Bettina Bielfeldt kümmert sich im Verein „Samtpfotenstube“ um die „Nager“. Warum sie sich manchmal wie in einem Partnervermittlungsinstitut fühlt und mehr.

In der letzten Ausgabe der St. Johanner Zeitung haben wir euch Martina Reichenfelser vorgestellt, die sich als Obfrau der „Samtpfotenstube“ aufopfernd um kleine, mutterlose Katzenkinder kümmert. Heute rücken wir ihre Stellvertreterin im Verein ins Rampenlicht: Bettina Bielfeldt. Bettina stammt aus dem Schwabenland, es ist nicht zu überhören. Das mit dem Dialekt, das wird nichts mehr, sagt sie und lacht. Aber ihr jüngster Sohn, ein „Nachzügler“, zwölf Jahre alt und geboren in St. Johann, sei dafür der „Urtiroler“ der Familie.
Schon immer liebte sie Tiere, wünschte sich bereits als Kind einen Hund. Den Traum, den sie sich damals nicht erfüllen konnte, weil die Familie in einer Mietwohnung lebte, machte sie in ihrem Haus in Gasteig wahr, nachdem sie mit ihrem Mann hierher gezogen war – er kam aus beruflichen Gründen in die Region. Heute werden Besucher von Sunny, Kira und Mana schwanzwedelnd begrüßt. Mana war ein Straßenhund in Albanien, sie wurde mit einem Jungen aufgegriffen. Als es starb, verweigerte sie die Nahrungsaufnahme und erholte sich erst, nachdem sie bei den Bielfeldts gelandet war. Bettina kümmert sich um Mana mit derselben Liebe, die sie seit insgesamt zwölf Jahren auch den „Fellnasen“, ihren Pflegehasen, angedeihen lässt.

Unterschiedliche Gründe

Letztes Jahr vermittelte die 53-Jährige insgesamt 72 Hasen und Kaninchen an neue Besitzer. Die Vierbeiner waren nicht alle direkt aus der engeren Region zu ihr gekommen, sondern aus dem Gebiet zwischen dem Pinzgau und dem Tiroler Oberland inklusive Osttirol. Weil sie „zu groß“ geworden waren, oder weil die Kinder zu groß geworden waren und kein Interesse mehr an den Tieren hatten. Weil das „Geschenk“ seinen Reiz verloren hatte. Weil ein Tier gestorben war, und man nicht wieder einen zweiten Hasen anschaffen wollte – Ende nie. Weil man zur Corona-Zeit Hasen angeschafft hatte, dann wieder arbeiten ging und – huch – nicht wusste, wohin mit den Langohren. Bettinas Schützlinge kommen aus den verschiedensten Gründen zu ihr. Oft sind es keine schönen.
Es sind meist zirka 20 bis 30 Vierbeiner, die in der Garage in ihren Ställen bei ihr wohnen und im Sommer untertags die Hoppelwiese gegenüber ihres Hauses bevölkern. Die Nachbarn stellen die Grünfläche großmütig für die Hasen zur Verfügung. „Ohne ginge es nicht“, sagt Bettina. Über die Abgabegebühr von 25,- Euro pro Hase finanziert Bettina das Futter, sie ist quasi ein „Selbstläufer“ im Verein, wie sie sagt. Nur, wenn für ein Tier Medikamente oder gar Operationen zu bezahlen sind, hilft natürlich der Verein.

Lucky hatte Glück

Ihr erster Schützling „Lucky“ kam durch Zufall zu Bettina: Sie entdeckte ihn in einem Geschäft, das auch einen Zoohandel betreibt. Das Zwergkaninchen war von seinen Besitzern zurückgebracht worden, weil es zu groß wurde (!). Er sollte zurück zum Züchter gehen – mit ungewissem Schicksal. An diesem Tag kam Bettina mit ihren Einkäufen und einem Hasen in einer Schachtel zurück nach Hause. Er gesellte sich zu den beiden anderen, die den Kindern gehörten. Und er blieb nicht der einzige.

Schon bald kam der nächste. Kamen viele. Bettina konnte sie unmöglich alle selber behalten. Deshalb werden sie nach kurzem oder auch längerem Aufenthalt bei ihr daheim in Gasteig in Gruppen oder als Paar vermittelt, immer mehr aber auch einzeln. „Ich fühle mich manchmal mittlerweile wie in einer Partnervermittlung“, schildert Bettina die Situation. Denn nicht alle Tiere passen zusammen. Es kommt immer wieder mal vor, dass sie ein Kaninchen wieder zurücknehmen muss, weil es sich nicht mit dem neuen Partner verträgt. Das ist kein Problem, es hat sich immer noch ein Ersatz gefunden, bei dem dann die Chemie stimmte. Je besser die Haltung, je größer das Gehege, desto größer die Chance, dass die „Vergesellschaftung“ gelingt.

Kaninchen-Grüße zu Weihnachten

Bettina ist heute in der glücklichen Lage, dass sie sich die neuen Besitzer, an die sie ihre Schützlinge abgibt, aussuchen kann. Mit vielen von ihnen hält sie Kontakt, oft bekommt sie Fotos zugeschickt, zu Weihnachten viele Karten mit Kaninchen-Bildern. Sie zeigen Zwergkaninchen oder Zwergmischungen in allen Fellfarben, entzückende Hermelin-Häschen mit kurzen Nasen und Ohren, „Rex“ mit charakteristisch flauschigem Fell und richtig „große“ Hasen. Bettina macht keine Unterschiede beim Vermitteln, für sie sind alle gleich viel Wert. Was sie immer besonders freut, ist, wenn „Problemkinder“ ein zuhause finden. Wie die zwei blinden Meerschweinchen, die gerade einen Gnadenplatz bekommen haben. Oder wenn Tiere eine zweite Chance bekommen – wie „Schnuffi“: Bettina erinnert sich noch an den Anruf der Amtstierärztin, die meinte, sie solle sich aufmachen zur Polizeiinspektion St. Johann, denn dort sei ein Hase abgegeben worden. Auf der Inspektion war man wenig entzückt über das nasse, dreckige, dunkelgraue, stinkende Etwas, das der Briefträger beim Austragen aufgegriffen und, da er sich nicht anders zu helfen wusste, bei der Polizei abgegeben hatte. Ein Bein des Tieres war total verdreht, beim Tierarzt humpelte es hilflos herum. „Ein 50:50-Kandidat“, meinte der Veterinär. „Ich kann ihn einschläfern, oder du päppelst ihn auf.“ Die Antwort war klar. Daheim badete Bettina den Hasen und stellte fest, dass er nicht grau, sondern weiß mit Flecken war. „Er ist heute mein liebster Hase ever, ein voller Kuschler“, sagt Bettina lächelnd.
Zwölf Jahre und mehr kann ein Hase leben, wenn es ihm gut geht. Manchmal büxt einer der Schützlinge aus. Dann stöbert ihn Kira, die schwarze Mischlingshündin, auf und schleckt ihn in Grund und Boden. Oder sie apportiert ihn. Beides tut den Ausreißern nicht weh, aber noch nie hat es einer von ihnen ein zweites Mal gewagt …

Schwere Entscheidungen

Natürlich bringt die Pflege von Tieren auch traurige Momente mit sich. Bettina erlebte sie, als eine Viruskrankheit sich in ihrem Bestand ausbreitete – trotz Impfung, tierärztlicher Kontrolle, engmaschiger Kontrolle und alldem. Das Virus brachte einigen Hasen und Kaninchen den Tod.
Dass man Tiere gehen lassen muss, ist für Bettina klar. Aber sie einschläfern zu lassen, ist schwer. „Ich hasse das“, sagt sie. „Ich möchte nicht Gott spielen und sagen, heute darfst du noch leben und morgen gehst du.“ Vermeiden lässt sich der letzte Schritt dennoch nicht immer. Doch solange ein Vierbeiner frisst, kämpft Bettina um sein Leben.
Dabei arbeitet sie eng mit anderen Vereinen in der Region zusammen. Man hilft sich gegenseitig – zum Wohl der Tiere. Heuer übernahm sie sogar zwei Hängebauchschweine, die eine Winterunterkunft brauchten. Ihr Sohn kümmerte sich um sie, mistete jeden Tag aus und fütterte. Tierliebe steckt wohl auch in seinen Genen.
Inzwischen ist Bettinas Hasen-Pflegestelle so etwas wie ein Kompetenzzentrum für die Vierbeiner geworden. Sie mag das Wort nicht, aber es trifft die Sache ganz gut. Denn täglich treffen Anrufe ein, die sich um Hasen mit Durchfall drehen, um Tiere, die nicht fressen wollen und ähnliche Probleme. Dank ihrer Erfahrung kann Bettina oft helfen.

Ihre Pflegehasen sind meist „Durchläufer“ und werden über kurz oder lang vermittelt. Das hat noch immer geklappt, bekräftigt Bettina. Manchmal finden auch Hasenbabys den Weg zu ihr, im Juni dieses Jahres musste sie eines von ihnen ein paar Tage lang mit der Hand füttern – alle drei Stunden, mit einer Spritze. Der Korb mit dem Häschen stand im Schlafzimmer, gleich neben ihrem Bett. „Das gehört halt dazu“, sagt die „Hasenmama“.
Obwohl sie sich nicht gerne trennt, sind es doch schöne Momente, wenn „ihre“ Tiere ein gutes Zuhause finden. Wenn sie nicht als Bespaßung für die Kinder herhalten müssen, sondern als Lebewesen gesehen werden, deren Versorgung Verantwortung bedeutet. Und die am besten mit viel Liebe verwöhnt werden. Dann kann Bettina aufatmen und den Stall für die nächsten Gäste herrichten. Sie kommen so sicher wie das Amen im Gebet.
bettina.bielfeldt@web.de

Doris Martinz