Kritisch, künstlerisch, einzigartig

Ein äußerlich eher unscheinbares Gebäude, das sich beim Betreten wie eine Tür in eine außergewöhnliche Welt entpuppt. Der Künstler STAMP stellt im Zentrum von St. Johann in Tirol seine Werke vorrangig zum Thema „Bike“ aus, mit denen er überrascht, verzaubert und nachdenklich stimmt. Ende August und damit in der Weltcup-Radwoche fand die Vernissage unter dem Motto „unterm horn “ do wahd a ondra wind“ statt, das gleichzeitig als Geburtsstunde seines Vereines „STAMP at my home“ gilt. Die Räumlichkeit ist im Lifestyle des Künstlers eingerichtet, heimelig, mit bequemen Sitzgelegenheiten zum Verweilen einladend. Weder Galerie noch Atelier aber ein zu Hause für einen Moment, um vor den Bildern in verschiedenen Formaten innezuhalten, zu staunen, und die Welt von einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Ein Autodidakt

STAMP lässt seine Kunst für sich sprechen und bleibt als Person gerne im Hintergrund. Wenn man mit ihm spricht, fällt einem seine angenehme, ruhige Stimme auf, Fragen beantwortet er gut überlegt, unverfälscht vom Bauch heraus. Sein Weg in die Kunst war alles andere als geebnet und vorgegeben. „Ich komme aus keiner künstlerischen Familie,“ erzählt er und erinnert sich noch, wie sein Vater überrascht, fast schon schockiert war, als er seine sichere Stelle bei einer Bank aufgab und in die Werbebranche wechselte. Dabei wurde sein künstlerisches Talent bereits in der Hauptschulzeit von OSR Josef Sieberer entdeckt. „Das war toll, von einem Lehrer gelobt zu werden für etwas, das in der Familie wenig Platz beziehungsweise kaum Wert gehabt hat,“ meint STAMP und verrät, dass sein bürgerlicher Name Josef Berger lautet. „Der Name passt aber nicht zu meinen Bildern, demnach dürfte ich nur Landschaften und Blümchen malen,“ meint er augenzwinkernd. Und woher kommt der Künstlername STAMP? „Leute, die mir damals als Kind beim Fußballspielen zusahen, haben mich als Stampei bezeichnet. Daraus entwickelte sich dann der englische Kosename Stämp, denn englisch klang alles viel cooler. Stämp, gib ab, das wurde mir dann im Spiel zugerufen“, erzählt er.

Kunst ist Freiheit

Nach der Schulzeit belegte er eine grafisch/zeichnerische Weiterbildung und arbeitete zuerst in einem Werbebüro und später in der renommierten Druckerei Sochor in Zell am See, besonders für den herausragenden Druck von Kunstbüchern bekannt. Der Tag, an dem er durch Zufall einen Andruck über Arbeiten von Egon Schiele in die Hände bekam, sollte für ihn wegweisend sein. STAMP erinnert sich: „Egon Schiele war damals ja nur Insidern bekannt. Mich hat das wie er an ein Bild herangegangen ist, der Strich, das Skandalöse, fasziniert und nicht mehr losgelassen.“ STAMPs Stil war damals sehr genau, er erwähnt, dass er beispielsweise das Rasenstück von Dürer eins zu eins nachmalen konnte. Nach dem Input von Egon Schieles Kunst wollte er sich davon jedoch lösen und künstlerisch freier werden. Seine ersten Sprünge Richtung abstraktes, progressives Malen machte er auf der Nitsch Sommerakademie in Salzburg, wo er mit verschiedenen Techniken wie Schüttungen, malen mit der linken Hand, geschlossenen Augen und vieles mehr in Berührung kam. Das Resümee: weg von beliebiger Kunst – hinzu progressiver, kritischer Ausrichtung gegen ein Establishment voller Egoismus, Kapitalismus. „Es folgen uns noch neue Generationen – also blicken wir über unseren Tellerrand hinaus“, so STAMP in puncto Kunst und Gesellschaft.

Lebenswerke

STAMPs Bestreben liegt darin, Kunst in vielfältigster Weise zu machen. Seine Werke umfassen Gemälde, Buch- und Magazinübermalungen in Acryl, Öl, Zeichnungen, Grafiken bis hin zu Skulpturen aus Eisen, Messing – geschmiedet und geschweißt – sowie Keramik und Werke aus gebranntem Ton. Viele seiner Bilder sind Hommagen an durch politische Willkür unterdrückte Helden der Kunstszene wie Basquiat, Egon Schiele und Ai Wei Wei. Zwischenmenschliche Verhaltensweisen, Umwelt und Krieg sind weitere sehr relevante Themen, die in seinen Werken dargestellt werden. „Für ein Bild braucht man ein Leben lang, es ist eine Entwicklung“ sagt STAMP. Gerne greift er auch ältere Elemente seiner Werke auf und lässt sie zum Teil des künstlerischen Prozesses werden. So findet sich beispielsweise das vor Jahrzehnten perfekt nachgezeichnete Rasenstück von Alfred Dürer in einem aktuelleren Porträt mit Schüttungen wieder. Wer genau hinsieht kann auch Verletzungen in manchen Leinwänden erkennen, die er später wieder zusammengenäht hat. Bemerkenswert sind auch seine Arbeiten mit Spray und ausgeschnittenen Elementen unter dem Namen „STAMPSKY“, in Bezug auf den Spraykünstler Banksy.

Aktion auf zwei Rädern

Wer sich in der Ausstellung in St. Johann in Tirol umsieht, wird auch ein kultiges Oldtimer-Fahrrad entdecken. Mit diesem Stahl-Ästheten kam STAMP zum Kunsthaus in Bregenz angeradelt, als dort Werke von Ai Wei Weis ausgestellt wurden. Vor Ort malte und verschenkte er Ai Wei Wei Porträts an die Besucher, eine gelungene Überraschung, die auch vom ORF gefilmt wurde.
Das Thema Bike ist für STAMP aber auch persönlich ein wichtiges, er hat einen engen Bezug zu seiner Lieblingssportart. In seinem zweiten Leben wie er es bezeichnet, hat Sport neben der Kunst immer schon einen hohen Stellenwert gehabt. „Ohne Sport und Kunst – keine Ahnung, wo ich da wäre,“ so STAMP. Als ambitionierter Sportler hat er schon mal weltbekannte Strecken wie die Tour de France, Giro d’Italia abgefahren und als Vertreter von ausgewählten, richtig stylischen Marken in der Fahrrad- und Snowboardszene war er weltweit unterwegs. Heute sucht er sich die Radstrecken mehr nach einer schönen Einkehr als nach der sportlichen Herausforderung aus, dafür bleibt mehr Zeit zum Malen.

Mit Kinderaugen

Die Reaktion auf seine Kunst mit: „Das können meine Kinder auch“ ist für STAMP eine Ehre und keine Kritik. Seine Arbeiten der Art Brut entstehen mit geschlossenen Augen und imitieren dabei die Freude und Freiheit, mit der Kinder aber auch geistig anders gepolte Könner der Kunst malen. STAMP erzählt schmunzelnd: „Kürzlich war eine ältere Dame bei mir in der Ausstellung, der haben meine Bilder gar nicht gefallen – so hässlich, hat sie gesagt. Das macht mir nichts aus, ich habe sie eingeladen, sich in Ruhe weitere meiner Arbeiten anzusehen – da hat sie schon etwas gefunden, das auch ihr gefallen hat.“ Es ist ihm ein großes Anliegen, in Zukunft mit verschiedenen Projekten Kinder künstlerisch zu fördern und Themen anzusprechen, die sie auch betreffen. Seine Bärenbilder entstanden nach einem Bericht in einer Zeitschrift über die Klima-
erwärmung: „Das Foto von einem Eisbären, der verloren auf einer einsamen Eisscholle inmitten vom Meer stand, hat mich sehr berührt.“

Monatliche Bildspende ab November 2022

STAMP ist ein außergewöhnlicher Künstler, der mit seinen Werken bewegt und uns immer wieder in Staunen versetzen wird. Hier startet erstmals die Aktion in eine kunstfreundlichere Zukunft, in dem er monatlich eines seiner Bilder unter Ausschluss des Rechtsweges, verlost.
Die Teilnahme ist denkbar einfach: Einfach in STAMPs Atelier (neben Café Rainer) vorbeischauen und Teilnahmekarte ausfüllen. Wir drücken euch die Daumen!

Viktoria Defrancq-Klabischnig