Seit vielen Jahren führt Heinz Kaufmann in St. Johann Trauerzüge an – weil er den Menschen helfen will, wenn sie traurig sind.

Ein Trauerzug verlässt die Kirche in St. Johann, an seiner Spitze schreitet der „Kreuzlträger“ mit seiner Last. Seine Aufgabe ist es, den Zug zum Grab des oder der Verstorbenen zu leiten. Er darf nicht zu schnell voraneilen oder zu langsam gehen, er muss sich an dem orientieren, was hinter ihm passiert. Stockt der Zug aus irgendeinem Grund, wartet er. Seine Bewegungen sind nie fahrig oder ungeduldig, sondern immer angemessen. Er ist sich der Bedeutung seiner Rolle bewusst und erfüllt sie mit Ehrfurcht und Respekt. Heinz Kaufmann ist einer der Kreuzlträger in St. Johann. Er weiß um die Bedeutung dessen, was er tut. Er spürt, dass man ihn braucht.
53 Jahre alt ist der Sainihånser, er ist in seiner Heimatgemeinde zur Schule gegangen und wechselte dann zur Lebenshilfe. Hier ist er noch heute beschäftigt, er arbeitet halbtägig, jeden Vormittag. Mittags kommt er heim zu seiner Mutter Greti zum Essen. Er habe bei der Lebenshilfe Büroarbeit geleistet, erzählt er bei unserem Gespräch in den Räumen der Bestattung Hüttner. Zu seinen Aufgaben gehörten die Ablage von Schriftstücken, er schreibt Notizen und telefoniert. Zurzeit macht er sich vor allem als Aktenvernichter nützlich. „Ich zerreiß’ mit der Hand!“ sagt Heinz nicht ohne stolz und lächelt breit. Als „Reißwolf“, der alles vernichtet, was nicht für fremde Augen bestimmt ist, macht er sich bestimmt so gut wie als Kreuzlträger bei Begräbnissen.
Heinz Kaufmann und Maximilian Hüttner kennen sich schon seit vielen Jahren, früher waren die beiden im Team der Bestattung Helmuth Treffer sogar Kollegen. Maximilian schätzt die Zuverlässigkeit des St. Johanners: „Heinz ist der beste Kreuzlträger, den es gibt. Da brauche ich nichts erklären, er kennt sich aus. Zuerst schauen wir uns das Grab an, dann weiß er, wohin der Zug gehen muss. Heinz hat auch ein gutes Gespür für die Geschwindigkeit, die für die Trauernden am besten passt.“

Viele trauen sich nicht, weil sie traurig sind.

Natürlich sind es immer traurige Anlässe, die Heinz auf den Plan rufen. Er kann gut damit umgehen. So tragisch mancher Todesfall ist, so groß die Trauer und der Schmerz der Angehörigen – Heinz geht mit dem Holzkreuz voran und ist der Fels in der Brandung. Auf ihn ist Verlass, er kommt nie aus dem Konzept. Warum übernimmt Heinz diese Aufgabe eigentlich? Es gibt doch bestimmt schönere, lustigere Jobs? „Ich mache das gerne für die Leute. Viele sind dabei, die sich das nicht trauen, weil sie so traurig sind. Deshalb gehe ich mit dem Kreuz“, erklärt Heinz, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt.
Früher sah sich Heinz gerne Baustellen an und beobachtete dort fasziniert die großen Baumaschinen, die Bagger, Raupen und Mischwägen. Doch dann geriet er fast einmal unter ein Auto, es ist zum Glück nichts passiert, doch seitdem ist er vorsichtiger. Lieber geht er jetzt mit seiner Mutter spazieren, verfolgt die Nachrichten in den regionalen Zeitungen („Die St. Johanner Zeitung lese ich immer!“) und wiegt sich im Takt der Musik, wenn auf „Melody TV“ Volksmusiksendungen laufen.
Kochen ist nicht sein Ding, er genießt lieber – am liebsten Milchreis. Heinz’ Augen leuchten, als er davon erzählt. Er liebt es auch, mit seiner Mutter essen zu gehen. Sein älterer Bruder wohnt in Wörgl und hat leider nicht oft Zeit, die beiden zu begleiten. Auch Papa Lois fällt aus – er ist schwerkrank. Als Heinz davon berichtet, wird er ganz traurig. „Des tuat mir schon schiach“, gesteht er. Er unterstützt seine Mutter bei der Pflege des Kranken und beim Herrichten der Tabletten. Auch als Krankenpfleger macht sich Heinz gut …

Die Queen? Muss nicht sein!

Der 53-Jährige hat keine großen Pläne und Erwartungen ans Leben. Er mag es, mit seiner Mutter Städte zu besuchen und war mit einem Busreiseunternehmen schon einmal in Strassburg und auch in Monaco. Mit einem Freizeitassistenten wollte er im letzten Jahr nach London fliegen, aber „Corona hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht“. Vielleicht klappt es heuer? Das wünsche ich ihm. Verdient hat er sich’s auf jeden Fall. Er hat den Leuten in St. Johann schon oft als Kreuzlträger Gutes getan und ihnen in schweren Stunden geholfen. Da ist es nur recht und billig, dass auch ihm selbst Gutes widerfährt. Wie wäre es mit einer Audienz bei der Queen, wenn er dann in London ist? Heinz schüttelt den Kopf, nein, das muss nicht sein. Er braucht keine Queen und auch sonst keine „Promis“. Er weiß, dass die Gesundheit im Leben wichtiger ist als alles andere. Und wenn es zum Äußersten kommt, wenn es heißt, Abschied zu nehmen von einem geliebten Menschen, dann ist Heinz für uns da. Mit dem Kreuz in den Händen schreitet er voran, verlässlich und unerschütterlich.

Doris Martinz