Maria Achorner über neues Zeit-Vorsorgesystem für nachhaltiges und Generationen verbindendes Geben und Nehmen.

Die Problematik ist bekannt: Immer mehr – vor allem ältere – Menschen brauchen Hilfe im Alltag, immer weniger Menschen können diese Hilfe leisten. Oder, kurz gesagt: Wir werden immer älter, die pflegenden Personen weniger.
„Zeitpolster“, ein neues Betreuungs- und Vorsorgenetz in St. Johann, hilft, hier Lücken zu schließen. Maria Achorner erklärt mir, wie es funktioniert. Sie selbst ist „70+“ und war jahrelang in verschiedenen Vereinen ak-tiv. Bis sie beschloss, nicht mehr zu kandidieren, weil die Jungen nachrücken müssen. Und sich dann fragte: „Und was mache ich jetzt eigentlich mit meiner Zeit?“ Sie lacht, als sie davon erzählt. Über eine Annonce in der Zeitung stieß sie auf „Zeitpolster“, sie hatte auch schon früher einmal davon gehört. Die Idee interessierte sie, sie rief an, man traf sich, und inzwischen ist sie gemeinsam mit Christl Schneider und Michael Lagler Teil des Organisationsteams. Maria lebt mit ihrem Hund Daisy alleine in einer Wohnung in St. Johann und möchte ihre freie Zeit sinnvoll verwenden. „Ich fühle mich fit und habe jetzt noch die Möglichkeit, anderen Hilfe zukommen zu lassen.“

Das Zeitpolster-Prinzip:

Das Zeitpolster-Team (in St. Johann besteht es aus über 20 Mitgliedern) hilft im Haushalt oder Garten, übernimmt Besorgungen oder begleitet Menschen einfach beim Spazierengehen.
Die Bandbreite der Tätigkeiten ist sehr groß, man übernimmt aber keine Pflege – die bleibt im Zuständigkeitsbereich des Sozialsprengels. Das Zeitpolster-Team ist auch keine Putzkolonne. Für die geleistete Betreuung werden pro Stunde acht Euro verrechnet. Die Helfenden führen Aufzeichnungen, die betreuten Personen bestätigen die Richtigkeit mit ihrer Unterschrift und erhalten eine monatliche Abrechnung vom Verein Zeitpolster, der inzwischen österreichweit agiert. Der Clou: Alle Helfenden bekommen pro geleisteter Betreuungsstunde eine Stunde auf ihrem individuellen Zeitkonto gutgeschrieben.
Wenn sie selbst irgendwann Hilfe benötigen, können sie das Zeitguthaben einlösen. Man gibt, und später kann man selber nehmen. Früher, in den Großfamilien, war das ganz „normal“. War man gesund und jung, half man den Alten, die Generationen waren füreinander da. Heute braucht es dafür einen Verein mit Helfenden – aber immerhin gibt es den jetzt. Den HelferInnen stehen in St. Johann aktuell etwa gleich viele zu Betreuende gegenüber.
„Ich gehe gleich zu einer Dame“, erzählt Maria. Der Mann der Dame sei dement, sie könne ihn nicht alleine lassen. Das Zeitpolster-Team schaut stundenweise vorbei, wenn sie einkaufen oder zum Friseur geht. In anderen Haushalten machen die BetreuerInnen die Wäsche oder gehen einfach einen Kaffee trinken mit dem oder der zu Betreuenden, führen Hunde aus oder bleiben bei kranken Kindern daheim. „Das geht alles ganz unkompliziert. Wir nehmen die Fälle auf und verteilen sie.“ Zum Zeitpolster-Team gehören nicht nur Senioren, wie man meinen möchte, sondern auch junge Menschen, die etwas Sinnvolles tun und zugleich sich selbst einen „Polster“ verschaffen wollen. Wer weiß, was kommt, und wann es kommt? Jeder übernimmt Aufgaben in dem Ausmaß, in dem es für sie oder ihn passt.
Auch mit dem Krankenhaus arbeitet „Zeitpolster“ zusammen – bei Entlassungen, wenn PatientInnen sich daheim nicht gleich zur Gänze selber versorgen können. Maria hat selbst schon 50 Stunden auf ihrem Konto angespart.
Vielleicht wird sie jene selber irgendwann in Anspruch nehmen, vielleicht wird sie einen Teil davon auch verschenken – auch das ist nämlich möglich. Man kann auch Gutscheine für Stunden kaufen – und zum Beispiel verschenken.
Doris Martinz