Die Kinderabteilung im Krankenhaus St. Johann deckt weit mehr als die medizinische Grundversorgung ab. Einblicke in eine besondere Welt

An den Wänden blühen bunte Wiesen, große Schmetterlinge schaukeln durch die Luft. „Schau, da sind auch noch unsere Hausmäuse“, deutet Pflegebereichsleiterin Sara Kranebitter mit einem Lächeln auf die kleinen Nager zu unseren Füßen. Auch wenn sie nur an die Wand gemalt sind: Die Mäuse, die Wiese und die Schmetterlinge bringen Leichtigkeit und stimmen froh. Sie sorgen dafür, dass sich die jungen Patientinnen und Patienten auf der Kinderstation wohlfühlen.
Wir treffen Primar Univ.-Doz. Dr. Franz-Martin Fink und Oberarzt Dr. Michael Auckenthaler zum Gespräch. Beide Ärzte sind selbst Väter und wissen um die Sorgen und Nöte, wenn Kinder erkranken. Primar Fink ist sogar sechsfacher Großvater, wie er verrät. Seit mehr als 20 Jahren steht er der Kinderabteilung in St. Johann vor und hat sie auf den hohen Standard gebracht, den man heute über die Region hinaus schätzt. Die Kinderabteilung bietet hier weit mehr als die Grundversorgung.

Wer bleiben will, kann bleiben

Zwölf „systemisierte“ Betten weist der Strukturplan des Landes Tirol im KH St. Johann aus. Im Winter, wenn sich viele Touristen in der Region aufhalten und auch die Infekte Hochsaison haben, übernachten jedoch bis zu 27 Personen auf der Station. „Solche Spitzen sind eine echte Herausforderung für uns alle, denn der Personalstand bleibt übers Jahr der gleiche. Aber wir meistern das als Team“, berichtet der Primar.
Sind 27 Betten belegt, sind dabei natürlich auch begleitende Eltern mit eingerechnet. Bei Kindern bis zum zehnten Lebensjahr sei es völlig normal und wird erwartet, dass sie begleitet werden, und auch danach finde sich immer eine gute Lösung für die Familie, sagt OA Dr. Auckenthaler: „Wer dableiben will, kann dableiben.“ Außerdem, ergänzt Sara Kranebitter, gelten auf der Kinderstation andere Besuchszeiten: „Eltern können am Bett sitzen, bis das Kind schläft und am nächsten Tag gleich in der Früh wieder kommen.“ Das 22-köpfige Pflegeteam zeigt viel Verständnis in Situationen, in denen sich Eltern um ihre Kinder sorgen. Die junge Mannschaft ist überaus motiviert, der Zusammenhalt eng. Auch die Kooperation mit der Ärzteschaft – mit dem Primar, den sechs Fachärzt:innen, drei Assistenzärzt:innen und den Turnusärzt:innen – ist von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Probleme, ausreichend Personal zu bekommen, kennt man hier nicht.

Breites Spektrum

Neben der Grundversorgung deckt das Team der Kinderabteilung in St. Johann weitere wichtige Bereiche ab. So führt es beispielsweise eine laufend wachsende Diabetes-Ambulanz, in der man die gesamte Palette der auch technisch anspruchsvollen Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus anbietet. Kinder und Jugendliche mit Diabetes sowie ihre Eltern werden umfassend aufgeklärt, beraten und betreut. Dasselbe gilt auch für Kinder, die an Rheuma leiden, an einer entzündlichen Erkrankung der Gelenke. „Auch dafür braucht es eine spezifische Behandlung. Wir betreuen manche unserer Patientinnen und Patienten während ihrer ganzen Kindheit bis zum Erwachsenenalter und freuen uns mit ihnen, wenn sie ihre chronische Erkrankung mit unserer Hilfe gut in den Griff bekommen und ein ganz normales, aktives Leben führen können“, so der Primar. „Früher musste man dafür in die Klinik nach Innsbruck fahren“, fügt er noch hinzu.
Heute deckt man vor Ort vieles ab: Das Spektrum beginnt mit der Betreuung später Frühgeborener ab der vollendeten 34. Schwangerschaftswoche und reicht über die ganze Kindheit und Jugend bis bis zum 18. Geburtstag und mitunter darüber hinaus. Man behandelt Allergien und Asthma und nimmt in diesem Zusammenhang auch Immuntherapien („Hyposensibilisierung“) vor; man befasst sich mit Wachstumsstörungen, Infektionskrankheiten aller Art, heilt Hauterkrankungen, widmet sich der Psychosomatik wie Essstörungen, berät bei Adipositas und vieles mehr. Dafür steht dem Team modernstes, technisches Equipment zur Verfügung. Das ist wichtig. Für die Betreuung der jungen Patient:innen – aber auch für die Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte. In letzterem sieht man eine wichtige Aufgabe, der man in vollem Umfang nachkommt. Denn, so weiß Primar Dr. Fink: „Wenn junge Ärzte in der Region ausgebildet werden, erhöht sich die Chance, dass sie auch in der Region bleiben.“ Ein breit angelegtes Leistungsspektrum und moderne Technik machen den Ausbildungsort für ärztlichen Nachwuchs aber auch für Pflegefachkräfte attraktiv, der Gemeindeverband unterstützt und finanziert das Ausbildungsprogramm.

Kompetenz vor Ort

Dr. Auckenthaler absolvierte einst selbst seine Ausbildung in St. Johann: „Man macht hier alles, von der Allergie bis zur Zöliakie. Ich habe das in der Ausbildung als sehr spannend erlebt, und man eignet sich viele Kompetenzen an.“ Primar Dr. Fink weiß: „Vor Ort so viel wie möglich auf höchstem Niveau abzudecken, ist unumgänglich. Denn es macht für Familien einen wesentlichen Unterschied, ob sie für eine längere Behandlung und Begleitung aus der Region nach St. Johann fahren oder dafür jedes Mal den Weg nach Innsbruck antreten müssen.“
Nur etwa ein Prozent aller eintreffenden oder stationär behandelten Patient:innen müssen an andere Einrichtungen verwiesen werden. „Wenn es jedoch notwendig ist, weil der Fall unsere Möglichkeiten überschreitet, haben wir sehr gute Kontakte zu den Kliniken in Innsbruck oder auch Salzburg. Man kennt sich, das erleichtert die Übergabe und gegebenenfalls frühzeitige Rückübernahme der uns anvertrauten Patient:innen“, so OA Dr. Auckenthaler.

Psychosomatik-Betten

So gut man in Tirol und auch in der Region bei der Behandlung körperlicher Leiden aufgestellt ist, so große Lücken gibt es bei der statio­nären Behandlung von psychosomatischen Krankheitsbildern – von Essstörungen, Angststörungen, Schulabsentismus und mehr. All das hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Außerhalb der Jugendpsychiatrie in Hall in Tirol gibt es – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – dafür in Tirol jedoch keine Betten. „Wir wollen hier den Anfang machen, wir wollen Betten für psychosomatische Fälle und den Service dafür aufbauen“, stellt Primar Dr. Fink in Aussicht. Dafür brauche es eine sowohl räumliche als auch personelle Ausstattung, beides sollte sich realisieren lassen. Die kollegiale Führung des Hauses und auch der Gemeindeverband würden die ­Fall unterstützen. „Alles, was wir brauchen, ist grünes Licht seitens der Politik!“ Im Frühling 2026 soll es losgehen, wir werden berichten.

Ein Notfall?

Nicht alle Kinder, die mit ihren Eltern in die Notfallambulanz kommen, benötigen tatsächlich Notfall-ärztliche Hilfe. „Die Nacht ist der Feind der besorgten Eltern“, begründet OA Dr. Auckenthaler die häufigen Einsätze außerhalb der Tages-Dienstzeiten. Sein Tipp, um nächtliche Fahrten ins Krankenhaus, die die ganze Familie belasten, möglicherweise zu vermeiden: „Wenn ein Kind Fieber hat, wenn es sich unwohl fühlt, bitte ein fiebersenkendes Mittel, das ja auch schmerzlindernd wirkt, verabreichen und die oft gute Wirkung abwarten. Häufig wird dadurch eine akute Vorstellung in der Nacht unnötig.“ Im Notfall jedoch solle man natürlich nicht zögern und auch die Rettung zu Hilfe rufen.
Ob ambulant oder stationär: Die medizinische Betreuung und Pflege von Kindern und Jugendlichen ist besonders fordernd. Nicht nur die jungen Patient:innen sind zu versorgen, es gilt, auch die Eltern mit einzubeziehen und auf ihre Sorgen und Bedürfnisse einzugehen. „Wenn man Kinder behandelt, bedeutet das noch mehr Verantwortung für das ganze Team“, betont Dr. Auckenthaler. Man müsse sich nicht nur das Vertrauen der kleinen Patient:innen, sondern auch jenes der Eltern erarbeiten. „Das gelingt uns in der Regel sehr gut, oft werden wir weiterempfohlen“, freut sich der 46-Jährige. „Wir pflegen ein gutes Miteinander und entscheiden interdisziplinär zum Wohle des Patienten, das spüren unsere kleinen Schützlinge und ihre Eltern auch“, so drückt es die Pflegebereichsleiterin aus. Auch sie hat selbst Kinder, ist Mutter von zwei Söhnen. Es drängt sich eine Frage auf: Wenn man sich beruflich tagtäglich mit Krankheiten und Unfällen bei Kindern befasst – wie entspannt ist man mit den eigenen? „Meine Kinder haben den Kinderarzt daheim, das ist schon ein Vorteil“, sagt Dr. Auckenthaler pragmatisch. „Aber man weiß auch, was alles passieren kann. Zu viert im Trampolin? Das ist für mich ein No-Go!“

Sinnstiftend

Er liebe seinen Beruf, so OA Dr. Auckenthaler. Die strahlenden Gesichter der Kinder, wenn sie gesund heimgehen, seien jedes Mal wieder Motivation, alles zu geben. Manche lassen Zeichnungen da, von anderen treffen ein paar Wochen später noch Dankesschreiben ein. „Die hebe ich mir alle auf, das tut gut.“
Der Wahl-St. Johanner ist auch Mitglied der Bergrettung. Nicht nur einmal hat er ein Kind mit seinen Kollegen auf dem Berg aus einer schwierigen Situation geholt und danach im Krankenhaus weiter behandelt. Es gibt aber auch sehr schwierige Momente in der Kinderabteilung. Unter anderem sind es jene, in denen der Gewaltschutz zum Thema wird und dem Team weitreichende Entscheidungen abringt.
Meist jedoch empfinden Ärzteschaft und Pflegende ihre Arbeit gerade auf der Kinderabteilung als schön und sinnstiftend. „Weil man so viel bewegen kann und es so viele kleine Erfolge gibt, die man gemeinsam feiert“, sagt Sara Kranebitter mit einem glücklichen Lächeln. Wie ihre Kolleg:innen verfügt sie über eine Zusatzausbildung, das Sonderdiplom Kinder- und Jugendpflege. Es brauche mitunter aber nicht nur Fachwissen, sondern auch Flexibilität und Kreativität im Alltag, sagt sie und schildert ein Beispiel: Ein Kind wollte einmal nicht inhalieren, obwohl es absolut erforderlich war. Da die Pflegebereichsleiterin wusste, dass das Kind die TV-Serie „Yakari“ liebt, baute sie kurzerhand ein Zelt aus Decken und lud das Kind ein, darin eine „Friedenspfeife“ zu inhalieren. Es klappte. Und die Hausmäuse an der Wand quietschten vor Freude dazu.

Doris Martinz