Barbara „Bärbl“ Aschaber ist wieder am Wochenmarkt im Einsatz, wie schon seit vielen Jahren. Sie weiß: Das Beste kommt von „dahoam“.

Wie geht die 59-Jährige mit der ganzen Thematik rund um das Corona-Virus um? „Des nutzt nix, då miass ma durch“, sagt sie energisch.
Barbara Aschaber ist in Oberndorf aufgewachsen, schon von klein auf nennt ihr Vater sie „Bärbl“ – warum, das weiß sie nicht, aber niemand kennt sie anders, und wenn sie auf offiziellen Papieren mit „Barbara“ unterschreiben muss, fühlt sich das fremd an. Ihre Mutter betreibt damals, als sie zur Schule geht, eine „Fremdenpension“ – so, wie die Nachbarn rundherum auch. Mit den zehn Betten, die oft ausgebucht sind, verdingt sie ihr Einkommen, die vier Kinder müssen ein wenig mithelfen. „Wåschbecken putzen, abwåsch’n und Ribis’ln klaub’n, viel wår’s nit. Mia håm a wunderschöne Kindheit g’håbt.“ Die kleine Bärbl lernt, dass man zuerst seine Pflichten erledigt, bevor es ans Vergnügen geht. Das wird sie später auch ihren Söhnen lehren. In der Hauptschule ist sie eine fleißige und gute Schülerin. So gut, dass Gäste die Mutter dazu überreden, ihre Älteste ins Gymnasium wechseln zu lassen. Doch dort fühlt sich das Mädchen gar nicht wohl. Nach einem Monat im „Gym“ schlichtet Bärbl ihre Schulbücher zu einem schönen Päckchen zusammen, marschiert damit in die Direktion und überreicht sie dem Direktor mit den Worten: „I gib enk des z’rugg und geh dåhin, wo i g’wesen bin.“ Sie lacht schallend, als sie sich daran erinnert. Ein stilles und eher schüchternes Kind war sie damals, und die Geschichte mit den Büchern eine „Mordsaktion“, die ihr für immer im Gedächtnis bleiben wird.

Verkaufen macht selbstbewusst
Nach der Schulausbildung absolviert Bärbl eine kaufmännische Lehre im Kaufhaus Fischer in St. Johann, später arbeitet sie in einer Boutique. Das Verkaufen ist genau ihr Ding, sie entwickelt Selbstvertrauen. Bei der Trachtengruppe Hauser lernt sie Simon kennen. War es Liebe auf den ersten Blick? „Na, überhaupt nit“, schüttelt sie den Kopf. „Erst, wia ma ins besser kenneng’lernt håm, håt’s g’funkt.“ Fast jeden Tag findet damals ein Tirolerabend statt. Mit dem Geld, das sie dabei verdient, kann sie sich ihre Wohnung einrichten.
Mit 28 Jahren wird sie schwanger. Obwohl das für damalige Verhältnisse spät ist, fühlt sich Bärbl fast noch zu jung dafür. Aber für Simon passt es, und auch sie findet bald in ihre neue Rolle als Mutter des kleinen Michael hinein. Der Notheggn-Hof, Simons Zuhause, wurde im 15. Jahrhundert gebaut. Hier würde die junge Familie zwar genug Platz finden, aber der Stall ist zu klein, und außerdem befinden sich die Weiden für die Kühe auf der anderen Straßenseite. Also entschließt sich Simon, einen neuen Hof zu bauen, drüben, wo die Felder sind. Es wird der neue Notheggn-Hof – denn wohin die Kühe ziehen, geht auch der Hofname mit. Ab 1991 wohnen hier Bärbl, Simon und der dreijährige Michael, im selben Jahr wird auch geheiratet. Bärbls Schwiegermutter hilft bei der Bewirtschaftung. Das ist notwendig, denn sie bekommt noch zwei weitere Buben: Zu Michael gesellen sich Andreas und David, und mit den vier Männern im Haus ist die Jungbäuerin einige Jahre lang ausgelastet. Für die Landwirtschaft bleibt da zunächst wenig Zeit.

Bärbl wächst in ihre Rolle hinein
Aber die Jahre vergehen, die Buben wachsen heran, und Bärbl packt immer mehr mit an. „Mir håt des volle taugt!“ Sie, die Jahre zuvor noch schick gekleidet in der Boutique mit ihren Kundinnen über die neueste Mode diskutierte, steuert schließlich den Hallenkran in der Scheune. Sie schwingt sich mit Freude auf den Traktor und macht schließlich nicht einmal vor dem Lader halt. Simon hat nämlich inzwischen die Kompostierung für St. Johann übernommen, und wenn er nicht da ist, übernimmt Bärbl das Beladen der Traktoren und LKWs. „Die Fåhrer håm scho a diam komisch g’schaut am Anfang“, lacht sie. Sie hat in der Weitau die Ausbildung zum „Landwirtschaftlichen Facharbeiter“ nachgeholt, denn sie will möglichst viel darüber wissen, wie ein Bauernhof zu führen ist. Immer wieder fragt sie dabei ihren Simon, wenn ihr etwas nicht ganz klar ist. Und ist beeindruckt davon, wie gut ihr Mann, den sie eigentlich nur als „fleißigen Arbeiter“ kennt, auch in betrieblichen Dingen Bescheid weiß. Dafür schätzt sie ihn nur noch mehr.
Als in St. Johann der Wochenmarkt ins Leben gerufen wird, ist Bärbl von der Stunde Null an mit dabei. Gleich bietet sie sich als Verkäuferin an, während die anderen Bauern die Produkte liefern – ihre alte Leidenschaft schlägt durch. „Jå, volle“, schmunzelt Bärbl. Heute ist sie selbst eine von insgesamt sechs Bäuerinnen aus St. Johann, die am Wochenmarkt ihre Produkte anbieten. Die Verarbeitung der Milch zu Joghurt, Topfen und Co macht sie immer noch selber. Und das, obwohl sie vor fast zwei Jahren ausgezogen ist aus ihrem Hof in das inzwischen neu errichtete Elternhaus von Simon, Alt-Notheggn. Um der jungen Familie ihres Sohnes Andreas Platz zu machen.
Viele Jahre lang hat sie die Geschicke des Notheggn-Hofs mitgeprägt, er war ihr Zuhause, das Zuhause ihrer geliebten Tiere, der Kühe, Hühner, Katzen, … Hier hat sie ihre Kinder großgezogen, ihrer ersten „Kalberkuh“ geholfen, ist zur Bäuerin gereift. Der Umzug bedeutete nicht einen bloßen Ortswechsel – er bedeutete den Schlussstrich unter einem Lebensabschnitt, den Wechsel in ein neues Dasein. Sie ist nicht mehr Bäuerin, sondern Altbäuerin. Fiel der Abschied vom Hof schwer? „Jå!“ gibt Bärbl unumwunden zu. Deshalb ließ sie sich Zeit beim Übersiedeln, trug ihr bisheriges Leben quasi Stück für Stück über die Straße. Ein Monat lang dauerte diese Loslösung, dieses Loslassen. Doch jetzt ist der Prozess abgeschlossen, außen wie innen. Sie ist angekommen in ihrem neuen Leben – und weiterhin stark verwurzelt am Hof gegenüber. Denn die Milchverarbeitung ist ja immer noch ihre Sache. Solange, bis die junge Bäuerin ihrerseits neben ihrem Kleinkind (oder den Kindern, die vielleicht noch kommen) mehr Zeit hat für die Landwirtschaft und in ihre Rolle als Bäuerin hineingewachsen sein wird. So, wie Bärbl einst.

Helfen ist schön
Bärbls Leben ist entspannter geworden. Ihre Rolle ist jetzt, zu helfen und unterstützen. Ihre Schwiegertochter interessiert sich sehr für die Bauernschaft, „mehr, als i mi dåmois.“ Bärbl weiß, wie wichtig es ist, dass die Bäuerin ihrem Mann am Hof tatkräftig unter die Arme greift, damit der Betrieb läuft.
„Helfen is scho nu schöner als u’schåff’n“, meint sie dazu. Als einzige Frau am Hof musste sie sich oft gegen die „Manderleit’“ durchsetzen und behaupten. „I bin meine Manda scho oft z’håscht g’wesen“, lacht sie. Zusammenräumen, pünktlich sein, darüber reden, was sie wollen … das alles mussten ihre Männer lernen, ob sie wollten oder nicht, Simon inklusive. „Weil i des brauch“, sagt Bärbl. Sie ist nicht der Typ, der alles hinunterschluckt, sondern bringt Probleme zur Sprache. „Desweg’n håb i nia Magenprobleme“, ist sich die St. Johannerin sicher. Nachtragend ist Bärbl nicht. „I bin nit böse. Vielleicht amoi a Stund’. Aber dann passt’s wieder.“
Geschadet hat ihre Erziehung definitiv nicht. Alle drei Buben haben sich zu „takten“ Männern entwickelt, die mit beiden Beinen im Leben stehen. Andreas hat den Bauernhof übernommen und einiges verändert – so, wie es für ihn und auch für seinen Vater passt. David arbeitet bei der Firma Egger, Michael hat sich auf „Alt-Notheggn“ eine Wohnung und eine Zimmerei eingerichtet.

Gemeinsam unterwegs
Inzwischen ist sie vierfache Oma. Mit drei der Enkel, Michaels Kindern, lebt sie gemeinsam unter einem Dach. Das heißt aber nicht, dass die Enkel automatisch andauernd bei der Oma sind. Für Bärbl ist das in Ordnung so. Ihr ist nur wichtig, dass die Kleinen eine gute Beziehung zu Oma und Opa haben, und das ist der Fall. Bärbl liebt es, mit ihnen zum Skifahren oder Schwimmen zu gehen – sie ist eine sehr aktive Großmutter.
Während sie sich in vielen Bereichen aus dem „Tagesgeschäft“ am Notheggn-Hof zurückgezogen hat, ist ihr Mann Simon noch stärker involviert, er hat bis zu seiner Pensionierung noch einige Jahre zu arbeiten. In der warmen Jahreszeit wollen die beiden aber wieder gemeinsam viele Radausflüge unternehmen. Zu ihrem 50. Geburtstag hat Simon seiner Bärbl ein E-Bike gekauft, jetzt können die beiden zusammen die Gegend „unsicher“ machen.
Zum 60. Geburtstag, den sie im Herbst feiern wird, wünscht sich Bärbl übrigens einen 2CV, also eine „Ente“. Denn das war ihr erstes eigenes Auto. In der Steiermark hat sie auch tatsächlich einen Wagen gefunden und gekauft, und nun sind Simon und Andreas fleißig dabei, ihn zu restaurieren und fahrtüchtig zu machen. „Jeden Schraub’n måch’ns nei“, jammert Bärbl ein wenig. Und ist doch stolz darauf, wie sehr sich ihre „Buam“ für ihren Traum auf vier Rädern einsetzen. Apropos Räder: Der rot lackierte Oldtimer bekommt natürlich einen Radständer montiert, damit Bärbl und Simon mit ihren „Drahteseln“ unterwegs sein können. Während Simon schon oft weitere Touren und auch Radurlaube gemacht hat, blieb Bärbl früher bei den Kindern daheim. „Owa des håt für mi passt.“

Umso mehr freut sie sich jetzt auf die gemeinsame Zeit mit ihrem Mann. Die beiden harmonieren gut. Was ist ihr Geheimnis? Bärbl überlegt kurz und meint dann: „Woaßt, wås meiner Meinung nåch des Wichtigste is? Da Humor! Da Sima (sie nennt ihn immer so) nimmt nit ois so ernst im Leben, er håt an guad’n Schmäh und bringt mi zum Låch’n.“ Es sei aber auch wichtig, dass einer der Partner nachgebe, „am besten nit immer der Gleiche“.
Zumindest wenn es um das gemeinsame Hobby, das Radfahren geht, sind sich die beiden aber ohnehin einig. Und wenn der Radständer montiert und das Corona-Virus Geschichte ist, geht es hinein in eine schöne gemeinsame Zukunft als Altbäuerin und Altbauer mit vielen Bike-Ausflügen und einer roten Ente.
Doris Martinz