Angelika Hronek, Patrick Unterberger und Bürgermeister Stefan Seiwald über die Ergebnisse der Einzelhandels-Studie, ihre Aussagekraft und „Hausaufgaben“.
Als Roland Murauer Anfang August dieses Jahres in St. Johann die Ergebnisse der von „regio3“ in Auftrag gegebenen Studie präsentierte, war ersichtlich, dass der Handel in der Marktgemeinde an sich gute Bedingungen vorfindet und in einigen Bereichen sehr erfolgreich ist. Natürlich zeigte er aber auch die Schwachpunkte auf, dabei fiel vor allem der Punkt „Touristische Kaufkraft“ ins Auge. Gäste, so das Ergebnis der Untersuchung, würden in der Marktgemeinde deutlich weniger Geld ausgeben als noch vor ein paar Jahren. Der Wertschöpfungs-Analytiker ortet darin einen dringenden Arbeitsauftrag. Deutlich entspannter sieht es Patrick Unterberger, Obmann des Wirtschaftsforums in St. Johann und Mitglied des Landesgremiums für den Handel mit Mode und Freizeitartikeln der Wirtschaftskammer Tirol. Er hat selbst Recherchen angestellt und kommt auf ein Ergebnis, das zwar einen Rückgang bestätigt, jedoch in einem weit geringeren Ausmaß: „Die Erhebung der touristischen Kaufkraft war nicht Auftrag der Studie, deshalb war die Recherche vielleicht nicht so umfangreich und detailliert wie in den anderen Bereichen. Natürlich ist ein Minus nicht erfreulich, aber es fällt doch viel geringer aus, als es die Studie darstellt. Wir werden dennoch an Konzepten arbeiten, um die Gäste zum Einkaufen zu animieren.“
Abends länger offen?
Bei der Präsentation der Studie wurde in diesem Zusammenhang kurz das Thema Öffnungszeiten im Handel angesprochen. Könnte es Sinn machen, die Öffnungszeiten am Abend zu verlängern? Das sei schwierig, meint Patrick Unterberger. Gesetzlich sei es möglich, Geschäfte bis 21 Uhr offen zu halten. „Doch das würde voraussetzen, dass man nachmittags zusperrt, sonst muss man sich hinsichtlich des Personals völlig neu aufstellen. Dazu fehlen bei uns die Strukturen. Außerdem halte ich es für unmöglich, als einzelner Ort sowas zu starten, da würde man die Leute überfordern.“ Zudem, weiß Unterberger, sind in vielen Branchen gerade die Mittagsstunden von 11 bis 14 Uhr gut frequentiert, während er selbst in seinen Shops abends den Geschäftsschluss von 19 auf 18 Uhr und samstags von 18 auf 17 Uhr vorverlegte. „Die Abendstunden waren bei uns immer die ruhigsten.“
Eine Ausnahme bilden freilich die „Shopping Nights“ im Zuge von „Lang & Klang“, die heuer immer sehr gut frequentiert waren – selbst an den beiden eher regnerischen Mittwochabenden. Einmal jedoch sagte man die „Shopping Night“ aufgrund schlechter Wetterprognosen kurzfristig ab. „Das war ein Fehler“, räumt Unterberger ein. „Das werden wir so nicht mehr machen“, bestätigt Angelika Hronek, Geschäftsführerin des Ortsmarketing St. Johann. „Das Wichtigste bei solchen Sachen ist die Konstanz. Die Leute müssen sich darauf einstellen können.“
Verändertes Konsumverhalten
Worauf sich der Handel offenbar einstellen muss, ist das veränderte Konsumverhalten der Kundschaft. Mit der Treue zum heimischen Handel steht es laut Studie nicht zum Besten – das Internet ist inzwischen der größte Mitbewerber. „Aber das Problem hat ja nicht nur St. Johann“, so Hronek. Die Gegenstrategie bestehe darin, die Servicequalitäten der Geschäfte vor Ort herauszustreichen und persönliche Begegnungen in den Fokus zu rücken. Das sei der richtige Weg, bekräftigt Patrick Unterberger. Auch, wenn er aus seiner Erfahrung weiß, dass es in vielen Köpfen generell ein Umdenken braucht: „Immer mehr Leute lassen sich bei uns im Geschäft ausführlich beraten und probieren die verschiedensten Modelle, zum Beispiel Schuhe. In einem Moment, in dem sie sich unbeobachtet fühlen, machen sie dann ein Foto, um den Artikel um ein paar Euro günstiger online zu bestellen.“ Wer nun denkt, dieses unfaire Verhalten würden nur „die Jungen“ an den Tag legen, irrt: „Das machen alle Altersgruppen, inklusive 50 plus. Da ist man dann schon enttäuscht.“ Verständlich. Denn Arbeitsplätze und ein lebendiges, buntes Ortszentrum mit vielen Geschäften wünschen sich alle Generationen.
Junge als Vordenker?
Die Richtung, so Bürgermeister Stefan Seiwald, müsse wohl hin zum Shoppingerlebnis gehen, wie es „Lang & Klang“ biete. „Was fehlt dir beim Online-Einkauf? Das Erlebnis für alle Sinne“, weiß er. Diese Erkenntnis setze sich mehr und mehr durch, gerade bei den nachfolgenden Generationen. Hier finde generell ein Umdenken statt, so seine Einschätzung. „Die sehen sehr wohl, dass es um Arbeitsplätze in der Region geht. Je größer die Welt für uns wird, umso stärker wird bei den Jungen wieder die regionale Verbundenheit, das wird mir von mehreren Seiten bestätigt.“
Die Einzelhandel-Studie belegte auch, dass immer mehr Menschen aus dem Pinzgau zum Einkaufen den Weg nach St. Johann finden. Das Ortsmarketing trägt diesem Umstand Rechnung: „Wir setzen im Raum Pinzgau, Saalachtal und Niederbayern verstärkt auf Werbung in unseren Social-Media-Kanälen und erweitern hier nach Bedarf unseren Radius.“
Bei einem weiteren Bereich, der in der Studie untersucht wurde, nämlich bei den Leerständen, ist St. Johann ohnehin gut aufgestellt: Es gibt kaum welche, Nachmieter werden meist schnell gefunden. „Die Flächen sind gefragt, das ist ein gutes Zeichen!“, so Patrick Unterberger.
Im Zuge der Präsentation wurde angeregt, in St. Johann einen „Immobilien-Masterplan“ ins Leben zu rufen, um Dienstleistung und Gewerbe ins Zentrum zu bringen. Was sagt der Bürgermeister dazu? „Mitten im Zentrum entstehen mit dem RAIBA-Projekt gerade zahlreiche Wohnungen und neue Geschäftsflächen, die noch mehr Frequenz in den Ort bringen. Außerdem gibt es noch weitere Projekte, die kommen sollen. Ich denke, damit sind wir ganz gut unterwegs.“ „Wir brauchen kein Einkaufszentrum“, resümiert Angelika Hronek. „Unser Ortskern ist wie ein großes Einkaufszentrum mit einem bunten Angebot, das auf engem Raum verfügbar ist“, so formuliert sie es.
Das steht nun in keiner Studie. Aber wenn wir alle darauf achten, so oft wie möglich regional einzukaufen, wird dieses „Freilicht-Einkaufszentrum“ auch in den nächsten Jahren blühen und uns Einheimischen daheim attraktive Arbeitsplätze bieten.
Doris Martinz