Der Verein Kartenclub mischt die Karten der Tradition und Moderne ordentlich durch.

Die meisten kennen das Kaschtln wahrscheinlich noch von den Großeltern. Die ältere Generation wusste ganz genau welche Regeln galten, sprach fließend den Kartenfachjargon und ließ keine Verletzung des themenbezogenen Knigges gelten. Die einen liebten es, die anderen ließen es sich Oma oder Opa zuliebe über sich ergehen. Egal ob man zur ersten oder zweiten Gattung gehörte, eines ist sicher – während der Teenagerzeit und späteren Jugend wurde man mit so vielen modernen, spannenden Freizeitaktivitäten konfrontiert, dass es einem wohl kaum in den Sinn kam, mit seinen Freunden ein Lokal zum Karten spielen zu besuchen. Früher war das durchaus gang und gäbe und en vogue, vor allem sonntags mit Leib und Seele und das ein oder andere mal mit und um große Summen zu spielen. Heute zaubert einem die Vorstellung, die jungen Leute an den Tischen, statt mit dem Handy mit Karten in den Händen zu sehen, eher ein Schmunzeln als die hochgezogene Augenbraue à la „ihr schon wieder“ ins Gesicht.

Wås liegt, pickt

Man kann sich meine Überraschung also vorstellen, als ich beim Interviewtermin plötzlich vier adrett gekleideten und jungen Herren entgegentrat. Während die Gründungs- und Vereinsmitglieder Florian, Sebastian und Philipp stolz ihre blauen Vereinsjacken aus Loden trugen, muss sich „Anwärter“ Markus das schöne Teil erst verdienen – aber dazu später. Kurz in die Runde gefragt wer von wo kommt und welchen Beruf ausübt fiel mir auf, dass es sich um eine sehr vielschichtige Runde handelte. Kennen gelernt haben sie sich – wie die anderen Gründungsmitglieder Patrick, Christian und Andreas – beim Tennisclub in St. Johann. Dort fragte Sebastian beim Training, ob nicht jemand Lust auf eine Partie Karten spielen hätte. „Wir haben uns über den Vorschlag gefreut, denn mit dem Kartenspielen verbanden wir positive Erinnerungen an unsere Kindheit,“ erzählt Obmann Florian. Aus den gelegentlichen Treffen entstand bald eine gesellige Männerrunde, die sich sonntags gerne in verschiedenen Gasthäusern zum Kartenspielen traf – wo sie natürlich auffielen. „Fast überall wo wir hinkamen, wurden wir angesprochen. Die Wirtsleute wollten gerne wissen, was wir denn da spielen und sie haben sich gefreut, uns „Junge“ beim „Kaschtln“ zu sehen,“ erinnert sich Sebastian. Der Verein KC stellte fest, dass, so wie die Kartenpartien, auch die Wirtshausgeselligkeit abnehmend ist. Kurzerhand wurden die Treffen mit der Belebung der Gastronomie verbunden – man suchte sich immer andere Lokalitäten für die Zusammenkünfte aus. Konnten sie in der ein oder anderen Gaststube dann sogar Hinweise wie Wandbemalungen mit Karten oder ähnliches entdecken, freuten sie sich besonders. „Eigentlich könnte KC auch für Kulinarik Club stehen,“ lachen die vier und Sebastian erklärt: „Wir haben uns für den Namen Kartenclub entschieden, weil wir für alle Kartenspiele offen sein möchten.“ Schnapsen, Mulatschaggn, Loign und viele mehr sind traditionsträchtige Spiele, die immer wieder bei den KC-Treffen hervorgeholt werden. Bisher wurde Watten zum Lieblingsspiel gekürt.

Spechtler

Eingefleischte Watter kennen neben den vier Spielmodi (nämlich Klassisch, Kritisch, Ladinisch und Kritisch-Ladinisch) auch den Fachjargon, das Kartenlatein. Da fallen während des Spieles Ausdrücke wie „Schellinski war ein Pole“, „Wås sågt die Schrift?“ und vieles mehr. Manche Karten haben auch eigene Namen, wie zum Beispiel die Herz 7, nämlich „Spechtler“. Die Mitglieder des KC, besonders Vizeobmann Philipp wollte dem historischen Hintergrund auf den Grund gehen und hat Interessantes entdeckt: „Die Doppeldeutschen Karten der Firma Piatnik mit den vier Jahreszeiten erzählen die Geschichte über die Ermordung des Schweizer Freiheitskämpfers Wilhelm Tell.“ Betrachtet man die Herz 7 Karte genauer kann man tatsächlich hoch zu Ross den habsburgischen Landvogt Hermann Gessler entdecken, in dessen Herz sich ein Pfeil bohrt. Hinter dem Busch am Rand der Karte „spechtelt“ Wilhelm Tell mit seiner blauen Mütze hervor und wer Schillers Drama kennt, weiß, dass er derjenige war, der den tödlichen Schuss mit der Armbrust getätigt hat. Der „Spechtler“ ziert auch das Vereinslogo, porträtiert von einem steirischen Künstler.

Kaschtln für den guten Zweck

Kartenspielen verbindet, die unterschiedlichsten Leute kommen zusammen und es gibt keine Alters- noch andere Grenzen, davon sind die Mitglieder des KCs überzeugt. Sie haben einige Anekdoten auf Lager von vergangenen Spielen, wie zum Beispiel ihre erste Teilnahme bei einem Preiswatten. Um Punkt 16:00 Uhr wie in der Einladung angegeben standen sie beim Treffpunkt – und wurden ordentlich vertröstet. Denn bevor es zum Watten ging, galt es erst einmal in Ruhe einen Schweinsbraten zu verspeisen, dafür wurden die Sieger dann erst gegen 2 Uhr früh gekürt – Uhrzeiten bei solchen Events gelten immer nur als ungefährer Richtwert. Sie erzählten auch schmunzelnd, wie ein paar achtzigjährige Damen die Mitglieder des KC beim Watten locker in die Pfanne hauten, und dass sie von den älteren Kaschtler-Gurus schon des Öfteren eines Besseren belehrt wurden. Sie sehen ihre Mission klar darin, die Tradition des Kartenspielens wieder unter die Leute zu bringen und in ein aktuelles Licht zu rücken. Eine von Generationen gepflogene Tradition droht verloren zu gehen, dies gilt es tunlichst zu verhindern. Durch Corona ausgebremst konnten sie bisher ihr angestrebtes Ziel, „Kaschtln im Seniorenheim“ noch nicht verwirklichen. „Wir möchten der älteren Generation etwas zurückgeben,“ so Florian – wir dürfen also gespannt sein! Ihre erste Veranstaltung als Verein fand im Spätherbst in der Homebase statt und war ein voller Erfolg. Unter dem Motto „Kaschtln für den guten Zweck“ kam neben vielen lustigen Spielpartien auch eine beachtliche Gesamtsumme von € 1.000,– zusammen, die gespendet wurde. Die Freude der Familie über die Spende, die sie dringend notwendig hatte zu sehen, hat die Burschen sehr bewegt. Das Charity-Preiswatten in der Homebase soll nach der sehr guten Resonanz künftig ein Fixtermin im KC-Kalender werden.

Maiaufblattln im Mai 2023

Das nächste Event des KC, wozu sie auch herzlich Jedefrau und Jedermann einladen, wird im Mai 2023 im Hotel Heigenhauser in Waidring stattfinden. Geplant ist ein Preiswatten im klassischen Spielmodus mit Preisgeld. Für das leibliche Wohl ist gesorgt –­ die Besucher können sich auf eine ausgezeichnete kulinarische Umrahmung freuen – dafür steht der KC mit seinem Namen.

Ironisch elitär

Wer nun Lust bekommen hat, sich in einer heiteren Runde zum Watten oder anderen Kartenspielen zu treffen, kann sich jederzeit gerne den offenen Kartenpartien des KC anschließen. Aufgrund der regen Nachfrage ist künftig geplant, regelmäßig ein „offenes Kaschtln“ in der Homebase ­St. Johann zu veranstalten, wozu alle begeisterten Kaschtler jeden Alters und Geschlechts herzlich eingeladen sind. Man muss sich weder anmelden, noch muss man paarweise erscheinen, jeder ist willkommen und findet bestimmt eine gesellige Spielrunde vor. Abgesehen davon kann jeder gerne mit dem KC in Kontakt treten, entweder via Facebook (unter „KC St. Johann anno 2020“) oder E-Mail (kc.anno2020@hotmail.com).
Zum Vereinsmitglied braucht es aber dann doch etwas mehr – das weiß „Anwärter“­ Markus am besten. In einer­ zweijährigen „Probezeit“ wird er augenzwinkernd auf Herz und Nieren geprüft, ob er denn wirklich das Zeug, die Ausdauer und den Willen hat, zum stimmberechtigten Vereinsmitglied ernannt zu werden und eine der trachtig-modernen, blauen Vereinsjacken aus dem Tiroler Traditionshause Giesswein zu erhalten. „Uns ist es wichtig, dass sich die Mitglieder mit dem Verein voll identifizieren können und sich regelmäßig und vor allem gerne treffen wollen, um zu kaschtln,“ so Philipp und Florian. Der Stammtisch findet einmal im Monat statt, über das ganze Jahr verteilt nimmt man an vier bis fünf Events teil. Geplant sind auch verschiedene Vereinsausflüge, zum Beispiel ein Besuch bei der Spielfabrik Piatnik in Wien.
Die Freude der jungen Männer am Kartenspiel ist ansteckend, man bekommt ein Kribbeln in den Fingern und möchte am liebsten gleich eine gesellige Runde einberufen und die verstaubten Karten wieder durchmischen. Wer weiß, vielleicht sieht man sich ja künftig öfter in Wirtshäusern, zur Abwechslung mit Karten, statt dem Handy in der Hand!

Viktoria Defrancq-Klabischnig