Clemens Unterreiner hat in Ellmau eine zweite Heimat gefunden. Wie aus dem ehemals blinden Kind ein gefeierter Opernstar wurde.

„Da, schau!“, flüsterte mir meine Freundin in der Kantine der Staatsoper zu, „da ist der Unterreiner, der Opernstar!“ Zum ersten Mal in meinem Leben hatten mein Mann und ich im Jänner dieses Jahres gemeinsam mit einem befreundeten Ehepaar die Staatsoper besucht und dank familiärer Beziehungen unserer Freunde eine Backstage-Führung bekommen, die in der Kantine endete. Der gutaussehende Typ, von dem sie sprach, bemerkte unsere verstohlenen Blicke und kam mit einem charmanten Lächeln schnurstracks auf uns zu. Minuten später wussten wir, dass sich Clemens Unterreiner öfter in Tirol, in Ellmau, aufhält und hier seine zweite Heimat gefunden hat. In einem Zoom-Meeting (ein persönliches Treffen ging sich leider terminlich nicht aus) erzählte er mir später von sich und seinem Werdegang. Staatsopernsänger kommen demnach nicht als solche zur Welt. Im Gegenteil:
Clemens, wir sind gleich beim Du, ist ein „Wiener Kind“ und wächst in der Hauptstadt in der Geborgenheit seiner Familie auf. Seine Eltern (der Vater stammt aus Ungarn, die Mutter aus Deutschland) lernten sich beim Studium in Graz kennen und verbrachten die Ferien mit ihren Kindern oft in der alten Heimat Steiermark auf einer „Huaben“, einer Hube, also einem alten Bergbauernhof. Kein Strom, kein warmes Wasser, kochen mit Holzfeuer – hier genießen die Stadtkinder das einfache Landleben. Und singen mit ihrer Mutter beim Schwammerlsuchen mit Inbrunst die schönen, alten Volkslieder.
Die Melodien und das freie Singen in der Natur sollten vor allem Clemens prägen. Dann jedoch ein Schock: Er erkrankt als Fünfjähriger an einer schweren Augenkrankheit, erblindet quasi über Nacht, und niemand kann sagen, ob sein Augenlicht jemals zurückkehren wird. Wie soll der Kleine nun seine Tage verbringen? Die Eltern spielen ihm Platten und Kassetten vor. Er lauscht den Geschichten von Karlheinz Böhm, der vom tauben Komponisten Beethoven und dem schwierigen Lebensweg Richard Wagners erzählt. „Hörst du? Diese Großen hatten ihre Probleme und konnten trotzdem Meisterwerke erschaffen. Bei dir wird das schon noch, du wirst deinen Weg finden“, tröstete ihn die Mutter. Die Geschichten regen die Fantasie des Kindes an, die klassische Musik aber berührt sein Herz und erweckt seine Liebe. „Damals ist in mir der innige Wunsch entstanden, Opernsänger zu werden“, erinnert sich Clemens. Als nach einem Jahr das Sehvermögen langsam zurückkommt, ist es sein erster Wunsch, in die Oper zu gehen. Von da an ist er dort Dauergast, später vor allem als „Stehplatzler“ auf den billigen Rängen.
„Die Ärzte haben mich damals aufgegeben. Ich bin mir sicher, dass mir die klassische Musik dabei half, mit der Krankheit umzugehen. Das ist heute­ noch so, und die moderne Medizin tut ihr Übriges“, meint der Kammersänger. Er sehe wieder gut und komme mit seiner Erkrankung heute recht gut zurecht, fügt er hinzu.

Keine Chance

Clemens träumt schon als Kind davon, eines Tages selbst auf der Bühne zu stehen und für das Publikum zu singen, so wie die großen Stars, die er anhimmelt. Für ihn ist es sonnenklar, dass es so kommen wird. Für den Rest der Welt leider nicht. Seine Bewerbungen an der Universität und am Konservatorium werden abgelehnt: Seine Stimme sei nicht gut genug, befindet man. Also beginnt er ein Jus-Studium, muss dieses aber abbrechen – es ist für seine Augen, deren Sehkraft weiterhin eingeschränkt ist, zu anstrengend. „Es blieb nur die Musik, das Singen.“ Aber niemand will ihm damals eine Chance geben. Er beschließt schließlich, den Weg über ein Privatstudium zu gehen und ist sich für nichts zu schade, um es zu finanzieren. Er arbeitet in der Gastronomie, ist Hausmeister, vertickt ein Mittel gegen Durchfall, vermittelt Stahlcontainer auf Baustellen und einiges mehr. Daneben ist er Statist an der Staatsoper, den Kontakt zum Haus lässt er nie abreißen. Er schafft es, kann das private Studium abschließen – auch dank der Unterstützung seiner Eltern. Als er mit 30 Jahren schließlich zum ersten Mal vorsingt, ist man der Meinung, er sei zu alt. Man engagiert ihn aber nach Linz und weil man ihn als Statist in Wien noch kennt, gibt man ihm zwei Jahre später eine Chance – ein einziges Wort darf er singen, und zwar den Namen des Dichters Klopstock. Man spielt die Premiere der Oper „Werther“, in der Hauptrolle die junge Elina Garanca. Sie wird ein Weltstar, und Clemens bekommt seinen ersten Vertrag an der Wiener Staatsoper, weil er sein „Klopstock“ mit so viel Kraft und Freude vorgetragen hat, dass man auf ihn aufmerksam geworden ist. Er darf sein Können nun bei den Kinderopern beweisen, die zu jener Zeit – vor zwanzig Jahren – in einem Plastikzelt auf dem Dachboden der Oper untergebracht sind. „Von dort habe ich mich erfolgreich hinunter gesungen auf die große Bühne“, erzählt der 53-Jährige lachend. Lange Jahre hat kaum jemand an ihn geglaubt – heute ist er Kammersänger und trägt damit die höchste Auszeichnung, die ein Sänger in Österreich erhalten kann. „Seine Träume darf man nie aufgeben, das ist meine Botschaft an junge Leute. Es gibt immer eine Chance, seine Träume zu leben, man muss an ihnen festhalten“, sagt er mit Nachdruck und wird dabei sichtlich emotional. All die Mühe, all die Plagen und all die Kritik, die einzustecken war, lösten sich in dem Moment in Luft auf, als er zum ersten Mal die Bühne als Solist betrat.

Hoppalas

Am schönsten Opernhaus der Welt, der Wiener Staatsoper, singen zu dürfen, davon träume jede Sängerin und jeder Sänger auf der ganzen Welt. Hier habe man Gelegenheit, mit den besten Sängern, Dirigenten und Regisseuren zu arbeiten. Das sei ein großes Privileg, bringe aber auch viel Verantwortung mit sich, erklärt Clemens. Als Künstler agiere man als Artist ohne Netz und doppelten Boden: „Man muss Leistung bringen, ganz ohne technische Unterstützung. Als Solisten spielen wir quasi in der Champions League, das ist Spitzensport, unser Körper ist unser Kapital. Dafür muss man jeden Tag hart arbeiten.“ Aber auch gegebenenfalls improvisieren, wenn man zum Beispiel eine Requisite hinter der Bühne vergessen hat oder einem der Text nicht einfallen will. Alles schon passiert, gesteht Clemens. „In der Oper „Le nozze di Figaro“ sollte ich das Wort ,ascoltate‘, also hört zu, singen. Und es fiel mir einfach nicht ein. Also habe ich stattdessen einfach ,hamptitampti‘ intoniert, das passte von den Silben und Lauten her“, beschreibt er schmunzelnd die Situation. Der Kollege habe komisch geschaut, der Souffleur habe sich an den Kopf gegriffen. Aber das Publikum habe nichts mitbekommen. Das tat es auch nicht, als er einmal statt des vergessenen Briefs in dramatisch-huldvoller Geste nur Luft überreichte. „Wichtig ist, dass man in solchen Situationen absolut professionell bleibt und sich auf der Bühne gegenseitig hilft.“

Eine „Lieblingsoper“ habe er übrigens nicht, so der Kammersänger. „Es ist immer die, die ich gerade singe.“ Im Jänner war es demnach der Klassiker „La Bohème“ von Giacomo Puccini, bei der ich Clemens als „Marcello“ erlebte und hingerissen war. Der Sänger liebt aber auch Operetten, „die sind schwerer als Opern, weil man da auf der Bühne tanzen, spielen, singen und sprechen muss!“, und er liebt Lieder: Die steirischen Volkslieder, die er schon als Bub mit der Mutter sang, aber auch Frank Sinatra, Cole Porter oder Filmmusik.

Intendanz in Gars

2023 wurde Clemens zum Intendanten der Oper BURG GARS in Niederösterreich bestellt. Er hatte zwar fast überall auf der Welt schon gesungen, noch nie aber in den alten Mauern, vor der romantischen Kulisse der letzten Babenberger Burgruine. Die erste Saison 2024 wurde mit dem Stück „Liebestrank“ von Gaetano Donizetti ein Riesenerfolg. „Wir sind das größte, unverstärkte Freiluft Opernfestival in Österreich und mit fast 1.300 Plätzen so groß wie die Wiener Volksoper“, schwärmt der Sänger mit glänzenden Augen. Neben der großen Sommeroper umfasst das Rahmenprogramm KulturBURG Lesungen, Liederabende, Vernissagen, Kabarett, Pop- und Filmmusik, man bietet also ein Programm für jeden Geschmack. Heuer gibt man übrigens die Oper „La Traviata“ zum Besten, das Reisebüro Profi Tours in Ellmau hat dazu ein tolles Package geschnürt, siehe Kasten. „Wenn ein ganzer Bus voller Tirolerinnen und Tiroler anrollt, komme ich natürlich persönlich, um sie zu begrüßen“, verspricht Clemens voller Vorfreude.
Als Intendant legt er in Gars Wert darauf, jungen Talenten eine Chance zu geben und sie zu fördern. So wurde der junge Tiroler Tenor Matteo Ivan Rasic für seine Rolle als Nemorino beim „Liebestrank“ im letzten Jahr in Gars heuer für den österreichischen Musiktheaterpreis nominiert. Die Opernfestspiele in Gars sind das einzige Festival in Österreich, das auch Oper für Blinde und Sehbehinderte anbietet und dafür bei drei Aufführungen zusätzlich auch eine Live Audio Description bereitstellt. Grund dafür ist Clemens’ eigene Geschichte. Das ehemals blinde Kind steht heuer in „La Traviata“ auch selbst auf der Bühne und singt für blinde Menschen.

Der Liebe wegen …

Clemens Unterreiner erzählt von seiner Kindheit, von Gars, aber wie kommt es, dass er sich nun öfters in Tirol aufhält? Er habe in Wien seine große Liebe gefunden, und diese stamme eben direkt aus Ellmau, gesteht er. Mehr will er dazu nicht verraten, außer, dass er als Wiener Schwiegersohn sehr herzlich in seiner Tiroler Familie aufgenommen und hier am Wilden Kaiser jedesmal unglaublich verwöhnt wird. Er habe die Region zwar schon zuvor gekannt, nun sei sie aber seine zweite Heimat geworden. Er genieße es, privat und meist unerkannt im Winter Skifahren zu gehen und im Sommer auf die Almen zu wandern oder in den Seen zu schwimmen und einfach privat zu genießen. Er habe sogar ein „Ellmau-Lied“ komponiert und es bei „Wandern mit Clemens“ am Hartkaiser uraufgeführt. Aufgenommen sei es aber noch nicht. Er beziehe viel Energie aus unserer Gegend und suche bewusst Kraftorte auf wie auch die Gmail-Kapelle in St. Johann. „Das erdet mich und verbindet mich mit der Zeit, die ich mit meinen Eltern in der Natur verbracht habe.“ Hier holt er sich auch die Kraft dafür, Botschafter zu sein für seine Musik, für die Welt der Oper. Er will die Menschen für sein Genre begeistern. Sie sollen – wie er – Lebensfreude aus der Musik beziehen.
Ich selbst interessierte mich bislang kaum für Opern. Die Begegnung mit Clemens und ihn auf der Bühne der Staatsoper live zu erleben, hat vieles verändert. „La Traviata“ in Gars, in den tausendjährigen Burgruinen, werde ich mir nicht entgehen lassen.

Doris Martinz

www.operburggars.at

 

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