Von zwei Frauen, die mit ihrer Vision und einer Prise Frechheit 207 Tanzkompanien und 21.000 Nächtigungen nach St. Johann holten.Das Mädchen- und Frauen-beratungszentrum feiert Geburtstag.

Wenn man Mitte­ Juni durch den Ort St.Johann spaziert, ist da etwas gänzlich „anders“ als sonst. Außergewöhnlich viele Englischsprachige schlendern durch das Zen­trum, oft mit amerikanischem Akzent, viele Jugendliche bewegen sich grazil und tänzerisch. Auf dem Hauptplatz ist die Bühne voller Bewegung, Formationen tanzen mit- und füreinander. Und spätestens jetzt wird allen klar: „Die ,Stars of Tomorrow‘ sind wieder da!“, die vielen jungen Tanztalente aus den USA, die jeden Sommer in St. Johann einen Halt einlegen. Doch wie kam es dazu? Was brachte die amerikanischen Besucher in den idyllischen Ort zwischen Wildem Kaiser und Kitzbüheler Horn?

Die Prise Frechheit siegt

Vor 26 Jahren fuhr die St. Johannerin Julie Jannach nach Kitzbühel. Bei regnerischem Wetter sah sie zufällig eine Gruppe Balletttänzer im Innenhof der Bezirkshauptmannschaft. Die Bühne war rutschig, es gab keinen „Tanzboden“ und Julie dachte, die talentierten Tänzer und Tänzerinnen hätten etwas Besseres verdient, als dort im Regen zu performen. So sprach sie die Begleitung der Tanzenden an und schnell ergab sich, dass im Rahmen des damaligen „Tiroler Tanzsommers“ amerikanische Nachwuchs-Tanzkompanien nach Österreich und eben auch nach Kitzbühel gekommen waren. Ohneweiters schlug Julie Jannach vor, sie könnten doch im nächsten Jahr nach St. Johann in Tirol kommen. Die Idee wurde gut aufgenommen, sie fuhr zurück und vereinbarte einen Termin mit dem St. Johanner Tourismusverband. Und so beginnt die Geschichte der „Stars of Tomorrow“ in St. Johann „mit einem einmaligen Auftritt“, wie es damals so schön hieß. Doch zwischen den Organisatorinnen der „Stars of Tomorrow“ und dem schmucken St.Johann scheint es gefunkt zu haben. Die beiderseitige Liebe auf den ersten Blick wird schon daran deutlich, dass aus dem einen Auftritt vor 26 Jahren mittlerweile eine 25-jährige Tradition erwachsen ist und bei vielen Einheimischen der jährliche Auftritt der „Stars“ fix im Kalender markiert wird.
„Der Auftritt am St. Johanner Hauptplatz und die Tage in der Region sind jedes Jahr ein Highlight für die amerikanischen Tänzer und ihre Familien“, erzählt Almut Schobesberger. Als „European Coordinator“ ist sie für die Organisation der Tour der „Stars“ durch Österreich zuständig. Zur Seite steht ihr dabei in technischen Fragen genau die Julie Jannach, die die Veranstaltung vor 26 Jahren überhaupt erst nach St. Johann brachte.

Die „Stars“ auf Tour durch Österreich

Insgesamt dreizehn Tage und elf Nächte verbringen die Nachwuchstalente und ihre Familien aus den USA in Österreich. Nach dem Start ihrer Tour in der Bundeshauptstadt geht es nach Salzburg und anschließend endlich weiter nach St. Johann in Tirol. Hier können die Tänzerinnen und ihre Familien für einige Tage bleiben und in die regionale Kultur eintauchen. Neben dem großen Auftritt auf der Bühne am Hauptplatz sind es vor allem die Kontakte zu den Einheimischen und ein buntes Freizeitprogramm, die die Herzen der Nachwuchs-Stars bei uns höherschlagen lassen. „Denn das Format ,Stars of Tomorrow‘ ist viel mehr als nur eine Tour von Nachwuchstänzerinnen“, wie Almut Schobesberger treffend zusammenfasst, „vielmehr ist es ein kulturelles Austauschprogramm, bei dem die amerikanischen Besucher in jeder Stadt auch auf dort ansässige Jugendliche treffen. In St. Johann begegnen sie beispielsweise den Schülern und Schülerinnen des Gymnasiums und dem Nachwuchs der Trachtengruppe Edelraute.“ Und Julie ergänzt: „Durch den Kontakt mit den hiesigen Jugendlichen entsteht meist sehr schnell eine Bindung – viel mehr sogar, als würden Erwachsene den Jugendlichen ihre Region und ihre Heimat zeigen.“ Dabei entstanden in den letzten 25 Jahren die vielfältigsten Freundschaften. Ein Mitglied der Trachtengruppe flog sogar nach Kalifornien, um ein Mädchen zu besuchen, das er im Rahmen des Aufenthalts der Tanzkompanien in Tirol kennengelernt hatte.

„Once in a lifetime“-Chance

Während viele der USA-Nachwuchstalente wohlhabenderen Familien entstammen und die Finanzierung der Europa-Reise für sie garantiert ist, gibt es immer auch Tanzkompanien von und mit sozial benachteiligten Jugend­lichen. Für viele von ihnen ist die Reise nach Österreich das Eintauchen in eine neue Welt – die meisten haben die USA noch nie verlassen und verfügen zuweilen nicht einmal über Pässe.
Eine Amerikanerin, Tanzdirektorin, selbst dreifache Mutter und Juristin, unterstützt vor allem diese Jugendlichen dabei, Österreich zu besuchen. Nebenbei organisiert sie unterschiedlichste „Funding“-Aktionen, vom traditionellen „Carwash“, wie man ihn aus amerikanischen Filmen kennt, bis zu Auftritten, bei denen Geld für die „große Fahrt“ gesammelt wird. Bis zu drei Jahre opfern die Jugendlichen und ihre Familien dafür, um ihren Traum von der Reise nach Österreich verwirklichen zu können.

Die „Stars“ von gestern heute

Und was ist aus den „Stars of Tomorrow“ der letzten 25 Jahre geworden. Die Tänzer und Tänzerinnen, die in den letzten 25 Jahren nach St.Johann kamen, leben mittlerweile über die ganze Welt verstreut – einige tanzen in angesehenen Institutionen wie dem New York City Ballet, dem Washington Ballet oder dem weltbekannten Dance Theatre Harlem. Andere hingegen hat es auch nach Österreich verschlagen. Eine ehemalige Teilnehmerin von „Stars of Tomorrow“, Elizabeth Shupe, tanzt aktuell am Tiroler Landestheater in Innsbruck.

Große Weiterentwicklung der Tanzszene

In den letzten 25 Jahren hat sich auch die Tanzszene in Tirol enorm professionalisiert, wie Julie Jannach und Almut Schobesberger einschätzen. „In Innsbruck beispielsweise finden jedes Jahr zwei Tanz-Matineen für Schüler und Schülerinnen statt. Pro Jahr kommen so knapp 3.000 Schüler und Schülerinnen allein in Innsbruck in Kontakt mit dem Tanzsport – über die ganzen Jahre gerechnet, haben so über 100.000 Jugendliche Auftritte der ,Stars of Tomorrow‘ erlebt“, wie Almut Schobesberger hinzufügt. „Das hat vermutlich auch dazu beigetragen, dass eine starke Professionalisierung im Tanzsport in Tirol zu beobachten ist“, lässt Julie Jannach ein wenig und wirklich verdienten Stolz auf das erkennen, was seit ihrem Besuch im regnerischen Kitzbühel vor 26 Jahren entstanden ist.
Und was kann diese Geschichte zeigen? Dass ein klein wenig Mut in den richtigen Situa­tionen und ein guter Riecher etwas ganz Großes entstehen lassen können, das auch nach 25 Jahren noch immer Menschen und Länder durch eine ganz eigene Kunstform, den Tanz, verbindet.
Gleich notieren: Die „Stars of Tomorrow“ treten am Freitag, 20. Juni, um 20:15 Uhr am St. Johanner Hauptplatz auf. Neben drei amerikanischen Tanzkompanien sind dieses Jahr auch wieder vier regio­nale Tanzgruppen mit von der Partie: ATA Austria Tanz Akademie, Classic Skills, Love to Dance sowie die Trachtengruppe Edelraute.
Bei Schlechtwetter wird die Aufführung in den Kaisersaal verlegt. Der Eintritt ist wie immer frei!

Theresa Hager

„Stars of Tomorrow“
Freitag, 20. Juni
20:15 Uhr
St. Johanner Hauptplatz