Marie-Luise Trenker über das Glück im eigenen Garten, über das Obstpressen, spannende „grüne“ Themen und mehr.

Die roten Wangen des Apfels glänzen verführerisch. Sie umfasst die Frucht behutsam mit der rechten Hand und pflückt sie mit einer Drehbewegung vom Baum. Als ich hineinbeiße, platzt krachend die Haut, Saft spritzt, es schmeckt herrlich süß-säuerlich. Marie-Luise, Obfrau des Obst- und Gartenbauvereins in St. Johann, nickt zufrieden. Die „Kronprinz“-Äpfel liegen heuer zwar mengenmäßig nicht über dem Durchschnitt, doch der Geschmack passt. Im Garten der 68-jährigen St. Johannerin stehen zwei Apfelbäume, ein Birnbaum, sie hat eine Weinrebe gepflanzt und einen Marillen- sowie einen Zwetschkenbaum. Den Baumschnitt übernimmt sie im Frühjahr selber. „Heuer wäre ich fast gar nicht dazugekommen, im eigenen Garten schneidet man zuletzt.“
Über ihre Schwägerin kam sie vor gut 30 Jahren zum Obst- und Gartenbauverein – vor allem, um ihr Wissen über den Obstbau und andere „grüne Themen“ zu erweitern. „Ich habe ja nicht einmal gewusst, wie man einen Salatkopf einsetzt“, scherzt Marie-Luise und lacht herzlich. Das Vereinsgeschehen war für sie damals ein erholsamer Kontrast zu ihrem Job als „rechte Hand“ in der Rechtsanwaltskanzlei ihres Vaters und später in jener ihres Bruders. 2001 wurde sie zur Obfrau gewählt, wenige Jahre später absolvierte sie die Ausbildung zur Baumwärterin. „Als Obfrau wollte ich mein Fachwissen erweitern, um den Mitgliedern besser Auskunft geben zu können“, erzählt sie. Der Kurs war sehr interessant – und er ist es heute noch, vermittelt er doch ein umfassendes Grundwissen zum Thema Baumschnitt, Bodenkunde, Pflanzenschutz und mehr. Mittlerweile kümmern sich insgesamt sieben BaumwärterInnen im Verein darum, dass Obstbäume fachgerecht gestutzt werden.

NachfolgerIn gesucht

Der Obst- und Gartenbauverein St. Johann wurde 1949 gegründet – vielleicht sogar schon früher, das lässt sich nicht mehr eruieren. Seit dem genannten Jahr jedoch existieren Aufzeichnungen. Früher war der eigene Garten Ernährungsgrundlage und Einnahmequelle für viele Familien, heute dient er vor allem als Ort der Erholung. Gerade in den letzten beiden Jahren, als unsere Bewegungsfreiheit zeitweise stark eingeschränkt war, wurde der Garten zum Paradies. Viele entdeckten dabei ihre Liebe zum Grün vor der Haustür ganz neu. Damit stieg auch das Interesse der nachfolgenden Generationen an Obst- und Gemüseanbau, an Kräuterzucht und Gartengestaltung. Marie-Luise würde sich über viele neue Mitglieder freuen und ihr Amt bei den Neuwahlen Ende November gerne in jüngere Hände legen. „Ich bin gesundheitlich einfach nicht mehr so auf der Höhe“, meint sie. Der Verein zählt derzeit 215 Mitglieder und hat für Interessierte viel zu bieten. Vor allem die monatlichen Treffen, bei denen meist Gastreferenten über aktuelle Themen berichten. „Flora mystica, die heiligen Pflanzen unserer Vorfahren“ war zum Beispiel der Titel des Vortrags im Oktober, den viele Mitglieder gespannt verfolgten. Man trifft sich von April bis November jeden zweiten Donnerstag in den Räumlichkeiten der Tankstelle Salcher. „Wir finden dort ein schönes Ambiente und die notwendige technische Ausstattung vor“, so Marie-Luise. Die Themen sind vielfältig und interessant. „Da ist für jeden etwas dabei, man lernt immer etwas dazu!“

Im Herbst wird gepresst

Die Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins St. Johann betreuen auch den Obstanger der Gemeinde neben der Tourismusfachschule, sie haben die Bäume einst gepflanzt. Eine der wichtigsten Aufgaben des Vereins ist das Obstpressen im Herbst. Im September und Oktober wurde heuer jeden Samstag gepresst – noch in den ehemaligen Räumlichkeiten der Metzgerei Nothegger, nächstes Jahr agiert man dann schon am neuen Standort in der Fieberbrunner Straße (neben der Tierkörpersammelstelle). Zirka 12.000 Liter Saft wurden heuer gewonnen, vorwiegend aus Äpfeln und weit weniger Birnen. Ein „ganz normales Jahr“ sei es gewesen, besser als das ertragsschwache letzte Jahr, sagt Marie-Luise. Aber zum Glück nicht über die Maße ertragreich. Denn die 40.000 Liter, die 2018, einem außergewöhnlich gutem Obstjahr, gepresst wurden, sprengten fast die Kapazitäten der Presse und der Vereinsmitglieder. „Ich weiß gar nicht mehr, wie wir das geschafft haben.“ Beim Pressen rechnen Marie-Luise und ihre HelferInnen in Litern. Aus einem Kilogramm Obst wird in etwa ein halber Liter Saft gewonnen. Jeder, der Obst abliefert, bekommt garantiert den Saft seiner eigenen Äpfel oder Birnen.
Auch Trauben verarbeitete man in den letzten Jahren, die Presse ist jedoch nicht für diese Obstsorte ausgelegt. „Wir haben schon überlegt, eine eigene Traubenpresse anzuschaffen. Doch noch erscheint uns das als nicht wirtschaftlich“, so Marie-Luise. Was nicht ist, kann noch werden – denn es werden in der Region immer mehr Trauben angebaut, weiß sie.

Oase des Glücks

Neben der Presse wird auch ein Pasteur eingesetzt, der Saft wird vakuumverpackt und in einer Kartonschachtel mit Zapfhahn ausgegeben. „Das ist sehr praktisch und der Saft kann noch dazu lange Zeit gelagert werden, das hat sich sehr bewährt.“ Presse und Pasteur haben gemeinsam einen Wert von zirka 100.000 Euro. „Das muss man erst einmal erwirtschaften!“, sagt Marie-Luise nicht ohne Stolz in der Stimme. Bei der Anschaffung habe die Gemeinde mit einer Subvention geholfen, doch im Großen und Ganzen finanziere der Verein die Anlage selber. Die Presse sei für viele St. Johannerinnen und St. Johanner nicht mehr wegzudenken. „Wir leisten da schon ganz wichtige Arbeit für den Ort.“
Ein Garten liefert aber viel mehr als Äpfel zum Pressen. Er ist auch wichtige Nahrungsquelle und Wohnort für Insekten – wenn man ihn richtig anlegt. Angesichts der dramatisch sinkenden Zahlen an Insekten kommt dem Garten damit viel Bedeutung zu. Nicht zuletzt ist das Fleckchen Grün aber jener Ort, an dem Groß und Klein neue Energie schöpfen. Ob es das lauschige Plätzchen unter dem „Hausbaum“
ist, ein kleines Biotop mit schwimmenden Seerosen, die üppig blühende Blumen­insel, der duftende Kräutergarten oder das Spielhaus für die Jüngsten: Der eigene Garten ist die Oase, in die wir uns zurückziehen können, wenn die Welt draußen wieder einmal Kopf zu stehen scheint. Im Obst- und Gartenbauverein finden sich Menschen, die ihr Hobby gerne mit anderen teilen und Freude daran haben, immer wieder Neues und Interessantes zu erfahren. Denn es ist schon so, wie Marie-Luise sagte: „Man lernt nie aus.“ Wenn auch ihr einen „grünen Daumen“ bekommen und euch mit Gleichgesinnten über euren Garten austauschen wollt, dann werdet Mitglied! E-Mail: gartenbauverein-st.johann@gmx.at

Doris Martinz