Jasmin Aigner über das Kickboxen und ihre Lehre beim Bundesheer.

Was mir an Jasmin als erstes auffällt, ist ihr starkes Auftreten. Mit fester Stimme, frechem Kurzhaarschnitt und verschmitztem Lächeln begrüßt mich die 17-jährige Kundlerin im Heereslogistikzentrum St. Johann in Tirol, wo sie ihre Lehre zur Betriebslogistikkauffrau absolviert. Sie ist bereits im dritten Lehrjahr und hat ein mögliches Ziel vor Augen: Leistungssportlerin beim Bundesheer werden.
Sportlich war Jasmin eigentlich schon immer. Als sehr lebhaftes Kind hat sie viele verschiedene Sportarten ausprobiert, zum Kickboxen kam sie mit fünf Jahren durch ihre Eltern zum MSK-Kirchbichl. „Wir haben anfangs gemeinsam trainiert“, erzählt sie mir und muss schmunzeln, wenn sie daran zurückdenkt. Was für ihre Eltern ein Hobby war und blieb, wurde für Jasmin zur Leidenschaft. „Mir wurde sehr schnell klar, dass ich das leistungstechnisch machen möchte!“ Dieses Vorhaben wurde im Verein JP Martial Arts in Radfeld unter der Führung von Juso Prosic bestens unterstützt und gefördert. Bereits mit elf Jahren war sie im österreichischen Nationalteam und erkämpfte sich mit 14 den Weltmeistertitel U16 bei der WM in Jesolo! Auf meine Frage, was sie denn so am Kickboxen fasziniert antwortet sie mir: „Da kann ich mich so richtig auspowern und den Kopf frei bekommen!“

Wer hart austeilt, muss auch einstecken können

Es ist erstaunlich, in welcher Geschwindigkeit ein Kickboxkampf ausgefochten wird. Wenn Jasmin kämpft, bewegt sie sich mit einer unglaublichen Eleganz, Stärke und Entschlossenheit auf der Tatami (so wird die Kampffläche genannt) vor und zurück, fokussiert ihre Gegnerin und greift blitzschnell an. „Ich bin eine offensive Kämpferin. Meine Stärke ist es, meine Gegnerinnen zu analysieren, ihre Schwächen zu erkennen und meinen Kampfstil dementsprechend anzupassen.“ Sie erklärt mir, dass ihre Disziplin das Point Fighting ist. Dabei wird der Kampf bei einem Treffer kurz unterbrochen, wieder in Kampfstellung gegangen und die Bewertung beginnt von Neuem. Die Punkte werden von drei Schiedsrichtern gewertet, wobei mindestens zwei davon den gleichen Treffer werten müssen.
Ihre Kraft und Ausdauer kommen nicht von ungefähr. Jasmin trainiert drei bis viermal die Woche, geht zusätzlich ins Fitnessstudio und spielt Fußball. „Das Verletzungsrisiko ist beim Fußballspielen größer als beim Kickboxen!“, sagt sie lachend. Generell hatte sie bisher zum Glück nur einmal eine schlimmere Verletzung gehabt – ein Knock-out beim Kampf gegen eine Gegnerin aus einer höheren Altersklasse. Blutige Nasen und Veilchen passieren im Eifer des Gefechtes schon öfters!

Eine etwas andere Europameisterschaft

Die Auswirkungen der Pandemie nehmen auch vor den Kickboxern nicht Halt. Einige wichtige Turniere wurden leider bereits gestrichen.
Jasmin erzählt mir, dass die EM im November 2021 in Budva in Montenegro auch nur unter strengsten Richtlinien stattfinden konnte. „Wir alle waren geimpft und wurden alle 2 Tage PCR-getestet. In die Halle durften nur die Kämpfer, fünf Minuten bevor es los ging. Das hat den größten Unterschied zu den Turnieren vor Corona gemacht – sonst waren wir immer als Team bei den Kämpfen dabei und haben uns gegenseitig unterstützt!“ Nichtsdestotrotz kämpfte Jasmin meisterlich und sicherte sich die Goldmedaille!
Ihr nächstes großes Ziel ist die Nachwuchsweltmeisterschaft im September in Dublin, wo sie das letzte Mal in ihrer Altersklasse U19 kämpft. Ab dann wird nämlich nicht mehr in Alters- sondern nur noch in Gewichtsklassen unterteilt. Da trennt sich dann die Spreu vom Weizen – viele hören ab dieser Kategorie auf – undenkbar für Jasmin!

Eine Lehre mit vielen Möglichkeiten

Regelmäßiges Training, zahlreiche Turniere – all diese Termine neben den erforderlichen Lernzeiten einer Ausbildung unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach. Ihre Eltern haben sie in ihrer Entscheidung, eine Lehre zu beginnen, bestärkt. Ihren ersten Schnupperplatz hatte sie beim Heereslogistikzentrum in St. Johann in Tirol. Unter der Führung von Obstlt­. Mag. (FH) Thomas Preissler, ist dieses Zentrallager des österreichischen Bundesheeres verantwortlich für die Versorgung der Truppen mit Gebirgsausrüstung, Feldkochgeräten sowie Bekleidung und Rüstung. In den Werkstätten finden übrigens die Wartung und Instandsetzung der Feldküche 2000 inklusive Feldkochgerät, der gesamten Gebirgsausrüstung sowie die Her- und Aufstellung von Möbeln durch die hauseigene Tischlerei statt.
Jasmin hat es dort auf Anhieb gut gefallen, daher hatte sie sich für den Bereich Betriebslogistik beworben. Eine weitere Möglichkeit beim Heereslogistikzentrum St. Johann in Tirol wäre eine Tischlerlehre gewesen. Nachdem sie auch die Aufnahmeprüfung in Wels erfolgreich bestanden hatte, ging es auch schon los – heute ist sie im dritten Lehrjahr und hofft sehr, nach der abgeschlossenen Lehrabschlussprüfung übernommen zu werden. Sie hat Aussicht darauf, später Leistungssportlerin beim Bundesheer zu werden – dafür würde sie noch die Grundausbildung machen müssen. Mit Jasmin sind hier noch weitere sieben Lehrlinge in Ausbildung. Sie alle haben die Möglichkeit auf eine Lehre mit Matura. In diesem Jahr werden wieder je ein Platz für die Tischler- und Betriebslogistiklehre angeboten.

Frauenpower beim Bundesheer

Eine junge Frau im militärischen Umfeld – ein ungewöhnliches Bild, könnte man meinen. Doch so wie Jasmin von ihrem Lehrlingsalltag spricht, könnte es für sie keinen besseren Ausbildungsplatz geben. „Ich habe mich von Anfang an sehr gut aufgehoben und wohl gefühlt. Ich stehe gerne morgens auf und freue mich auf die Arbeit!“ Auch stimmt die Annahme, dass fast ausschließlich Männer in diesem Beruf tätig sind, nicht. „Wir sind als Frauen schon auch gut vertreten“, klärt mich Jasmin auf. Ich bekomme eine kleine Führung in ihrem Arbeitsbereich. Sie zeigt mir die riesige Lagerhalle, wo alles ordentlich seinen Platz hat. Sie ist derzeit für die alpine Ausrüstung zuständig, das heißt, dass sie Leihgaben für die Gebirgstruppen herrichtet. Kommt eine Lieferung retour, werden die Rückgaben streng kon­trolliert und kleinere Beschädigungen sogleich repariert. Sie ist stolze Besitzerin des Staplerscheins und hilft auch in vielen anderen Bereichen mit. Ihr Arbeitstag beginnt um 7.30 Uhr und geht bis 15.30 Uhr, die Pausenzeiten sind auch wegen Corona präzise geplant.

Von Gulaschkanonen und Kasernenkantinen

Im hausinternen Alpinmuseum kann ich die unglaubliche Vielfalt an verschiedenstem Material, was das Lager birgt, sowie die geschichtliche Entwicklung der Alpin- und Feldküchenausrüstung beim österreichischen Bundesheer bewundern. Die „hauseigenen“ Tischler haben eine wunderbare Bühne für die verschiedenen Schätze des Lagers mit viel Liebe zum Detail erschaffen. So finde ich eine fertig aufgebaute „Gulaschkanone“ – also eine Feldküche – mitsamt Küchenequipment bis hin zum Suppenlöffel, Karabiner in allen Größen und Farben, verschiedene Skiausrüstungen – natürlich in weißer Tarnfarbe – und vieles mehr. Bei den Seilen hält Jasmin inne und sagt: „Man muss bedenken, dass ein Leben an der Arbeit, die wir machen, hängt. Wird beispielsweise bei einem Seil nicht genau kontrolliert, ob noch alles passt, könnte Schlimmes passieren!“
Wir verabschieden uns kurz vor der Mittagszeit. Jasmin erklärt mir noch, dass sie mit dem Essen, das sie zur Verfügung gestellt bekommen, mehr als zufrieden ist. „Wir Lehrlinge bekommen das Essen kostenlos, können zwischen verschiedenen Hauptspeisen wählen und vom Salat-Buffet, beim Obst und von den Getränken nehmen so viel wir möchten! Von wegen Kasernenkantine!“ Wir müssen beide lachen.
Was für eine taffe junge Frau, diese Jasmin! Ich bin mir sicher, dass wir noch einiges von ihr hören werden!

Viktoria Defrancq-Klabischnig