Martina Reichenfelser ist Obfrau des Vereins „Samtpfotenstube“. Warum sie zeitweise wenig Schlaf bekommt und mehr …

 

Kratzbäume in unterschiedlichen Größen, zerknautschte Spielzeugmäuse, zerrupfte Büschel aus (unechten) Federn, kleine Bälle, die klingeln, wenn sie über den Boden rollen, mit Spezialstreu gefüllte Katzen­klos … es ist nicht zu übersehen, mit wem sich Martina ihre Wohnung in St. Johann teilt. Die Mitbewohner haben vier Beine, Schnurrhaare und manche von ihnen einen ausgeprägten Spieltrieb.

Wir nehmen in der Küche Platz – in dem, was von ihr übrig geblieben ist. Martina hat nämlich fast mitten im Raum eine Wand mit einer Schiebetür einbauen lassen, um dahinter eine Kinderstube für ihre kleinen Schützlinge einzurichten. „Ich bin zu 99 Prozent alleine daheim, wozu brauche ich so viel Platz?“, fragt sie rhetorisch.

Hinter der Tür poltert es gehörig.

 

Vereinsgründung im Jahr 2019

Da kommt Ludibert, „Lu“ daher spaziert, Martinas Kater. Sie hat ihn vor drei Jahren aus dem Tierheim geholt. Er sollte eingeschläfert werden, weil er an einer chronischen Darmentzündung leidet. Martina gab ihm eine Chance, und Lu nützte sie – er braucht zwar immer noch Medikamente, aber es geht dem Kater gut. Er ist ein freundlicher und vor allem hübscher Kerl mit senfgelbem Fell, einer entzückenden, braunen Nase und grasgrünen Augen. Zwei weitere Katzen wohnen bei Martina, sie verstecken sich gerade irgendwo in der Wohnung und gehören eigentlich ihrer Tochter, die sie leider nicht mitnehmen konnte in ihr eigenes Zuhause.

Es rumpelt hinter der Tür.

Aufgrund des großen Bedarfs gründeten sechs Frauen 2019 den Verein „Samtpfotenstube“, dessen Obfrau Martina ist. Sie setzen sich für Katzen, Kaninchen und Igel ein. Vögel werden zur Erstversorgung aufgenommen und dann ins Tierheim Mentelberg gebracht, wie auch andere Wildtiere. Man arbeitet eng mit den Tierschutzvereinen und Tierheimen zusammen, vor allem mit jenen in Wörgl und Innsbruck. Wenn Tiere Hilfe brauchen, kann man sich aufeinander verlassen.

 

Die Gemeinde St. Johann unterstützt

Wichtige und wertvolle Unterstützung kommt auch von der Gemeinde St. Johann, das betont Martina bei unserem Gespräch immer wieder. Sie ist sehr dankbar dafür. „Damit können wir Kastrationen vornehmen, Tierarztkosten bestreiten, Medikamente und Futter kaufen.“ Dankbar ist sie auch allen anderen Sponsoren und Helfern, die die Arbeit des Vereins unterstützen. „Sonst ginge es nicht“, sagt die 65-Jährige.

Es raschelt hinter der Tür.

 

Kampf ums Leben

Martina liebte Tiere schon immer. Ein Haushalt ohne Katzen war für sie als junge Frau nie komplett, ihre beiden Kinder wuchsen mit „Schnurrern“ auf. Nach der Scheidung und seitdem die Kinder ausgezogen sind, wohnt sie alleine, seit acht Jahren ist sie im Ruhestand. Seit diesem Zeitpunkt zieht sie in ihrer Katzenstube, aus der es gerade wieder raschelt, mutterlose kleine Kätzchen auf. Die kleinen Rabauken, die immer wieder an die Tür rumpeln, sind bei unserem Gespräch Mitte Juni acht Wochen alt und werden in wenigen Tagen abgeholt. Martina sucht sich die Menschen, denen sie ihre kleinen Lieblinge anvertraut, gut aus. „Ich muss ein gutes Gefühl haben, sonst gebe ich sie nicht her.“ Die drei, die sie nun bald verlassen werden, sind putzmunter und kerngesund. Sie wurden im Alter von wenigen Tagen auf blanken Steinen bei einem Kellerschacht gefunden, ihre Mutter konnte nicht ausfindig gemacht werden. Sie entwickelten sich bei Martina gut und schnell, aber ohne ihre Hilfe hätten sie nicht überlebt. Einem weiteren winzigen Schützling, erst wenige Tage alt, geht es nicht so gut. Martina kämpft um sein Leben. Aber ob es der kleine Kater schaffen wird, ist noch nicht sicher. Nur 100 Gramm wiegt er aktuell. Sie macht ein bekümmertes Gesicht. Martina hat inzwischen ein gutes Gespür dafür bekommen, ob kleine, mutterlose und nicht selten kranke Kätzchen durchkommen. Sie füttert das Katerchen alle zwei Stunden mit der Flasche, Tag und Nacht. Das hat sie auch mit den drei kleinen „Randalierern“ hinter der Tür so gehalten. Wochenlang. Wie hält man das aus? „Es bringt einen schon an die Grenzen. Manchmal bin ich gar nicht mehr fähig, die Hausarbeit in der Wohnung zu erledigen, muss mich untertags für eine Stunde hinlegen. Aber wenn man sieht, wie sich die Kleinen entwickeln, entschädigt das für alles.“ Manchmal setzt sie sich auch aufs Fahrrad und fährt eine Stunde lang durch die Gegend. Um den Kopf frei zu bekommen und die Lungen mit Sauerstoff zu füllen. Das gibt Kraft zum Durchhalten.

 

Bis zu 40 Kätzchen im Jahr

Martina zieht jedes Jahr insgesamt zwischen 30 und 40 mutterlose Kätzchen auf, eine Kollegin von ihr kümmert sich um Mutterkatzen und ihren Wurf. Die vierbeinigen Schützlinge werden irgendwo gefunden und dann bei ihr abgegeben, manchmal übernimmt sie auch Kätzchen vom Tierheim, wenn dort kein Platz ist. Manche schaffen es aber gar nicht zu Martina – noch immer werden kleine Katzen erschlagen oder ertränkt, weil in Haus oder Hof kein Platz für sie ist. Dabei sollte es eigentlich gar keine Jungtiere mehr geben. Denn es ist gesetzlich geregelt, dass alle Katzen kastriert oder sterilisiert werden müssen – außer man züchtet. „Manche Leute holen sich einen Zuchtschein von der Behörde, damit sie sich die Kosten für den Tierarzt sparen. Das Gesetz ist für mich eine Katastrophe“, sagt Martina. Die Bauern in der Umgebung allerdings würden mit der Katzenhaltung vorbildlich umgehen, ihre Tiere bekommen keinen Nachwuchs. Dennoch müssen sie und ihre KollegInnen vom Tierheim immer noch bis zu zwanzig streunende Katzen jährlich einfangen und kastrieren oder sterilisieren lassen.

Irgendwas/wer kratzt sachte an der Tür.

 

Krümel schaffte es

Letztes Jahr brachte man einen kleinen Kater zu Martina, dessen Geschwister alle schon gestorben waren. Es sah nicht gut aus für ihn: Er litt an Durchfall, im Kot war Blut. Aber er nahm das Fläschchen gerne an, trank gierig. Als wollte das Leben in sich aufsaugen. Martina brachte es nicht übers Herz, ihn einschläfern zu lassen und versuchte es – gemeinsam mit Vereinstierärztin Ruth Briem-Feichtner – stattdessen mit Antibiotika. „Entweder hop oder drop“, sagt Martina. Und tatsächlich: Der Kleine schaffte es. „Heute ist er so ein Brocken“, schildert die St. Johannerin und hält ihre Hände an den gestreckten Armen ein gutes Stück weit auseinander. „Krümel“ hat inzwischen ein schönes Zuhause gefunden, in Martinas Herz bleibt er für immer. „Wenn ein Funke Lebenswille da ist, dann kämpfst du mit“, sagt sie mit glänzenden Augen.
Leises Miauen im Nebenzimmer.

Manchmal aber hilft alles nichts, manchmal muss sie einen kleinen Schützling gehen lassen, seinen Tod akzeptieren. „Wenn man das nicht kann, muss man es lassen.“ Aber jedes Tier müsse eine Chance bekommen, so Martina.

 

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge

Es rumpelt wieder, und endlich macht Marina die Schiebetür auf. Zuerst herrscht einen Moment lang angespannte Stille, dann hört man das Tapsen von Pfoten, bevor Cedric, Milo und Tapsi zum Vorschein kommen, drei hübsche, weiße Kätzchen mit grauen und schwarzen beziehungsweise roten Flecken im Fell. Sie sind neugierig, aber auch vorsichtig, weil da eine fremde Besucherin ist. Sie machen einen Bogen um uns herum und trollen sich ins Wohnzimmer, wo eines, Cedric, gleich in einem kleinen Plastikzelt verschwindet und darin herum rumpelt. Die beiden anderen machen sich am Kratzbaum zu schaffen und tollen bald mit einem kleinen Ball durch die Wohnung. Sie verstecken sich voreinander, beißen sich spielerisch in die Ohren, balgen sich. Es ist herrlich, ihnen dabei zuzusehen. Fast beneide ich Martina um ihre Aufgabe. Aber dann wieder nicht …

„Man bekommt schon sehr viel zurück von den Tieren“, sagt sie. Man könne die Dankbarkeit spüren, ihre Anhänglichkeit, ihr Vertrauen. Es macht sie glücklich, entschädigt für Sorge und manchmal auch Trauer. Wenn Cedric, Milo und Tapsi bald abgeholt werden, lacht ein Auge, und das andere weint. In ihrem Herzen aber bleiben sie alle …

Wer Martina und das Team der Samtpfotenstube unterstützen will, kann das über Spenden tun oder Polster kaufen, deren Überzüge Martina selber näht. Auch Schmuck kann man erwerben.

Schaut einfach rein auf die Homepage unter

www.samtpfotenstube.at

Doris Martinz