Jaggas’n wird am 9. Juli 2022 stattfinden, das ist die gute Nachricht. Aber wie es weitergeht, ist noch nicht sicher.

Wenn wir von der „guten alten Zeit“ sprechen, sprechen wir von einer Zeit, die bei weitem nicht so gut war, wie uns der verklärte Blick zurück glauben lässt. Manche Dinge aber waren anders. So anders, dass man sie sich ins Heute wünscht. Ein Beispiel dafür liefert Jaggas’n, das große Fest der Vereine in
St. Johann. 1973 hat man es zum ersten Mal gefeiert, nächstes Jahr steht das 50. Jubiläum an. Wer es organisieren wird, steht noch nicht fest. Denn im Prinzip will niemand, auch nicht von den Vereinen, anpacken. Keine Zeit, keinen „Bock“, zu viel Verantwortung? Es sieht so aus. Früher war das tatsächlich anders:
Vor zwanzig Jahren zettelte Mag. Walter Thomas Hauser eine „kleine Revolution“ in der Organisation des Events an, wie er erzählt. Er konnte die 15 größten und wichtigsten Vereine (Musikkapelle, Feuerwehr, Schützen und Kultur- und Sportvereine) motivieren, gegen die amtierenden Veranstalter, unter deren Leitung Jaggas’n zunehmend an Attraktivität für Vereine und Besucherinnen und Besucher verloren hatte, anzutreten und mit seinem Konzept die bisherigen Organisatoren zur Aufgabe zu bewegen. Der „Streich“ der „Jungen“ (Walter war damals 40 Jahre alt) gelang. Man gründete den Verein „Organisationskomitee Vereinsfest St. Johann in Tirol“, konnte einen neuen „Ausschuss der Willigen“ finden und stellte die Veranstaltung auf völlig neue Füße. Innerhalb weniger Jahre waren statt der fünfzehn wieder zirka dreißig Vereine mit dabei. „Wir haben uns damals gerissen darum, das wichtigste Fest der Sainihånserinnen und Sainihånser nach unseren Vorstellungen zu gestalten“, erinnert sich Walter. „Wir wollten einfach etwas Tolles machen und wir haben uns ins Zeug gelegt. Und der Erfolg hat uns Recht gegeben, Jaggas’n wurde zu einem der größten Events im Tiroler Unterland – eine Veranstaltung, auf die wir stolz sein können.“
Das Organisieren liegt Walter im Blut: 35 Jahre lang hatte er in der Bankbranche einen Job in leitender Management-Position inne. Er organisierte 15 Jahre lang federführend den Koasalauf mit und war danach zehn Jahre lang Obmann des Trachtenvereins „Edelraute“. Nächstes Jahr fallen sein persönliches 20. Jubiläum als Organisator und das 50. Jubiläum der Veranstaltung zusammen. Da möchte er noch in irgendeiner Weise mitwirken. Aber Hauptorganisator, wie heuer, will er nicht mehr sein. Denn eigentlich warf er ja schon 2021, mitten in der Corona-Krise, das Handtuch. Warum? Weil die meisten Mitglieder des Vorstands des Vereins „OK Vereinsfest St. Johann in Tirol“ der Meinung gewesen waren, dass es Zeit sei, fortan den Jungen das Ruder zu überlassen. Nur waren keine Jungen zu finden. In den eigenen Reihen nicht und in den Vereinen auch nicht. Im November 2021 löste man den Verein deshalb auf, das Vermögen ging zu einem kleineren Teil (€ 3.500,–) an die St. Johanner Hilfsgemeinschaft und der Rest (€ 10.000,–) an die Gemeinde, die es an die Nachfolgeorganisation übergeben sollte. Aber wer sollte das sein?

Heiß auf Jaggas’n

Im Herbst 2021 bekannte sich die Gemeinde, vertreten durch den damaligen Bürgermeister Hubert Almberger zwar dazu, Jaggas’n unter allen Umständen wieder aufleben lassen zu wollen. Der vorige und nun wiedergewählte Bürgermeister Mag. Stefan Seiwald nahm das „Heft“ in die Hand, er wollte bereits im heurigen Jahr unbedingt wieder ein Jaggas’n-Fest auf die Straßen zaubern – und rief Walter Thomas Hauser an. Jener ließ sich noch einmal dazu überreden, gemeinsam mit Hans Hauser, Mike Laner, Johnny Harasser, Phillip Worschitz, Wolfgang Hasslacher und nun neu Michael Schenk sowie weiteren erfahrenen Jaggas’n-Köpfen einen neuen Organisations-Verein zu gründen. Bürgermeister Mag. Stefan Seiwald wurde Obmann-Stellvertreter im neuen Verein, um zu zeigen, dass die Marktgemeinde zu einhundert Prozent hinter dem Jaggas’n-Fest steht. „Von den dreißig Vereinen, die ich angeschrieben habe, kamen postwendend mehr als zwanzig Zusagen für Jaggas’n 2022“, erzählt Walter. „Nach der Covid-Pause sind alle total heiß auf das Jaggas’n Fest.“ Wenn man für gewöhnlich bereits im September des Vorjahres mit den Vorbereitungen begann, hieß es heuer erst Ende März, als der endgültige Startschuss fiel, „Gas geben“. Walter und sein Team brachten alles über die Bühne. „Jaggas’n 2022 ist auf Schiene“. Aber die Nachfolge ist wieder nicht geregelt, wieder gibt es keine „Jungen“, die nachrücken wollen. Walter wird 2023 nur mehr in beratender Funktion zur Verfügung stehen. „Das Ehrenamt wird zwar hochgeschätzt, aber die Motivation zur Mitarbeit im Verein fehlt“, drückt er es aus. Vor 20 Jahren waren er und seine Kollegen begierig darauf, das Ruder zu übernehmen. Heute finden sich offensichtlich immer weniger Freiwillige, die ein so großes Fest mitorganisieren wollen. Daher auch der Aufruf von Walter an junge Interessierte: „Meldet euch bitte, damit das Jaggas’n-Fest auch in Zukunft stattfinden kann und weiterhin DAS wichtigste und schönste Fest der Region bleibt!“

Ein Einsatz, der zufrieden macht

Eine schwere Erkrankung und ein Autounfall zwangen Walter letztes Jahr für vier Monate ins Krankenhaus. Man möchte meinen, er würde nun alles von sich fernhalten, was ihn belastet. Und doch ist der nunmehrige Privatier wieder als Jaggas’n-Organisator ganz vorne mit dabei. Warum tut er sich das an? „Weil es wahnsinnig viel Spaß macht, gemeinsam etwas zu schaffen und den Ort über das Fest der Vereine mitzugestalten“, erklärt er. Klar, es sei alles mit viel Arbeit verbunden, aber sie mache Spaß. Und man bekomme über das positive Feedback viel zurück. Die schönsten Momente seien jene nach der Veranstaltung, wenn das Organisationsteam gemeinsam mit einem Gläschen anstoßen kann: „Weil wir dann wissen, dass wir eine tolle Arbeit geleistet haben. Eine Arbeit, die Sinn macht, und die wichtig ist für den Ort. Das macht einen echt zufrieden, gibt uns ein gutes Gefühl und wird Gott sei Dank auch hoch geschätzt. Diese Wertschätzung spiegelt sich auch in zahlreichen Ehrungen wider. Ganz besonders stolz bin ich über eine, für mich ganz besondere Auszeichnung. Der Landeshauptmann von Tirol, Günther Platter, überreichte mir die „Goldene Ehrennadel des Landes Tirol für den jahrzehntelangen und erfolgreichen Einsatz als ehrenamtlicher Funktionär und die damit erworbenen Verdienste“.
Es wird kolportiert, dass man 2023 eventuell einen professionellen Veranstalter mit der Organisation des Jaggas’n-Festes betrauen könnte. Wollen die Sainihånserinnen und Seinihånser ihr Fest damit wirklich quasi aus der Hand geben? Oder gibt es vielleicht doch engagierte Leute, die Jaggas’n zu „ihrem Fest“ machen wollen? Die Unterstützung der Erfahrenen ist ihnen in diesem Fall sicher.

Doris Martinz