Als Rockband „Fesch“ eroberten vier St. Johannerinnen die Bühnen in nah und fern.

Der Sound: punkig, rotzig, frech. Mit fetzigen Drums und laut heulender E-Gitarre, der es nicht an Selbstvertrauen fehlt. Die Outfits: eng anliegende Hosen, noch engere Tops, alles mit viel Glitzer, natürlich selbstgenäht. Die Girls: Daniela, Barbara, Petra und Elisabeth, eine fescher als die andere, alle aus Sainihåns. Der Bandname: naheliegend – „Fesch“. „Obwohl wir das damals gar nicht auf unser Aussehen bezogen haben, sondern eher auf unsere Musik“, erklärt Barbara Fischer (geborene Pletzenauer) etwas verlegen. Daniela Larcher lacht. „Das hat schon gepasst!“ 1996 gründeten die vier jungen Ladys, alle im Alter von 19, 20 Jahren, in
St. Johann ihre Girl-Band. Weil Daniela bei einem Besuch einer Freundin in London auf so eine Girl-Band gestoßen und total inspiriert war. Und weil Barbara ohnehin auf der Suche nach einem sinnvollen Zeitvertreib war. Am besten einem, der irgendwie mit Musik zu tun hatte, denn sie war damals schon Sängerin bei den „Sticky Fingers“ in Fieberbrunn und spielte den E-Bass. Barbara und Daniela kannten sich aus der Schule und waren Schulkolleginnen von Petra Jöchl (verheiratete Wagger) und Elisabeth Horngacher (später Trockenbacher). Dass Bandleaderin Daniela kein Instrument spielte, störte weder sie selbst noch die anderen, als man die ersten Pläne schmiedete. Sie wurde kurzerhand zur Leadsängerin ernannt und meldete sich zum Gesangskurs an der örtlichen Musikschule an. Elisabeth wurde angehalten, von der klassischen Akustik-Gitarre auf E-Gitarre umzusteigen, das passe besser zu einer Rockband. Fehlte noch das Schlagzeug. Petra hatte als Kind die Zither gespielt – was lag näher, als ihr den Job an den Drums zu verantworten? Nach anfänglichem Zaudern fügte sie sich und schrieb sich in der Musikschule ein. Freilich wollten die anderen nicht so lange warten, bis sie den Beat beherrschte. Die jungen Frauen legten los, einfach so, und zwar sofort. Mit dem Ziel, gemeinsam Spaß zu haben. Mehr wollten sie gar nicht. Vorerst.

Geht doch!

Nach einem Jahr „Spaß“ beim Proben wagten sie sich an das erste Konzert beim Bergsee in St. Johann. Was sie dabei ablieferten, sorgte für wohlwollendes Erstaunen bei Freunden, Bekannten und bei den Familien. Und bei den vier jungen Musikerinnen selbst wohl auch. Es klang echt cool!
„Wir haben zuerst ausschließlich Songs gecovert“, erzählt Barbara bei unserem Gespräch bei ihr zuhause. Werke von Garbage, Hole, Nirvana und Cyndi Lauper seien unter anderem auf der Playlist gestanden. Später schrieben sie auch eigene Songs, nachdem sie einen Bezirkswettbewerb und damit zwei Tage Studioaufnahmen gewonnen hatten. Ihre erste CD trug den Titel „Naughty but nice“. In ihren Liedern ging es um Themen, die junge Frauen beschäftigten: um Probleme mit Männern, gesellschaftliche Zwänge, den Wunsch nach Freiheit und mehr. „Fesch“ waren „Revoluzzer“, die ihre Meinung laut hinaus sangen. Frauen bewunderten sie dafür, Männer warfen hin und wieder Rosen auf die Bühne. Heiratsanträge gingen aber nicht ein. „So eine Rockröhre wollte dann doch keiner von den Fans daheim haben“, sagt Daniela lachend. Außerdem waren sie alle vergeben. Stolz waren auch die Eltern auf ihre Töchter – obwohl ihnen ihre Musik nicht gefiel.
Alles lief schließlich besser, als sie es selbst erwartet hatten: Die Girls mit ihrer frechen, unbekümmerten, selbstsicheren Art kamen beim Publikum an und wurden bald für private Partys und Veranstaltungen gebucht. „Archaic Girl Rock“ nannten sie ihre Stilrichtung. Ihre Version von „She Bob“ von Cyndi Lauper wurde sogar auf FM 4 gespielt, die Band wurde zum Interview nach Wien eingeladen.

Der Erfolg ist greifbar

Spätestens ab diesem Zeitpunkt wachten die „Mädchen vom Lande“ auf – sie „rochen“ den großen Erfolg, den internationalen Durchbruch. Die Nachfrage nach ihrer Musik stieg, Girl-Bands waren damals rar. Bei einer Reihe von Rockfestivals in Österreich und Deutschland lud man sie auf die Bühne. Ihr größtes Konzert gaben sie vor einigen tausend Menschen als Vorgruppe der „Bloodhound Gang“ im Innsbrucker Hafen. Die „Rockgören“ nahmen Demobänder auf und verschickten sie an die großen Studios. Und sie wurden tatsächlich zum Vorspielen eingeladen, unter anderem von „Sony“. Sie fuhren nach Dortmund und Frankfurt, ihre Instrumente und Songs im Gepäck, die im Auto fast keinen Platz fanden, weil ihre Träume so viel Raum beanspruchten.
Doch der große Plattenvertrag blieb aus, das Rennen ging wohl an die „Spice Girls“, die in jenen Jahren ganz groß herauskamen. Aber es war knapp, oder? „Haarscharf!“, scherzt Barbara. Heute, nach so vielen Jahren, kann sie herzlich über ihre Ambitionen als junge Frau lachen. Damals war der große Erfolg ein Traum, der greifbar schien.
Zumal die Band sogar zweimal in New York auftreten konnte. Wow! Wie das? „Das hat Kelly für uns arrangiert“, erklärt Daniela. Gitarristin Kelly aus Amerika war eingesprungen, als sich Elisabeth längere Zeit im Ausland aufgehalten hatte. Als Kelly später einen Tiroler heiratete, lud sie ihre ehemaligen Bandkolleginnen nach New York ein und organisierte für sie einen Gig in einem angesagten Club. „Das war unglaublich cool“, erinnert sich Barbara lächelnd und scheint mit den Gedanken gerade sehr, sehr weit entfernt zu sein.

Traum und Realität

Etwa fünf Jahre lang rockten Daniela, Barbara, Petra und Elisabeth die Bühnen in nah und fern. Sie organisierten ihre Auftritte alle selber, verhandelten mit den Veranstaltern, lernten, für sich selbst einzustehen. Und sagten irgendwann: „Für ein Würstel und ein Saftl spielen wir nicht mehr!“ Sie fuhren mit den eigenen Autos zu den „Gigs“, das Schlagzeug fand in dem kleinen VW Golf von „Pez“ kaum Platz. Aufregende Zeiten voller Abenteuer waren es. Einmal verwechselten „Fesch“ den Aufrittsort Lambach mit Lembach und kamen mit viel Glück noch rechtzeitig am richtigen Ort an. Einer der vielen Veranstalter meinte, es wäre super, wenn sie „oben ohne“ auftreten würden. Dafür waren sie jedoch nicht zu haben. Sie blieben sich und ihrer Musik treu. Auch wenn die „große Kohle“ ausblieb. Die gemeinsame Freude an der Musik und an den vielen kleinen tollen Erlebnissen entschädigte für alles. Neben den Gigs absolvierten alle ihre Ausbildungen.
Irgendwann waren sie dann fertig und stiegen ins Berufsleben ein. Es wurde zunehmend schwieriger, alles unter einen Hut zu bringen. Außerdem wurden die jungen, wilden Rockgören älter und reifer – die revolutionären Texte wollten eines Tages nicht mehr so richtig zu den Interpretinnen passen, die nach und nach Mütter wurden. „Die Realität hat uns eingeholt – von irgendwas mussten wir schließlich auch einmal leben“, meint Barbara. 2002 war Schluss mit „Fesch“.
Was bleibt, sind unzählige, schöne Erinnerungen an eine „total lässige“ (Barbara) Zeit, in der die jungen Frauen ihre Sicht zu vielen Dingen über ihre Musik in die Welt hinaus rockten. „Meine Tante hat damals zu mir gesagt, dass sie es sehr cool findet, dass wir die Dinge einfach beim Namen nennen und uns trauen, das zu tun, was uns gefällt. Wir haben nicht groß darüber nachgedacht. Im Nachhinein finden wir es selber toll. Jetzt weiß ich, was sie gemeint hat. Wir waren einfach unbedarft“, sagt Barbara. Sie ist die einzige, die der Musik bis heute verbunden blieb, sie tritt immer wieder als Sängerin (unter anderem der Musikkapelle St. Johann und bei „The Kittens“) in Aktion und hat eine CD mit dem Titel „Picnic On The Moon“ mit ihren eigenen Songs aufgenommen (hört via QR-Codes rein!). Alle Lieder kann man von gängigen Musikplattformen herunterladen. Zu den meisten Songs gibt es auf YouTube nette, kreative Videos.

Das endgültige Aus

Als die „Fesch“-Bandmitglieder 30 Jahre alt wurden, vor 16 Jahren, kam es bei der gemeinsamen Geburtstagsfeier zu einem Revival. Bei einer großartigen Party mit mehr als 100 Gästen ging „Fesch“ (fast) wie früher ab. Es war das erste und letzte Revival, es kann und wird kein weiteres geben. Denn letztes Jahr trat etwas ein, das alle „Fesch“-Träume für die Zukunft zunichte machte: Petra verstarb. Petra, die Drummerin, die alles zusammenhielt mit ihrem Beat und jeden selbst geschriebenen Song irgendwie spielbar machte. Ihr Tod hat einen endgültigen Schlussstrich unter das Kapitel „Fesch“ gezogen.
Doch in der Erinnerung lebt die Band, lebt Petra weiter. Barbara, Daniela und Elisabeth sehen sie vor ihren geistigen Augen, wie sie erschöpft aber glücklich nach der Probe mit ihnen gemeinsam das „Kellerloch“ (Proberaum) verlässt. „Der Raum war schrecklich, aber wir haben ihn uns nett hergerichtet“, erzählt Barbara. „Nach der Probe ging es uns immer besser als vorher!“ Die Musik schweißte die vier Frauen eng zusammen und schuf ein Band, das sie für immer aneinander bindet. Eines, das selbst der Tod nicht durchtrennen kann. Daniela hält Barbara ein Foto hin, auf dem die vier „feschen“ jungen Damen in der Badewanne abgelichtet sind – ein Werbeshooting, das für Aufsehen sorgte. Die beiden lachen herzlich. Sie werden sich die Bilder auch mit Elisabeth wieder einmal anschauen. Es wird dann sein, als wären sie wieder zu viert …

Doris Martinz