Als Leistungssportler den Berg bezwingen und als Steinmetz aus Stein Skulpturen formen, schließt sich nicht aus, wie der Profi-Skibergsteiger beweist.

Andi Mayer ist 24 Jahre alt, Skibergsteiger, Profisportler und in Kirchdorf aufgewachsen. Auf mich wirkt er wie der Inbegriff eines „Lausbubens“. Verschmitztes Lächeln, immer ein flotter Spruch auf den Lippen und gut gelaunt – mit einer Leichtigkeit, die schwer in Worte zu fassen ist. Auch jetzt, obwohl wir uns nicht direkt gegenübersitzen, sondern bei einem Online-Call. Denn Andi ist gerade für drei Wochen im Trainingslager am Kitzsteinhorn und trainiert „volle Kanne“.

Mit Mamas Skitourenausrüstung

Andi war schon immer gern in der Natur. Während andere Jungen in seinem Alter vor einer Spielkonsole saßen, fand man ihn am Berg – egal ob am Maiklsteig in St. Johann oder am Kalkstein. „Leistungssport war für mich früher überhaupt kein Thema“, sagt Andi lachend. Skitouren machte er damals noch keine, dazu kam es erst an einem Wintersporttag schulischerseits. „Neben den üblichen Sportarten wie Skifahren, Eislaufen & Co wurde damals erstmals auch eine Skitour angeboten“, berichtet er. Und so ging’s mit Mamas Skitourenausrüstung und seinen Freunden zu seiner ersten Skitour auf die Buchensteinwand. „Die Tour war so eine Gaudi, dass wir zusammen am gleichen Tag gleich noch eine unternommen haben.“ So war das Feuer entfacht. Irgendwann stand das erste Skitourenrennen mit Mamas Ausrüstung am Programm – auf den Harschbichl, heute sein Hausberg. „Das war echt zach und anstrengend, aber ich habe sehr gute Erinnerungen daran und die Zeit war überhaupt kein Thema, ich war schon froh, dass ich überhaupt oben angekommen bin!“ Danach wurde die erste eigene Tourenausrüstung angeschafft und fortan laufend eingesetzt.

Im Anschluss an die Hauptschule absolvierte Andi ein Jahr in der Polytechnischen in St. Johann, um sich beruflich zu orientieren. „Ich wollte immer mit einem warmen Material arbeiten – Holz zum Beispiel“, doch es kam anders. Im Sommer unterstützte Andi seinen Vater, einen selbstständigen Steinmetz, bei seinen Arbeiten. Kein warmes Holz, sondern kühler Stein. Doch überrascht davon, wie leicht der Stein zu bearbeiten war und was sich daraus erschaffen ließ, begann er seine Lehre als Steinmetz, die er auch abschloss. „Steinmetz ist ein toller Beruf, den ich nach meiner Sport-Karriere unbedingt ausüben möchte. Ich mag’s, wenn ich mit meinen Arbeiten den Menschen eine Freude machen kann.“ Doch die macht er sich auch selbst. Zum Beispiel, wenn er während seiner Trainingseinheiten beim Brunnen an der Brücke in Kirchdorf stehenbleibt, um sein Wasser aufzufüllen. Den Brunnen hat er selbst gefertigt, das zeigen seine Initialen am Sockel. Nach seiner Lehre arbeitete Andi noch ein Jahr als Geselle, trotzdem trainierte er auch während dieser Zeit viel für „seinen Sport“. „Bei mir war nie das Problem, dass ich mich zum Trainieren nicht motivieren konnte, eher das Gegenteil war der Fall“, ergänzt er. Die Zeit zwischen Arbeit und Training danach wie auch am Wochenende hat ihn sehr diszipliniert gemacht. „Herauszufinden, dass man sich selbst so für etwas begeistern kann, dass man so viel Hingabe investiert und dafür auf viel anderes verzichtet, war für mich auch ein Aha-Moment“, erinnert er sich. Nachdem Andi seinen ersten Trainer hatte, kam er zum Bundesheer und wurde Heeressportler. Aktuell ist er dort Profi und darf mit seinen Worten „davon leben, Profisportler zu sein und Österreich in der Welt zu vertreten“. Und darauf ist er, das merkt man ihm an, durchaus stolz.

Skitourengehen auf Triple-Espresso

Die Sportart des Skibergsteigens* lässt sich für mich am besten erklären als „Skitourengehen auf Triple-Espresso“ – also möglichst schnell mit einer Skitourenausrüstung auf einen Berg und teilweise wieder herunter. Dabei gibt es drei Disziplinen: beim „Sprint“ einen Rundkurs mit simulierten Spitzkehren, der alle technischen Anforderungen des Tourensports erfordert. Das heißt, es wird auf Tourenski gestartet, es folgen Spitzkehren und Tragepassagen. Dazu gehören das Abfellen und die Abfahrt zurück zum Start. Ein Sprint dauert ca. 2,5 bis 3 Minuten und die Athleten überwinden ca. 100 Höhenmeter. Die zweite Disziplin heißt „Vertical“. Der Start ist im Tal, das Ziel am Berg. Es gewinnt, wer am schnellsten oben ist. Bei diesem Rennen überwinden die Sportler und Sportlerinnen in 20 bis 50 Minuten ca. 500 bis 1.000 Höhenmeter. Und zu guter Letzt noch das „Individual“: Dieser Modus besteht aus einem Rundkurs mit mehreren Anstiegen und Abfahrten. Auch hier gibt es Spitzkehren und Tragepassagen. Die Dauer variiert zwischen 1 bis 2 Stunden und es werden zwischen 1.500 und 1.800 Höhenmeter zurückgelegt.

Auf seine Erfolge angesprochen, sagt Andi: „Mein schönster Erfolg war sicher, als ich zum ersten Mal beim Jugendweltcup auf dem Podest stand. Davor bin ich immer so knapp am Podium vorbeigerauscht, immer der 4. oder 5. Platz. Der erste Podestplatz war für mich dann ein Augenöffner, da wusste ich, dass ich das kann!“ Mittlerweile hat er u. a. drei Staatsmeistertitel im Sprint und eine Top-10-Platzierung beim Heimweltcup in Schladming letzten Winter mit nach Hause gebracht.

Von Salt Lake City nach Milano Cortina

Ich habe mich ein wenig informiert und weiß, dass in Milano Cortina im Februar 2026 erstmals auch das Skibergsteigen bei Olympia vertreten sein wird. „Oh Gott, bei dem Wort werde ich gleich wieder ganz nervös“, so Andi. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob er antreten darf. Nach dem ersten Weltcuprennen am 7. Dezember in Salt Lake City weiß er mehr. Gemeinsam mit seinem Physiotherapeuten reisen sie als einzige Österreicher in die USA. Dort kann er hoffentlich einen zweiten Startplatz für die österreichischen Skibergsteiger holen. „Die Teilnahme an Olympia wäre ein Traum für mich!“, schwärmt er.
Aber die Zeit ist um, gleich geht Andis Training am Kitzsteinhorn weiter. Er dreht noch kurz die Kamera und zeigt mir den Blick aus seinem Fenster. Die Wolken sind grau in grau, der Gletscher wirkt wenig einladend. Es bleibt, Andi für die kommende Wintersaison alles Gute zu wünschen. Und natürlich, dass er sich seine Leichtigkeit beibehält, denn unabhängig von Olympia ist eines sicher: Andi macht seinen Weg, ob in der Kälte beim Tourengehen oder mit dem Werkstoff Stein.
* Übrigens denke ich beim Skibergsteigen unweigerlich an Krampusse. Vielleicht, weil ich mir kaum vorstellen kann, so schnell wie Andi einen Berg raufzuhasten – eben nur dann, wenn ich eine Horde Krampusse inklusive Glocken auf meinen Fersen hätte.

Theresa Hager