Michael Gritsch, Geschäftsführer der Bergbahnen St. Johann, über seine Ziele und Wünsche für das Unternehmen.

Wir treffen uns an einem milden „Frühlingstag“ Anfang Jänner. Von Gritschs Büro im ersten Stock aus ist zu beo­bachten, wie die Skifahrerinnen und Skifahrer auf einem weißen Band aus Kunstschnee bei der Harschbichl-Talstation zum letzten Schwung Richtung Gondeln ansetzen. Die einen flüssig und elegant, die anderen mit wackeligen Knien. Schwupps, schon liegt eine junge Frau im Schnee. Nichts passiert, sie steht schon wieder. Wie lange können die Bergbahnen St. Johann den Skibetrieb ohne Neuschnee noch aufrechterhalten? „Genauso lange wie alle anderen Bergbahnen“, antwortet Michael Gritsch. Die Situation ist schwierig, aber sie ist nicht verzweifelt. Und Gritsch voller Tatendrang.
Im September letzten Jahres trat der großgewachsene „Oberlandler“ seinen Job als Geschäftsführer an. „Angeworben“ wurde er von Robert Horntrich, der vor ihm den Übergang des Unternehmens von der „Skistar“ zu den heutigen Eigentümern MIC-Marbach-Group, Pletzer Gruppe und Autobus Oberbayern begleitet hatte. Viele Jahre lang waren die beiden zuvor Arbeitskollegen gewesen bei den Bergbahnen Sölden, wo Gritsch insgesamt 19 Jahre, zuletzt als Betriebsleiter, beschäftigt war.

Hängengeblieben

Dabei war es eigentlich nicht das, wovon er als junger Mann geträumt hatte. Nach Abschluss der HTL Fulpmes und geleistetem Präsenzdienst wollte der heute 40-Jährige eigentlich auf einer Bohrinsel in Norwegen anheuern. Warum ausgerechnet auf einer Bohrinsel, frage ich Gritsch. Er antwortet mit einer Gegenfrage: „Was ist der Unterschied zwischen mutig und tollkühn?“
Der Job bei den Bergbahnen sollte damals nur ein vorübergehender sein, doch schon bald ließ sich Gritsch auf die Faszination des Seilbahnlebens ein. „Es hat schon seinen Reiz“, erklärt der gebürtige Söldener. „Kein Tag ist wie der andere. Die Vielfältigkeit, die ein Seilbahnunternehmen mitbringt, ist wohl einzigartig.“ Im letzen Jahr sah er sich vor die Entscheidung gestellt, „in Sölden noch zehn, 15 Jahre weiterzumachen und dann auf die Pensionierung zu warten oder mich noch einmal zu verändern.“ Gritsch begann sich umzusehen, und das blieb Robert Horntrich nicht verborgen. Horntrich, inzwischen bei der Bergbahn St. Johann am Steuer, lud seinen ehemaligen Kollegen zum Skifahren in „Sainihåns“ ein. Ganz unverbindlich natürlich – aber mit einer Menge Hintergedanken. Gritsch kannte den Ort bis dahin nur auf der Landkarte und vom Vorbeifahren. Wie war der erste Eindruck? „Ich war sehr, sehr positiv überrascht von diesem kleinen Skigebiet. Ich bin ja etwas anderes gewohnt, mein Haus steht auf 1.550 Meter Seehöhe, das Skigebiet St. Johann hört bei 1.600 Meter auf.“ Für ihn habe die Region auch bei „normalen“ Wintertemperaturen etwas Frühlingshaftes, sagt er und meint das durchaus im positiven Sinne. Auch dass die Täler weiter und die „Unterlandler“ eine sehr aufgeschlossene Art haben, gefällt ihm. Er wurde herzlich aufgenommen. „Das Einzige, das die Unterlandler noch lernen müssen, ist, den Ötztaler Dialekt zu verstehen“, scherzt Gritsch. Von diesem Dialekt höre ich bei unserem Gespräch allerdings nichts. „Ich bemühe mich ja auch und spreche schön“, lacht der Neo-Geschäftsführer.
Seine Zelte in Sölden hat er noch nicht abgebrochen, aber der neue Job ist auf jeden Fall langfristig angelegt. „Ich bin jetzt offizieller Staatsbürger von Oberndorf in Tirol und damit politisch korrekt unterwegs“, meint der Geschiedene und Vater eines siebenjährigen Sohns mit Augenzwinkern.

Beziehungen aufbauen

Im Skigebiet St. Johann ortet er viel Potential: „Der Berg hat einiges zu bieten, darin liegt der Reiz, da kann man viel machen!“ Allerdings gebe es nach Jahrzehnten, in denen wenig investiert wurde, viel zu tun und aufzuholen. Wo sieht Gritsch den dringendsten Handlungsbedarf? „Ich für mich persönlich habe schon das Gefühl, dass einiges an Unruhe drin ist im Unternehmen aufgrund der häufigen Eigentümerwechsel in der letzten Zeit. Man muss jetzt Ruhe und Orientierung reinbringen, ganz klare Ziele formulieren und diese dann angehen.“
Gritsch befindet sich nach den wenigen Monaten seit seiner Installation noch in der Orientierungs- und Einarbeitungsphase. In jener ist es wichtig, Beziehungen aufzubauen. Vor allem zu den „Stakeholdern“, zu denen zum Beispiel auch die Grundbesitzer gehören. In Sölden habe er zwei Ansprechpartner gehabt, mit denen alles zu klären war, so Gritsch, der Tourismus ist mehr oder weniger die einzige Sparte von Bedeutung in der Region, die Pisten sind im hochalpinen Raum auf Stein und Waldboden gebaut. Die Voraussetzungen in St. Johann sind ganz anders, darauf gilt es sich einzustellen.

Chancen wertschätzen

Was sich Gritsch wünscht, ist, dass die Menschen in St. Johann und in der Region die Chance erkennen, die in der Übernahme der Bergbahnen durch die drei einheimischen Eigentümer liegt – und dass man sie annimmt und wertschätzt. Was vorher war, sei nicht mehr relevant. „Die Vergangenheit sollte man dort lassen, wo sie hingehört: in die Geschichtsbücher! Zum Glück haben sich Partner vor Ort gefunden, die bereit sind, Geld in das Unternehmen zu stecken und was daraus zu machen!“
Aber was wird möglich sein? Hat der Skibetrieb in St. Johann angesichts der schneearmen Winter überhaupt noch Zukunft? „Man wird sich anschauen müssen, ob man noch in den Winterbetrieb investiert oder den Sommertourismus auf feste Füße stellt“, so Gritsch. „Die Gewichtung wird sich zwangsweise wohl verschieben.“
Projekte, die ganz unabhängig davon schon sehr bald in Angriff genommen werden, sind die Beschneiung am Schneiderberg, die Erneuerung der Harschbichlbahn, die elektrische Umrüstung der Penzingbahn und die Pistenkorrektur in Oberndorf. „Da wird noch überlegt“, sagt Gritsch. Was die Pisten betrifft, befinde er sich auch hier noch in der Orientierungsphase, gesteht er. Er hat noch keine persönliche Lieblingsstrecke. „Die eine oder andere Abfahrt hat Ausbaupotential, aber das wird man in den Griff bekommen“, ist er zuversichtlich.
Man sagt den Oberlandlern ja einiges an Sturheit nach. Eine gewisse Konsequenz und Ausdauer kann nicht schaden auf dem Weg in die Zukunft der Bergbahnen St. Johann. Michael Gritsch bringt diese Qualitäten mit, gepaart mit technischem Know-how, jahrzehntelanger Erfahrung und einem guten Schuss Humor. Damit sollte er für alle Herausforderungen im Unterland gut gerüstet sein.

Doris Martinz