Christiane, Sigi und Manfred erzählen von ihren „wilden“ Jugendjahren, in denen sie den Weltladen ins Leben riefen.
Heuer feiern Laden und Verein ihren 40sten Geburtstag.

Hunger ist kein Schicksal“ steht auf dem grob gewebten Jutestoff zu lesen, der auf einen Karton geklebt ist. Das selbst gebastelte Plakat ist ein Relikt aus den 70er Jahren und erzählt von einer Zeit, in der große, internationale Bewegungen ihren Niederschlag auch in unserer Region fanden. Es ging um den Früchteboykott in Südafrika, um Themen wie „Jute statt Plastik“, um „Entwicklung statt Rüstung“, um die Solidarität mit dem freien Nicaragua und mehr. Es war eine Zeit des Aufbruchs, der Veränderung. Eine Zeit, in der sich viele – vor allem junge – Menschen zusammenfanden, um gegen Ungerechtigkeit zu protestieren und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Christiane und Sigi Pürstl zählten zu ihnen, und auch Manfred Wimmer.
Irgendwie erfuhren die drei damals, dass es die Möglichkeit gab, über die EZA, die Zentrale für fair gehandelte Produkte, Waren zu verkaufen und damit die Erzeuger:innen in den Herstellerländern zu unterstützen. „Und das haben wir auch gemacht. Vom Kofferraum unseres R4 heraus boten wir nach der Sonntagsmesse am Kirchplatz vor allem Kaffee und Honig an“, erinnert sich Christiane. Blutjunge 19 Jahre alt war sie damals, 1979, schon immer sozial eingestellt und voller Motivation. Eine Portion Kampfeslust brauchte sie auch: Denn in ihren guten Taten unterstützt wurden sie, ihr heutiger Mann Sigi, ihr jahrzehntelanger Freund Manfred und die anderen – eine bunte Gruppe aus Arbeiter:innen, Pädagog:innen, Hausfrauen und Schüler:innen – nicht. Im Gegenteil: Man nannte sie „Spinner“. Selbst die Kirche konnte sich nicht für ihre Aktivitäten erwärmen – sie waren zu politisch.
Kaffee und Honig verkauften sich dennoch – oder gerade deshalb – wie die warmen Semmeln, 1981 eröffnete man den ersten eigenen Laden in der Wieshoferstraße: klein, „rustikal“, direkt neben dem Hühnerstall. Dem Enthusiasmus tat die bescheidene Lokalität keinen Abbruch. Ein Jahr später wurde der Trägerverein „Aktion für eine Welt“ gegründet.
Dass sie sich weiterhin nicht kirchlich, sondern politisch engagierten, war vielen in der Marktgemeinde ein Dorn im Auge. Manfred erzählt von einer Aktion, in deren Zuge sie beim Eingang zum Knödelfest Flugzettel verteilten. „In dieser Minute verhungern … viele Kinder“ stand darauf zu lesen. „Die Gäste haben es akzeptiert, die Wirte hatten keine Gaudi mit uns“, sagt Manfred mit einem verschmitzten Unterton, in dem noch heute ein wenig Rebellion mitschwingt.
Waren er, Christiane, Sigi und die ganze Gruppe damals Aktivisten? „Das könnte man so sagen“, meint Sigi. „Aber mit dem Hintergrund, dass wir etwas Gutes tun wollen“, unterstreicht Christiane.

Im Wandel der Zeit

Ende 1988 schloss der Laden in der Wieshoferstraße, erst 1992 sperrte man in der Karl-Passage wieder auf. „Der Verkauf fair gehandelter Produkte war aber nie unser einziges Ziel“, so Manfred. „Informationsarbeit über die Hintergründe der ungerechten Handelsstrukturen gehörte bei uns zur Tagesordnung.“ Es klingt ein wenig so, als wäre es heute nicht anders. Von der Karl-Passage wechselte der Laden in die Kaiserstraße und von dort nach sechs Jahren in die Speckbacherstraße, wo er heute noch untergebracht ist. Vieles hat sich verändert: Das Sortiment ist gewachsen, die Warenpräsentation ist professionell und ansprechend und der Name des Geschäfts wurde an die 90 anderen entstandenen Läden in ganz Österreich angepasst: Er lautet seit 1995 „Weltladen“.
In den Jahrzehnten schlossen sich viele Leute dem Verein an, halfen mit und verließen die Gruppe irgendwann wieder. Christiane, Sigi und Manfred blieben. Die jungen Leute von damals sind älter geworden: 65, 71 und 69 Jahre zählen sie heute. Aber die Glut, der Wille, etwas zum Besseren zu verändern, ist immer noch da.

Eine große Familie

In all den Jahren wurden von der EZA aus 18 Reisen in die Herkunftsländer der Produkte angeboten, sie führten nach Südamerika, Afrika und Asien. Manfred war auf 17 Reisen mit dabei und dokumentierte sie als Fotograf mit Bildern und Videos. Christiane, mit Herz und Seele Kämpferin für die Sache, schaffte es kein einziges Mal, sich der Reisegruppe anzuschließen. Sigi ebenso wenig. „Das macht nichts“, sagt er. „Einige Erzeuger kamen nach Österreich, sogar nach St. Johann. So konnten wir sie persönlich kennenlernen, das war uns wichtig.“ Auf internationalen Konferenzen trafen er, Christiane und Manfred viele Gleichgesinnte und tauschten sich aus. „Der Weltladen ist eine Bewegung, eine Lebenseinstellung, das ist wie eine große Familie.“ In Deutschland gibt es immer noch die Radtour, die „Tour de Fair“, die Manfred mit initiierte, und der sich früher auch viele aus der „Familie“ in Österreich anschlossen.

Fachgeschäft für fairen Handel

Dass Kaffee- und Kakaobauern und die Hersteller verschiedenster anderer Produkte faire Preise für ihre Ware bekommen, ist den dreien heute noch ein wichtiges Anliegen. Produkte, die im Weltladen angeboten werden, erfüllen alle Kriterien des fairen Handels: Keine Kinderarbeit, gute Arbeitsbedingungen, soziale Absicherung, faire Preise – dafür steht das Team des Weltladens. Inzwischen werden FairTraid-Produkte auch im Handel angeboten. Doch da heißt es aufpassen, weiß Christiane: „Bei Produkten, die im Supermarkt angeboten werden, darf ein gewisser Prozentsatz des Produkts aus nicht fairem Handel kommen.“ „Green Washing“, murmelt Manfred in seinen Bart.
„Wir sind jedenfalls das Fachhandelsgeschäft für Fairen Handel und können unsere Kundschaft mit allen Hintergrundinfos versorgen“, so die aktuelle Vereinsobfrau Monika Petschar. Eigentlich, so meint sie, sollte der faire Handel der Normalfall sein. „Die Hersteller sollen für ihre Arbeit fair entlohnt werden. Wie auch bei uns die Bauern auf dem Wochenmarkt den Preis bekommen, den sie verdienen. So sollte es generell sein, ganz ohne nachdenken.“ „Es geht um Wertschätzung“, fügt Christiane hinzu.
Alle sind nach wie vor mit Herzblut dabei. Das Geschäft ist ein Ort der Begegnung für Menschen, die die ruhige, entspannte Atmosphäre genießen – und natürlich die hohe Qualität der Produkte und das gute Gefühl, fair einzukaufen.
Doris Martinz

Auftakt des Jubiläumsjahres:

Sa., 17. Mai
10 bis 15 Uhr

anlässlich des int. Weltladentages

Gartenfest

Live-Band „The Steam Radios“,
Kulinarik, Kinderprogramm, Glücksrad