herbert: „Komfort ist nicht alles, es geht auch um Spaß!“

Der Jimny wird zum Nutzfahrzeug

Aufgrund der großen Nachfrage kam es ab 2018 zu langen Wartezeiten: Bis zu zwei Jahre lang mussten sich Jimny-Fans gedulden, bis sie ihren neuen Kumpel auf vier Rädern in Empfang nehmen konnten. Wenn er überhaupt geliefert wurde. Inzwischen nämlich machten es verschärfte EU-Vorgaben unmöglich, das Auto für den europäischen Markt zu produzieren. Mankos gibt es beispielsweise beim Aufpralldämpfer beziehungsweise Fußgängerschutz und bei den Abgaswerten. Um die erforderlichen Normen zu erfüllen, müsste man das Fahrzeug anders konzipieren, etwa die Kühlerhaube abrunden – und damit ginge die Einzigartigkeit verloren. Man brachte den Jimny stattdessen als Nutzfahrzeug mit zwei Sitzen heraus, hier gelten andere Rahmenbedingungen. „Wir haben angenommen, dass er damit nur mehr für die ursprüngliche Zielgruppe interessant sein würde“, erinnert sich Herbert. Weit gefehlt: Der Hype ging weiter.
Im Juni dieses Jahres wird die Produktion des Jimny komplett eingestellt. In den Autohäusern sind nur mehr einzelne neue Fahrzeuge zu haben, auch gebrauchte sind rar. Der Jimny hat inzwischen eine große Fangemeinde gewonnen. Eine, die viel Liebe (und Geld) in ihren kleinen „Kletterer“ steckt.
Was alles geht, zeigt Herbert Sparer, er hat sich inzwischen auf Jimny-Umbauten spezialisiert. Zurzeit hat er gerade wieder einen gebrauchten in Arbeit. Über die Fortschritte des „Project Jimny“ informiert er auf Instagram, innerhalb weniger Tage gewann er damit zig „Follower“ aus ganz Europa. Sein Jimny – er ist unverkäuflich – hat eine eigene Lackierung „perlmuttweiß mit einem zarten Schimmer von Blau“ bekommen, ein Soundsystem samt Akustik-Dämmung, man hat die herkömmliche Beleuchtung gegen moderne LED-Lichter ausgetauscht und mehr. Das Fahrzeug bekam einen Dachträger, eine Leiter am Heck, Stollenreifen. Aber der Charakter ist geblieben, der Jimny bleibt ein Jimny.
Die umgebaute Version verfügt zwar über viele moderne Gimmicks, sie fährt sich aber weiterhin direkt und „grebbisch“. „Man liebt das Auto oder mag es überhaupt nicht“, weiß Herbert. Er zählt sich definitiv zu ersteren. „Da wird der Mann zum Kind“, sagt Herbert und lacht herzlich.

Kultstatus

Der Jimny hat längst Kultstatus erreicht – das wirkt sich auch auf die Preise aus. Einem Bericht des „Handelsblatt“ zufolge gehört der Suzuki Jimny zu den vier Autos mit der höchsten Wertsteigerung. Wer 2018 für den kleinen Offroader zirka 18.000,- Euro hinblätterte, kassiert heute, wenn er das Auto verkauft, bis zu 40.000,- Euro (je nach Kilometerstand). „Für ein „customized“ (umgebautes) Modell wurden schon einmal 70.000,- Euro geboten“ erzählt Herbert. Statt auf Immobilien, Aktien oder Kryptowährungen zu setzen, könnte man sich also auch einen Jimny zulegen. Wie sich der Markt entwickeln wird, weiß man noch nicht, aber ein Ende des Hypes ist derzeit nicht abzusehen.
Amüsiert erzählt Herbert Sparer, dass nicht wenige seiner Jimny-Kunden weitere Autos im höchsten Segment in ihrer Garage stehen haben. „Aber womit fahren sie in der näheren Umgebung am liebsten? Mit dem Jimny. Damit kommt man cool, lässig und sympathisch rüber.“
Er besaß viele Jahre lang selbst einen und freut sich schon darauf, bald mit dem fertigen „Project Jimny“ unterwegs zu sein. Er fährt sonst derzeit einen Ioniq 5. „Das ist extrem interessant, das sind verschiedene Welten“, schildert er. Der Ioniq 5, ein Elektroauto, sei technisch auf dem letzten Stand und verfüge über all die Assistenzsysteme, mit denen moderne Fahrzeuge derzeit ausgestattet sind. „Am Abend steigst du aus dem Ioniq 5 aus und in den Jimny ein – und wirst um Jahre zurückversetzt. Der kleine Kraxler ist im Prinzip wie eine Zeitmaschine“, sagt Herbert Sparer schmunzelnd. Auch wenn moderne Mobilität viele Vorteile biete, fühle sich der Wechsel gut an. „Man ist im Jimny geerdeter, du spürst dich besser.“
Vielleicht ist das sein Geheimnis?
Vielleicht suchen wir wieder das Einfache, Simple, Ehrliche?
Auf jeden Fall weckt der Jimny Begehrlichkeiten. Herbert Sparer erzählt von einem Kunden, der bei einer Tankstelle für seinen kultigen Geländewagen von einem Porschefahrer nicht nur viel Aufmerksamkeit bekam, sondern gleich auch ein attraktives Kaufangebot.
Man kam nicht ins Geschäft. Denn es geht nicht immer ums Geld. Manchmal geht es einfach nur um „Jimny“.

Doris Martinz