Simon Aufschnaiter hat sich gegen die Schule und für eine Lehre entschieden. Warum das für ihn der richtige Weg war.

Hat der „Große Gatsby“ einst als Lehrling angefangen, war der „Wolf of Wall Street“ ein Auszubildender? Keine Ahnung. Auf jeden Fall waren sie schillernde Figuren der New Yorker Finanzwelt – erfolgreich, vermögend und sexy. Zumindest auf der Leinwand. Leider fanden beide kein gutes Ende. Dennoch: Simon will da hin. Ganz hinauf. In die obersten Etagen der Finanzwelt in New York, London oder Shanghai.
Nach unserem Gespräch traue ich ihm alles zu. Anzug, Hemd, Krawatte, die Frisur: Das Styling passt. Und Erfolge hat er auch bereits vorzuweisen: Sieg beim Lehrlingswettbewerb 2022, Lehrabschlussprüfung mit Auszeichnung abgelegt, „alles Einser“ im Zeugnis. Der 19-Jährige lebt bei seiner Familie in Oberndorf und arbeitet als Bankkaufmann bei der Sparkasse in Kitzbühel. Ein Zufall führte ihn dahin: Beim Bankbesuch kam er eines Tages am Schalter mit einem Angestellten ins Gespräch. Jener fragte ihn, was er denn einmal beruflich machen wolle und ermutigte ihn, sich um einen Lehrplatz bei der Sparkasse zu bewerben. Simon besuchte damals noch die Unterstufe des Gymnasiums in St. Johann. Der Tipp des „Bankers“ fiel auf fruchtbaren Boden: „Ich war ein guter Schüler, aber der Schultyp hat für mich einfach nicht gepasst, Wirtschaft hat mich schon immer sehr interessiert.“
Nach ein paar „Schnuppertagen“ in den Ferien war klar, dass Simon nach Abschluss des neunten Schuljahres eine Lehre beginnen würde. Zumindest war es für ihn klar. Weniger begeistert war sein Umfeld. Viele Freunde und Bekannte konnten nicht nachvollziehen, warum er sich gegen die Schule und damit quasi gegen den akademischen Weg entschied, um „nur“ eine Lehre zu machen. „Das hat sich angehört, als würde ich den sozialen Abstieg wählen“, schmunzelt Simon heute. Damals verunsicherten ihn die Äußerungen. Doch seine Eltern unterstützten ihn sehr. Er stand zu seiner Entscheidung und entschloss sich für eine Lehre mit Matura.

Schritt für Schritt

Die Matura war und ist kein Honiglecken, gesteht Simon. Neben der Arbeit die Schulbank drücken, auch einmal am Wochenende lernen, „da muss der Wille da sein, von alleine geht das nicht.“ Mathematik, Englisch und Deutsch hat er bereits geschafft, heuer im Juni wird er noch die Prüfung in Betriebswirtschaftslehre ablegen, dann hat er den Abschluss in der Tasche. Sein Arbeitgeber, die Sparkasse, unterstützt Simon sehr: Die Stunden, in denen er für die Matura die Schulbank drückt, werden als Arbeitszeit angerechnet. So blieb und bleibt neben der Ausbildung auch noch Freizeit.
Einen Teil davon nützt Simon für einen weiteren Ausbildungsweg: Im März dieses Jahres wird er die Lehrabschlussprüfung für das Versicherungswesen absolvieren. „Bis zum Sommer möchte ich mit allem fertig sein, denn dann kommt das Bundesheer. Und dann möchte ich gewappnet sein für mein Studium.“ Simon ist zielstrebig und weiß genau, was er will: an der Fachhochschule Kufstein Internationales Management und Wirtschaft studieren. Berufsbegleitend. „Ich möchte nicht voll herausgerissen werden aus der Arbeit, mein Job gefällt mir richtig gut.“ Job und Studium sollten sich vereinen lassen, meint er.
Auf jeden Fall sei es für ihn die richtige Entscheidung gewesen, die Schule gegen die Lehre zu tauschen. „Meine Freunde haben jetzt auch Matura. Aber während sie vier Jahre lang in der Klasse oder während Corona daheim gesessen sind, habe ich Geld verdient und Praxis gesammelt.“

Zahlen, ganz anders

Dass Simon sein Glück ausgerechnet in der Bank fand, ist eigentlich erstaunlich. Zahlen waren in der Schule nämlich gar nicht „Seins“, Mathematik nie sein Lieblingsfach. In der Bank aber ist die Arbeit mit Zahlen eine ganz andere, der Umgang mit großen Summen fasziniert ihn. Er ist intern für das Kreditwesen zuständig, arbeitet viel am Computer, erstellt Berichte für die Aufsichtsgremien und hat auch mit rechtlichen Dingen zu tun. Eine tolle Mischung: „In der Schule war alles Theorie, aber im Job ist es cool und sehr abwechslungsreich, mir taugt das sehr.“
Eine Lehrerin in der Berufsschule erzählte den SchülerInnen von ihrem Job als Fondsmanagerin, Simon war begeistert. Er kann sich eine Zukunft als Hedgefonds Manager vorstellen und scheut sich nicht vor der Verantwortung, die solch ein Job mit sich bringt. Festlegen will er sich aber nicht. „Bis dahin sind es noch viele Schritte. Vielleicht kommt auch alles ganz anders, die Welt verändert sich derzeit jeden Tag.“ Aber als wir vom „Großen Gatsby“ reden, da leuchtet es in seinen Augen.

Wertvolle Erkenntnisse

In seiner (raren) Freizeit schaut sich Simon Fußball- oder Eishockeyspiele an. Er unternimmt auch gerne Städte- oder Kulturreisen, er will etwas sehen von der Welt. Ein Badetourist ist er definitiv nicht: „Da krieg’ ich die Krise!“ Der junge Banker interessiert sich sehr für Geschichte und Politik. Als er sich in den letzten Jahren daheim immer wieder einmal über gewisse Belange in der Heimatgemeinde beschwerte, meinte sein Vater, er solle nicht jammern, sondern es selber besser machen. Also kandidierte Simon bei den Gemeinderatswahlen 2022 und ist nun Ersatzgemeinderat in Oberndorf. Es sei ein gutes Gefühl, die eigene Umgebung mitgestalten zu können, meint er. Zugleich räumt er ein, dass er sich vieles einfacher vorgestellt habe. Erst jetzt erkennt er viele Zusammenhänge und weiß nun, dass es oft nicht einfach ist, Projekte umzusetzen. „Es ist schon blöd, wenn man voller Tatendrang ist und zum Beispiel einsehen muss, dass das vorhandene Budget woanders besser eingesetzt ist als bei den eigenen Ideen.“
Von der Tätigkeit in der Gemeinde profitiert er auch im Job, denn er gewinnt wertvolle Einblicke, zum Beispiel wenn es um Liegenschaften und das Grundbuch geht. Aber nicht nur das: „In der Gemeinde hat man auch mit Leuten zu tun, die anders denken, andere Meinungen vertreten. Damit muss man umgehen lernen und auch einmal seine eigene Position überdenken. Das ist auch im Job wichtig.“ Erstaunliche Erkenntnisse eines erst 19-Jährigen …
Als „fertiger“ Bankkaufmann hilft Simon jetzt dabei, die neuen Lehrlinge auszubilden und kann ihnen so manchen Tipp für Büro und Schule mitgeben. Zu den Dingen, die ihm an seinem Job am besten Gefallen, gehört auch die Gleitzeit: „Ich mag diese Flexibilität und dass man nicht immer ,um Punkt’ im Büro sein muss. Man spricht sich mit den Kolleginnen und Kollegen ab, und dann passt die Work-Life-Balance.“ In dieser Balance ist für eine feste Freundin kein Platz. „Ich bin momentan sehr gut ausgelastet“, drückt er es diplomatisch aus.
Für Simon war die Entscheidung für die Lehre die richtige. Die Matura öffnet ihm bald alle Wege, auch jenen zum Studium. Sein Arbeitsplatz bietet ihm viele Möglichkeiten der Entwicklung. Und wenn es ihn eines Tages wirklich hinaus in die weite Welt ziehen sollte, hat er sowohl eine fundierte Ausbildung als auch viel Praxis und damit das beste Rüstzeug mit im Gepäck. Und das Styling, das stimmt schon jetzt.

Doris Martinz