Ein Gespräch mit Christoph Holz über Themen, die uns dieser Tage beschäftigen.

Wir haben mit Christoph Holz, seines Zeichens IT-Nerd, Keynote-Speaker, Podcaster und Influencer, schon des Öfteren geplaudert: über Fluch und Segen der Digitalisierung, über die Risiken und Chancen der Künstlichen Intelligenz und mehr. Immer driften unsere Unterhaltungen dabei ab zu anderen spannenden Themen, mit denen sich der St. Johanner befasst, und über die er auf Bühnen in aller Welt referiert. Ist Christoph Holz ein Spezialist für alles? Nein, aber für viele Bereiche, die uns gerade bewegen. Ob er mit seinen Aussagen immer recht hat oder nicht, wird die Zukunft weisen. Sicher ist, dass sie zum Nachdenken anregen. Zum Beispiel dann, wenn es um Donald Trump geht:
Von vielen Medien wurde der Präsident der Vereinigten Staaten als Machiavelli bezeichnet. Nun ist Niccolò Machiavelli zufällig Christophs Lieblingsphilosoph, er hat sich recht intensiv mit dem bedeutenden Staatsphilosophen der Neuzeit (1469 bis 1527) auseinandergesetzt. Wird es Machiavelli gerecht, dass man Trump mit ihm vergleicht? Der Italiener, so erklärt Christoph, habe zwei Bücher geschrieben: Eines darüber, wie sich das Volk seiner Unterdrücker entledigen und eines darüber, wie der Fürst sein Volk unterdrücken kann. „Im Handbuch für den Fürsten empfiehlt Machiavelli: Begehe alle Grausamkeiten auf einmal gleich am Anfang der Herrschaft, und verteile alle Wohltaten über eine lange Zeit. Wir werden sehen, ob Trump ein Machiavelli ist. Am Anfang war er grausam.“ Ob er am Ende seiner Amtszeit alle Gegner weichgeklopft haben wird und sie alles unterschreiben, damit endlich Ruhe einkehrt? Man werde sehen. Mark Zuckerberg, Jeff Bezos und andere Bosse der Tech-Giganten, wurden bei seiner Angelobung als Oligarchen bezeichnet, wie man sie aus Russland kennt. Seither haben sie hunderte Milliarden Dollar an Börsenwert verloren. „Das ist keine Oligarchie. Wenn die Bosse tatsächlich Einfluss hätten, warum haben sie es nicht verhindert?“, so Christophs Meinung.

Einander zuhören!

Christoph erzählt, er habe vor einiger Zeit ein einstündiges Interview Trumps mit einem Youtuber angesehen. „Wenn Trump bei uns am Tisch sitzen würde, dann fragte er uns, wie es uns geht, was wir tun, er hätte Interesse an unseren Themen. Privat ist Trump vermutlich recht umgänglich“, so Christophs Einschätzung. Als Donald Trump 2016 zum ersten Mal Präsident wurde, hätten ihn alle nur verteufelt und beschämt, die Medien nur unausgewogen negativ berichtet. Mit seiner zweiten Präsidentschaft habe er nun nichts mehr zu verlieren. Deshalb sei Trump in den Kampfmodus übergegangen und jetzt vermutlich der effektivste Präsident aller Zeiten. „Aber halt nicht für das, was wir richtig finden.“

Er sei kein Trump-Fan, betont Christoph. Aber: „Wenn Trump sagt, dass Diät-Cola dick macht, dann hat er sogar recht. Es ist nicht alles falsch, was er sagt. Man will es bloß nicht gerne hören.“ Der Informatiker und Speaker ist der Ansicht, man müsse auch dem amerikanischen Präsidenten zuhören. Wie wir alle wieder lernen sollten, einander zuzuhören. „Auch wenn es schmerzvoll ist. Man kann immer etwas lernen, auch bei Trump. Man sollte aufhören, sich von vorneherein zu verschließen.“
Genauso müsse man den Wähler:innen von FPÖ oder SPÖ oder, in Deutschland, jenen der AfD oder den „Linken“ wieder zuhören. Man sollte unbedingt mit der Ausgrenzung aufhören und ernsthaft verstehen wollen, was den anderen beschäftigt, was Sorgen bereitet. Und nicht auf Spaltung setzen – ein Stichwort, das ihn unmittelbar an Unterbürg denken lässt: das Gewerbegebiet, das nach erfolgter Bürgerbefragung nun nicht realisiert werden soll.

Unterbürg: ein Symptom der Spaltung

Offenbar leben wir in St. Johann in ganz unterschiedlichen Lebenswelten. Christoph hat sich darum bemüht, die Sichtweise aller Seiten zu verstehen. „Früher gab es in St.Johann fast nur Bauern. Und im Vergleich zu heute waren alle sehr viel ärmer – aber auch viel glücklicher. Wir haben die Geborgenheit der kleinen Gemeinschaft gegen den individuellen Wohlstand für Jedermann eingetauscht.“ Heute arbeiten kaum mehr als drei Prozent der St.Johanner und St.Johannerinnen in der Landwirtschaft. Diese enorme Veränderung habe Spuren im Selbstverständnis hinterlassen, so Christoph.
Der heutige Wohlstand für alle, die guten Willens sind, also die Überwindung der Armut, sei kein Zufall. Im Gegenteil: Armut sei weltweit der Normalfall. Was haben wir anders gemacht? „Der weltberühmte österreichische Ökonom Joseph Schumpeter hat das Rätsel des Wohlstandes als erster entschlüsselt: Kreative Zerstörung. Nur wenn wir das Gute konsequent ersetzen durch das Bessere, sichern wir den Wohlstand für unsere Kinder.“ So kamen nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten Traktoren nach Tirol. Auch weil viele Landarbeiter zu Arbeitern bei Bergbahn und ­Egger geworden sind, kam der Wohlstand. Weil ihre Kinder Lehrer, Köche und Krankenpfleger wurden, ist es weiter aufwärts gegangen. Stillstand bedeutet Armut für die nächste Generation.

Weltanschauung

Das pittoreske Unterbürg liegt direkt an der wichtigsten Durchzugsstraße und ist folglich den meisten bekannt. So ist dieser idyllische Fleck weit mehr geworden als ein potenzielles Gewerbegebiet. Es geht um mehr als den Gegensatz von Weide- und Gewerbefläche oder Lebensmittelsicherheit gegen Versiegelung.
Zum Vergleich: In Wien sind 37 Prozent der Bodenfläche versiegelt – in Tirol sind es unter zwei Prozent. 89 Prozent der Fläche Tirols sind schon aus geografischen Gründen vor Bodenversiegelung geschützt. Bei Unterbürg kann es demnach nicht darum gehen – das Areal ist zum Symbol einer schmerzhaften Zeitenwende geworden.
Christoph erklärt: „Was wir oft übersehen, ist, dass es die lokale Lebensmittelsicherheit nie gegeben hat. Wenn die Ernte ausgefallen ist, folgten Hunger und Tod. Gott sei Dank passiert das nicht überall gleichzeitig. Erst ab dem 19. Jahrhundert war endlich ein Kraut gegen den Hunger gewachsen: die Globalisierung. Die große Hungersnot um 1850 in Irland gilt als erstes Beispiel, wo Grundnahrungsmittel von einem anderen Kontinent, Amerika, den Hunger zumindest lindern konnten.“ Für den St. Johanner ist klar: „Lebensmittelsicherheit oder Bodenversiegelung werden vorgeschoben. Im Kern geht es um eine Auseinandersetzung der Weltanschauungen. Es geht um das Gleichgewicht von Lebens- und Wirtschaftsraum.“
Der emotionalisierte Streit um Unterbürg sei für keine Seite ein Ruhmesblatt, meint Christoph. „Ich kenne niemanden, der sich bei diesem Konflikt ein Lob verdient hätte.“ Das Gewinnen sei offenbar wichtiger gewesen als der Frieden in der Gemeinde. Alle haben verloren – ganz besonders die nächste Generation. „Es wird Zeit, wieder aufeinander zuzugehen!“

Christoph Holz/Doris Martinz