Warum es ein Glück für St. Johann ist, einen eigenen Flugplatz zu haben, erklären Joachim Häntschel, Helmut Weißsteiner und Thomas Stocker.

Wir sind Leute, mit denen man reden kann!“, sagt Joachim gleich zu Beginn unseres Gesprächs. Der Obmann des Fliegerclubs hat ja immer ein etwas rötliches Gesicht, aber an diesem Tag scheint es zu leuchten. Dabei habe ich ihn (noch) gar nicht auf den Geräuschpegel am Flugplatz angesprochen. Ich nicht, aber manche AnwohnerInnen tun das sehr wohl – immer mal wieder, und seit es den Flugplatz gibt. Irgendwie komisch, dass es unter anderem Menschen sind, die in der Einflugschneise des Flugplatzes ihr neues Haus gebaut haben und sich jetzt über den Lärm beschweren. Aber das ist eine andere Geschichte …
Klar ist, dass die Mitglieder des Fliegervereins St. Johann und die AnwohnerInnen des Flugplatzes verschiedene Interessen verfolgen. Die einen wollen ihren Sport ausüben, die anderen ihre Ruhe haben. Die Kunst ist es, aufeinander zuzugehen – mit der Bereitschaft, Verständnis für das Gegenüber aufzubringen. Die Mitglieder des Fliegervereins haben in dieser Hinsicht einiges vorzuweisen: Von Gesetzes wegen dürfen am Flugplatz St. Johann Flugzeuge nämlich in der Zeit zwischen „Sunrise“ und „Sunset“, also zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang, fliegen – im Sommer von halb sechs Uhr morgens bis fast halb zehn Uhr abends. Doch der Betreiber des Flugplatzes, der Fliegerverein, beschränkt die Betriebszeiten freiwillig auf die Zeitspanne von 8 Uhr morgens bis 19 Uhr abends, ab 18 Uhr dürfen sogar keine Übungs-Platzrunden mehr gedreht werden. In der Mittagspause zwischen 12 und 13.30 Uhr darf kein Flugzeug starten – landen muss erlaubt sein (das Parken in der Luft ist schließlich schwierig). Jeder Pilot, der mit seiner Maschine in St. Johann landen will, muss zuvor aber persönlich um die Genehmigung anfragen, denn die Anzahl der Flugbewegungen ist limitiert. Betriebsleiter Thomas, „Tom“ Stocker ist da ganz streng, weiß Helmut Weißsteiner, Kassier des Fliegervereins, mit Blick auf besagten Tom. „Wir schränken den Betrieb freiwillig ein und wollen die Genehmigungen nicht ausreizen“, bestätigt jener nickend.

Ein Menschheitstraum wird wahr

Vielleicht ist das der Grund, warum viele St. JohannerInnen den Flugplatz St. Johann, übrigens einer der schönsten Flugplätze in ganz Österreich, mit vielen positiven Assoziationen verbinden. Das Gelände ist wie gemacht dafür, mit Kind und Kegel Spaziergänge zu unternehmen, im Fliegerstüberl auf ein Eis einzukehren und dabei das eine oder andere Flugzeug starten oder landen zu sehen – das ist spannend, selbst für die Großen. Denn das Fliegen ist mehr als ein Hobby, mehr als ein „Job“ – es ist ein großer Traum der Menschheit, den sich in St. Johann die Mitglieder des Fliegervereins erfüllen. Abheben, sich frei wie ein Vogel in der Luft bewegen und die Welt von oben betrachten – das ist eine Faszination, der viele Menschen erliegen. Übrigens nicht nur die „oberen Zehntausend“, also jene mit sagenhaften monatlichen Einkünften. Ganz im Gegenteil: In St. Johann steht der Flugsport allen offen, „vom Arbeiter bis zum Vorstandsmitglied“, meint Helmut lächelnd. Ihn selbst hat die Fliegerei im Alter von zwölf Jahren gepackt, als er in einem Hubschrauber mitfliegen durfte. Mit 16 Jahren absolvierte er den Segelflugschein, weitere Ausbildungen folgten. Familie und Job hatten später Vorrang vor seinem liebsten Hobby, aber jetzt, als Pensionist, hebt er wieder ab. Er hat – wie die meisten anderen im Verein – kein eigenes Flugzeug, und das muss er ja auch nicht: die Segelflugzeuge, Motorsegler und Motormaschinen des Vereins stehen den Mitgliedern zur Verfügung.
„Das Fliegen ist eine sportliche und zugleich intellektuelle Betätigung“, versucht Helmut die Faszination zu beschreiben. „Man muss viel lernen und beim Fliegen viel beachten, weil man sich ja in einem dreidimensionalen Raum befindet, das ist anders als beim Autofahren. Da ist man gefordert, muss Wetterphänomene oder die Topografie lesen können, die Segelflieger sind da Spezialisten. Aber das Erlebnis oben in der Luft, wenn man die Landschaft unter sich beobachtet, unser wunderbares Gebiet, und die Schönheit der Bergwelt aufsaugt, das ist unbeschreiblich.“

Einladung an alle Interessierten

Wer selbst einmal die Schönheit unserer Region von oben erleben will, ist am Flugplatz herzlich willkommen. Es gibt immer eine Möglichkeit … Wer Fragen zum Flugsport oder zu anderen Themen, die mit dem Flugplatz zusammenhängen, hat, kann sich ebenfalls jederzeit melden. Betriebsleiter Tom und die Mitglieder des Fliegervereins sind offen für alles und freuen sich über Interesse an dem, was sie tun. Vor allem seitens der Jungen: „Wir wünschen uns viel mehr Flieger-Nachwuchs, der Sport ist ein Breitensport und für alle zugänglich“, so Joachim. „Das Einzige, was bei uns abhebt, sind die Maschinen. Aber wir alle sind Typen, die absolut auf dem Boden geblieben sind.“
Eindruck machten „diese Typen“ übrigens bei den vielen Kindergarten-Kindern, die bereits zu Besuch waren. Sie erlebten am Flugplatz sehr spannende und lehrreiche Stunden.
Interessant ist auch die Tatsache, dass bereits einige Berufspiloten ihre Karriere in St. Johann begannen. „Manche, die heute als Kapitän in einem Airliner sitzen, sind in St. Johann zum ersten Mal in die Luft gegangen“, weiß Joa­chim. „Und einer der besten Eurofighter-Piloten Österreichs hat in St. Johann mit dem Segelflug angefangen“ ergänzt Helmut nicht ohne Stolz.

Der Flugplatz bedeutet auch Sicherheit

Auf dem Flugplatz St. Johann treffen sich nicht nur die Segel- und Motorflieger, sondern auch die Fallschirmspringer und Ballonfahrer. Der Platz ist einer von nur drei Flugplätzen mit einer befestigten Start- und Landebahn in ganz Tirol. Diese Tatsache bringt auch einen wesentlichen Sicherheitsaspekt mit sich: Im Falle einer Naturkatastrophe wird der Flugplatz gesperrt, dann übernimmt das Bundesheer die Führung und nutzt den Platz, um beispielsweise seine Hubschrauber aufzutanken. Regelmäßig finden dazu Übungen statt, die Feuerwehr im Ort nützt das Gelände für Übungszwecke. Auch als Wirtschaftsfaktor, speziell im Tourismus, ist der Flugplatz nicht zu unterschätzen: 2021 fand zum Beispiel die Staatsmeisterschaft im Segelfliegen in St. Johann statt und brachte viele BesucherInnen in die Region. Der Flugplatz ist also in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung für die Region.

Und wenn es Probleme geben sollte, sind Tom, Joachim und Co. immer gesprächsbereit. „Es lässt sich für alles eine Lösung finden“, meint Joachim zuversichtlich. Und sein Gesicht hat jetzt wieder die gewohnte Farbe angenommen …

Doris Martinz